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Kolumne | PTA in Zeiten von Corona

WOCHE 8

Auweia. Kaum sind die Auflagen gelockert, gehen die Reproduktionszahlen hoch. Wie steht man nun dazu? Ist es gut, dass immer mehr Menschen die Corona-Infektion durchgemacht haben und somit immun sind oder wird die Gefahr einer Überbelegung unserer Krankenhausbetten wieder lebendig?

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Ich habe das Gefühl, dass im Moment keiner mehr so richtig weiß, was er nun denken soll. Wir in der Apotheke haben nun wirklich nicht das Problem der Unterbeschäftigung und sind somit privilegiert, unsere Tage sind ausgefüllt – doch für viele andere Menschen geht das „normale“ Leben nun wieder los. Jedenfalls annähernd. Kinder jubeln, dass sie wieder in die Schule dürfen, jedenfalls ein bisschen. In den Öffis und in den Supermärkten hat jeder eine Maske dabei. Nur in dem kleinen China-Restaurant in meinem Heimatort ist man ein bisschen sauer. Nein, man werde den Betrieb nicht wie gewohnt wieder aufnehmen können, zu streng seien die behördlichen Auflagen. Wegen drei Tischen könne man das Restaurant nicht öffnen, das rechne sich nicht. Also bliebe es beim Take-away.

Und dann ist ja immer noch die bleibende Gefahr für Risikogruppen wie beispielsweise Senioren. Mit sehr viel schlechtem Gewissen nehme ich meine Mutter mit in den Baumarkt, weil sie unbedingt neue Gartenmöbel haben möchte: DAS wünscht sie sich zum Muttertag. Ich statte sie mit einem Nasen-Mundschutz aus, den sie sich am liebsten herunterreißen möchte und passe auf sie auf wie ein Schießhund. Staunend sieht sie den Menschen um sich herum zu und lässt sich ein wenig erschreckt auf einen der Sessel fallen, von dem sie sich auch nicht mehr erhebt, bis ich die Kaufmodalitäten erledigt habe. Ich glaube, sie möchte so schnell nicht wieder einkaufen gehen. Ihr müssen die Leute vorkommen wie eine Herde Aliens.

Zu Hause richte ich die Terrasse her; mein Vater sieht, auf seinen Stock gestützt, dabei zu. So lange sind die beiden jetzt schon zuhause eingesperrt. Das kann nicht immer angenehm sein. Eine Bekannte erzählte mir, ausgerechnet in dieser Zeit musste ihre Mutter nach einer Operation in eine Reha-Einrichtung verlegt werden. Dort lag sie in ihrem Bett, umgeben von fremden Leuten mit Mundschützen „Ich durfte sie nicht besuchen, sie kannte niemanden und alle trugen eine Maske vor dem Gesicht“, sagte sie traurig. „Sie hat vor lauter Schreck aufgehört zu essen.“

Das große Dilemma der nächsten Zeit wird sein: Wann wird ein ausreichender Grad der Durchseuchung erreicht sein? Auf wessen Kosten wird er gehen? Die Leute werden sich die Köpfe heiß reden, ob es ethisch vertretbar ist, alte Menschen vom üblichen sozialen Geschehen auszusperren oder nicht. Betriebe werden sich die Frage stellen, ob sie sich vom Corona-Schock erholen können oder Stellen abbauen müssen. Sogar der hartgesottene Tim Mälzer fängt in einer Talkshow an zu weinen. Wie macht man es denn nun richtig? Manchmal tun sie mir ein wenig leid, die Politiker, die wöchentlich Entscheidungen treffen müssen, deren Reichweite sie gar nicht überschauen können. Denn wie sagte meine Oma schon: Hinterher weiß man’s immer besser.

Es ist so normal geworden, hinter Plexiglas, mit Mundschutz und Handschuhen zu bedienen, dass uns das gar nicht mehr auffällt. Ist es jemals anders gewesen? Nur einmal werde ich ein wenig wütend, als ein Lehrer im Fernsehen sagt, man könne es den Schülern nicht zumuten, den ganzen Tag eine Stoffmaske vor dem Gesicht zu tragen. „Wie soll das gehen?“ spricht er klagend in die Kamera. War der eigentlich in letzter Zeit mal draußen? Oder glaubt er, diese Zumutung gilt nur für VerkäuferInnnen und Apotheken-MitarbeiterInnen, für KrankenpflegerInnen und BusfahrerInnen? Wütend macht mich auch der Chor der „Experten“, die in Disharmonie durcheinandersprechen und sich in widersprüchlichen Handlungsempfehlungen schier überbieten. Ich glaube, dass die Verunsicherung zunehmen wird und hoffe, dass keine sozialen Unruhen ausbrechen werden.

Unsere Autorin Alexandra Regner, PTA und Journalistin, berichtet in dieser Kolumne aus ihrem Apothekenalltag. „PTA in Zeiten von Corona“ erscheint einmal wöchentlich online auf www.diepta.de. Ihre letzte Kolumne finden Sie hier.

Wir in der Apotheke sind auf der relativ sicheren Seite. Wir haben uns früh geschützt – und werden von den Kunden wertgeschätzt. Ich wünsche das Jedem, der arbeiten geht.

Alexandra Regner,
PTA und Journalistin 

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