Cannabis
PTA-Fortbildung

Von der Rauschdroge zum Medizinalhanf

Hanf oder Cannabis sativa ist eine der ältesten Nutzpflanzen der Erde. Man stellte Seile und Papier aus seinen Fasern her – und nutzte von jeher auch die medizinische Wirkung der enthaltenen Cannabinoide.

16 Minuten

Anwendungsgebiete Keinesfalls darf Cannabis als Allheilmittel angesehen werden. Klinisch bewährt hat es sich vor allem in folgenden Bereichen:

  • Schmerzhafte Muskelspasmen bei Multipler Sklerose und Paraplegie
  • Chemotherapie-induzierte Übelkeit und Erbrechen (CINV)
  • Chronische oder neuropathische Schmerzen
  • Appetitsteigerung bei HIV oder AIDS
  • Epilepsie
  • Tourette-Syndrom
  • Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung ADHS
  • Depressionen
  • Angststörungen
  • Schlafstörungen
  • Psychosen
  • Glaukom

Cannabis in der Apotheke Wie dargelegt, stehen für einen therapeutischen Einsatz von Cannabis verschiedene Darreichungsformen zur Verfügung. Es gilt für den Arzt abzuwägen, ob Cannabis in Form der pflanzlichen Droge oder als pflanzliche Zubereitung (zum Beispiel als standardisierter Extrakt) und damit als Vielstoffgemisch oder in Form von wirksamkeitsbestimmenden Reinsubstanzen in Form von Rezeptur oder Fertigarzneimitteln eingesetzt wird. Von Bedeutung für die Therapie ist das deshalb, da sich die verschiedenen Zubereitungen ganz erheblich in ihrer Wirkung, Wirkstärke und ihrer Pharmakokinetik unterscheiden.

Grundsätzlich differenziert man zwischen Cannabis als Droge, in Cannabis-Zubereitungen und in Reinsubstanzen als Zubereitung oder Fertigarzneimittel. Apotheken können Medizinal-Cannabis aktuell über verschiedene Firmen in Deutschland mit betäubungsmittelrechtlicher Einfuhrgenehmigung beziehen. Diese Firmen importieren derzeit aus den Niederlanden und/oder Kanada. Cannabisblüten und -extrakte sind im Betäubungsmittelschrank dicht verschlossen, vor Licht geschützt und unterhalb von 25 °C aufzubewahren. Kühlkettenpflichtige Fertigarzneimittel müssen im abschließbaren Kühlschrank gelagert werden. Die Dokumentation von Zugang und Abgang in der Betäubungsmitteldatei ist vorgeschrieben. Die Unterlagen müssen drei Jahre lang aufbewahrt werden. Für jede Cannabisblütensorte muss eine eigene Dokumentation angelegt werden.

Neuer Eintrag im DAB Bei Cannabisblüten als Apothekenware handelt es sich nicht um ein Fertigarzneimittel, sondern vielmehr um eine Ausgangssubstanz, vergleichbar mit Opiumtinktur oder Pfefferminztee. Deshalb muss nach Erhalt eine Identitätsprüfung vorgenommen werden. Für die Identitätsprüfung von Cannabis gilt seit dem 1. Juni 2020 offiziell das Deutsche Arzneibuch (DAB). Für die Prüfungen auf Reinheit und Gehalt kann das beiliegende Analysenzertifikat verwendet werden. Das Regierungspräsidium Darmstadt hat für seinen Geltungsbereich festgelegt, dass eine Kombination aus makroskopischer und mikroskopischer Untersuchung des pflanzlichen Materials für die Identitätsprüfung ausreicht, sofern ein Analysenzertifikat vorhanden ist.

Allerdings sind die Regelungen von Bundesland zu Bundesland verschieden. Andere Pharmazieräte fordern eine dünnschichtchromatografische Untersuchung. Im DAB ist erstmals auch eine Monographie für eingestellten Cannabisextrakt enthalten. Der Extrakt wird ebenfalls von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich eingestuft. Teilweise gilt er als Fertigarzneimittel, teilweise als Rezeptursubstanz. Dann wird je nach Pharmazierat die Dünnschichtchromatografie als Prüfmethode vorgeschrieben. Die Referenzlösungen mit Cannabidiol und Tetrahydrocannabinol sind teuer und trotz Lagerung im Gefrierfach nur kurz haltbar.

