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PKA-Fortbildung

Gluten – schlecht für uns alle?

Gluten, was ist das eigentlich? Und wie spricht man es überhaupt aus? Bei Gluten handelt es sich um das in den meisten einheimischen Getreidesorten vorkommende Klebereiweiß. Die Betonung liegt übrigens auf der zweiten Silbe (sprich „Gluteen“).

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Veröffentlichung der Teilnahmebescheinigung:
01. September 2020

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Es erscheint nicht nur so, sondern ist eine Tatsache, dass in den letzten Jahren bei zunehmend mehr Menschen eine Unverträglichkeit auf Gluten festgestellt wurde. Bei der entspechenden Krankheit handelt es sich um die Zöliakie, (umgangssprachlich auch Glutenunverträglichkeit oder Glutenenteropathie genannt), eine Autoimmunkrankheit, bei der die Schleimhaut des Dünndarmes durch eine fehlgerichtete Immunantwort auf Gluten geschädigt oder sogar zerstört wird. Obwohl inzwischen durch genetische Tests bekannt ist, dass etwa 30 Prozent der mitteleuropäischen Bevölkerung eine Veranlagung für eine Gluten-Unverträglichkeit haben, kommt die Krankheit aber glücklicherweise nur bei etwa 30 Prozent der von der Veranlagung betroffenen Menschen im Laufe des Lebens zum Ausbruch.

Welche Symptome treten auf? Diese können äußerst unterschiedlich sein, manche Ärzte sprechen deshalb von einer „Chamäleon-Krankheit“. Bei der klassischen Form kommt es zu Durchfällen, meist in Form von Fettstühlen (Steatorrhoen), Bauchkrämpfen, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Erschöpfung und zum Teil auch Eiweißmangelödemen. Dabei muss keinesfalls jedes Symptom vorhanden sein, so gibt es sogar auch Betroffene mit Übergewicht. Im Kindesalter können zusätzlich zu den oben genannten Symptomen bei der klassischen Form Wachstumsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten auftreten. Nicht selten kommt eine sogenannte symptomatische“ Zöliakie-Form vor. Der veraltete aber häufige Ausdruck hierfür ist „atypische“ Form.

Oft sind in diesem Fall die gastrointestinalen Beschwerden sehr dezent, stattdessen stehen aber ganz andere Symptome wie Migräne, Epilepsie, Depressionen oder auch chronische Hautausschläge im Vordergrund. Aber es gibt auch Zöliakie-Formen ohne jegliche Beschwerden. Auch diese sind keineswegs ungefährlich, da es unbehandelt zu schweren Folge- und Begleiterkrankungen kommen kann.

So kommt es durch die behinderte Nahrungsresorption durch die Dünndarmschleimhaut unter anderem zu einem Mangel an Vitamin D und Calcium, dadurch sehr häufig zu Osteoporose, was wiederum die Gefahr von Knochenbrüchen erhöht. Zusätzlich kann es bei unbehandelter Zöliakie zu einem weiteren Angriff des Immunsystems auf den eigenen Körper kommen, wodurch noch andere, schwerwiegende Autoimmunkrankheiten ausgelöst werden können, wie zum Beispiel ein insulinpflichtiger Typ-1-Diabetes.

Wie erfolgt die Diagnose? Eine korrekte Diagnose ist nicht nur aus den bereits genannten Gründen wichtig, sondern auch für die genaue Abgrenzung gegenüber anderen Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen. So kann auch eine reine Weizen-Allergie vorliegen, bei der das Immunsystem nur gegenüber Weizenproteinen überreagiert und deren gastrointestinale Formen kaum von denen einer Zöliakie zu unterscheiden sind. In diesem Fall ermöglicht die korrekte Diagnose eine starke Erweiterungsmöglichkeit des Speiseplanes und damit eine Steigerung der Lebensqualität. Gleiches gilt für die sogenannte Weizen-Sensitivität.

In diesem Fall reagieren die Patienten nicht auf das Eiweiß des Weizens, sondern höchstwahrscheinlich auf die sogenannten FODMAPs. Hierbei handelt es sich um nicht resorbierbare „Fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide und (and) Polyole“. Diese Kohlenhydrate kommen natürlicherweise in Nahrungsmitteln vor und machen vielen Menschen, zum Beispiel Reizdarm-Patienten, Beschwerden. Bei dieser erst in den letzten Jahren besser bekanntgewordenen Erkrankung kann glücklicherweise meist eine geringe Menge an Weizen vertragen werden, weshalb eine weniger strenge Diät als bei den beiden anderen Erkrankungen notwendig ist.

Die korrekte Diagnose von Zöliakie basiert auf drei Säulen:

  • Dem klinischen Befund, also den Symptomen der Patienten unter Berücksichtigung des zeitlichen Zusammenhanges mit der Nahrungsaufnahme und eventueller Begleiterscheinungen.
  • Dem serologischen Befund, darunter versteht man die Bestimmung von bestimmten Antikörpern (IgA) im Blut durch spezialisierte Labore unter Angabe von Konzentrationen und Grenzwerten. Im Zweifelsfall muss zusätzlich die Gesamtmenge der IgA-Konzentration bestimmt werden, da etwa zwei bis drei Prozent aller Personen mit Zöliakie einen IgA-Mangel besitzen. In diesen Fällen ist das Verhältnis der spezifischen IgA-Konzentration zu der Gesamtmenge an IgA entscheidend. Eine Bestimmung mittels Schnelltests oder in Form einer Stuhlprobe gilt unter Fachleuten als zu ungenau.
  • Einer histologischen Untersuchung der Dünndarmschleimhaut, darunter versteht man die Auswertung von Gewebeproben, die im Rahmen einer Darmspiegelung entnommen wurden. Nur durch die Kombination aller drei Punkte lässt sich eine eindeutige Diagnose stellen. Dabei müssen die Patienten aber vor den Untersuchungen bewusst glutenhaltige Nahrung zu sich nehmen, um etwaige Entzündungsreaktionen zu provozieren.

Um eine Zöliakie auszuschließen kann auch ein Gentest herangezogen werden. Denn nur wer die genetische Voraussetzung dafür hat, kann diese Krankheit entwickeln. Liegt bei einem Menschen keine Zöliakie vor, ist eine komplett glutenfreie Ernährung sinnlos und senkt nur unnötig die Lebensqualität.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es? Zurzeit ist eine lebenslange streng glutenfreie Diät (GFD) bei gesicherter Diagnose die einzig mögliche Therapie. Dazu sollten Sie Ihren betroffenen Kunden eine Ernährungsberatung durch eine Fachkraft empfehlen. Vielleicht ist auch für Sie als PKA die Ausbildung zur Ernährungsberaterin eine interessante Fortbildungsmöglichkeit? Glutenhaltige Getreide sind Weizen, Dinkel, Grünkern, Roggen, Gerste, Triticale, Khorasan-Weizen, Emmer und Einkorn. Schwieriger ist der Umgang mit verstecktem Gluten in verarbeiteten Nahrungsmitteln. Da in diesen Fällen die Gefahr nicht sofort erkennbar ist, muss dies unbedingt Bestandteil der Beratung sein.

Folgende glutenhaltige Getreidesorten sind erlaubt: Hirse, Mais und Reis. Aber auch folgende glutenfreie Mehlpflanzen, die oft auch als Pseudogetreide bezeichnet werden, sind erlaubt: Buchweizen, Quinoa, Maniok, Amaranth und Kartoffeln. Doch auch beim Verzehr von Lebensmitteln, die von Natur aus glutenfreien sind, besteht für Ihre Kunden ein Risiko, dennoch zu hohe Glutenmenge zu sich zu nehmen, denn viele Lebensmittel werden im Herstellungs-, Verarbeitungs-oder Lagerungsprozess kontaminiert. Mehr Sicherheit für Ihre Kunden bieten Lebensmittel mit dem international anerkannten Begriff „glutenfrei“. Hier muss der Glutengehalt unter 20 ppm (mg/kg) liegen. Die noch tolerierte Menge pro Tag liegt bei den meisten betroffenen Erwachsenen bei etwa 10 mg pro Tag.

Das entspricht etwa 10 Brotbröseln oder einem Drittel eines Croutons. Manche Menschen vertragen sogar noch weniger. Deshalb sind Kreuzkontaminationen durch andere im Haushalt verwendete Lebensmittel unbedingt zu vermeiden. So kann schon ein von verschiedenen Familienmitgliedern gemeinsam verwendeter Toaster zur Ursache einer Verschlimmerung werden. Meistens bessern sich die Symptome bereits nach ein bis zwei Wochen glutenfreier Diät, die Regeneration der Dünndarmschleimhaut kann aber viele Monate, manchmal sogar Jahre dauern. Anfangs kann zusätzlich ein Verzicht auf Milchprodukte notwendig sein, weil viele Menschen durch den Rückgang des in den Bürstensaumzellen produzierten Enzyms Lactase eine Lactoseintoleranz entwickeln.

Nach ein paar Wochen glutenfreier Diät ist dies aber meistens nicht mehr notwendig und dann auch kontraproduktiv, da durch eine unnötige lactosefreie Kost die Enzymaktivität der Lactase zusätzlich vom Körper heruntergefahren wird. Im Beratungsgespräch sollten Sie Ihren Kunden aber nicht nur sagen, welche Nahrungsmittel sie meiden müssen, sondern vielmehr gemeinsam mit ihnen nach Alternativen suchen. So haben Haferflocken vielfältige Vorteile, da sie durch ihren hohen Fasergehalt einen hohen Ballaststoffanteil haben, reichlich B-Vitamine enthalten und durch einen niedrigen glykämischen Index den Blutzuckerspiegel positiv beeinflussen. Außerdem erhöhen Haferflocken das Sättigungsgefühl, erweitern den Speiseplan geschmacklich und steigern damit die Lebensqualität Ihrer Kunden. Zur Sicherheit sollten Sie Ihnen empfehlen, auch hier nur als glutenfrei gekennzeichnete Ware zu kaufen.

Als Ergänzung zur Ernährungsberatung können Sie Ihren Kunden Unterstützung durch Selbsthilfegruppen empfehlen. Hier können Sie zusammen mit anderen Betroffenen an Schulungen, Kochkursen und Treffen zum gegenseitigen Austausch teilnehmen. In manchen Fällen ist zusätzlich eine psychologische Unterstützung bei der Akzeptanz der Erkrankung notwendig, zu der Sie Ihre die Kunden ermutigen können. Bei striktem Einhalten der Gluten-freien Diät ist Zöliakie meistens eine gut und nebenwirkungsfrei behandelbare Erkrankung. Für die Zukunft können Betroffene zusätzlich auf einen in der Forschung befindlichen Impfstoff oder gentechnisch produzierte (rekombinante) Arzneimittel, sogenannte Biologica hoffen.

Ute Kropp, Apothekerin und PKA-Lehrerin

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