Im DAC findet sich eine alternative Methode, die eigentlich zur Identifikation der Blüten dient und bei der die teuren Referenzsubstanzen durch die kostengünstigeren Laufweitenmarker Bornylacetat und Menthol ersetzt werden. Ob dies auf den Extrakt übertragbar ist, wird unterschiedlich beurteilt. Für die Prüfung auf THC stehen mittlerweile auch validierte Teststreifen zur Verfügung. Wünschenswert wären für alle Bundesländer einheitliche Regelungen mit Testverfahren, die den Prüfungsaufwand auf ein Mindestmaß reduzieren. Beim Arbeiten mit den Cannabisblüten in der Rezeptur muss, wie bei allen Teedrogen, die mögliche Staubentwicklung beachtet werden. Zudem riecht und haftet Cannabis stark.

Cannabis soll wegen der Gefahr der Kontamination nicht in der Teerezeptur verarbeitet werden. Noch dazu steht hier üblicherweise keine Analysenwaage bereit, die für Cannabis benötigt wird. Wer häufiger mit Cannabis zu tun hat und genügend Platz hat, tut gut daran, eine Zweitrezeptur einzurichten. Ansonsten gilt, dass Cannabis-Rezepturen im größtmöglichen Abstand zu anderen Rezepturen hergestellt werden. Vor allem auf die gleichzeitige Herstellung von pädiatrischen Rezepturen soll verzichtet werden. Cannabisblüten dürfen nicht im Liefergefäß abgegeben werden. Die Applikationsform bestimmt die Verarbeitung, die in der jeweiligen NRF-Vorschrift vorgegeben ist. Das Abgabegefäß ist dementsprechend auszuwählen. Zur Verpackung der Einzeldosen werden Pulverkapseln aus Papier (NRF 22.13) empfohlen, da nicht auszuschließen ist, dass die lipophilen Cannabinoide in Wachspapier übergehen. Es ist auf eine kindergesicherte Verpackung zu achten.

IN WELCHER FORM WIRD MEDIZINAL-CANNABIS IN DER APOTHEKE ABGEGEBEN?

Die Patientinnen und Patienten können auf Verschreibung entweder Medizinal-Cannabisblüten oder Cannabisextrakt erhalten. Bei den Medizinal-Cannabisblüten handelt es sich um die getrockneten Blüten der weiblichen Cannabis-Pflanze. Die zwei hauptsächlich an der Wirkung von Cannabis beteiligten Inhaltsstoffe heißen Delta-9-Tetrahydrocannabinol und Cannabidiol. Der Gehalt an Delta-9-Tetrahydrocannabinol und Cannabidiol variiert je nach Sorte. Cannabisextrakt ist ein Extrakt aus Bestandteilen der weiblichen Cannabis-Pflanze in pharmazeutischer Qualität.

Der Extrakt ist auf einen bestimmten Gehalt von Delta-9-Tetrahydrocannabinol eingestellt. Der Extrakt wird in der Apotheke zu einer üblichen Arzneimittel-Darreichungsform, wie beispielsweise Kapseln oder Tropflösung, für die Einnahme durch die Patientinnen und Patienten verarbeitet. Um medizinisches Cannabis in der Apotheke zu erwerben, benötigen Patientinnen und Patienten eine ärztliche Verschreibung auf einem Btm-Rezept.

Quelle: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)

Nur auf Btm-Rezept Jeder Humanmediziner darf Cannabis-Präparate auf einem Btm-Rezept verordnen. Eine gesonderte Qualifikation benötigt er dafür nicht. Zahn- und Tierärzte sind nicht dazu berechtigt. Die neue Cannabis-Verordnung von 2017 ermöglicht die Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen. Damit wird ein Rezept im Gegensatz zu früher von den finanziellen Möglichkeiten des Patienten abgekoppelt. Vor der erstmaligen Verordnung von Cannabisblüten oder -extrakt muss der Patient allerdings eine Genehmigung bei seiner Krankenkasse zur Kostenübernahme einholen.

Dies geschieht durch den behandelnden Arzt. Die Apotheke hat zwar keine rechtliche Verpflichtung zur Prüfung, ob eine Genehmigung vorliegt, im Hinblick auf mögliche Retaxationen ist es jedoch sinnvoll, darauf achten. In §31 SGB V werden drei Bedingungen für die Kostenübernahme von Cannabisblüten, einem Cannabis-Extrakt und den Wirkstoffen Dronabinol und Nabilon beschrieben:

  • Es gibt keine Therapiealternative
  • Es gibt eine Aussicht auf Linderung der Symptomatik oder Besserung der Erkrankung
  • Der Patient willigt einer anonymisierten Begleiterhebung ein
×