Stammzellen können Herzinfarkte heilen - aber anders, als von der Medizin bisher angenommen. © Magicmine / iStock / Getty Images Plus

Stammzellen | Infarkttherapie

WIE HERZEN HEILEN

Stammzellen gelten als vielversprechende Möglichkeit, Schäden am Herzen nach einem Infarkt zu reparieren. Doch es gibt eine Überraschung: Anders als gedacht, bildet die omnipotente Universalzelle keine neuen Herzmuskelzellen, sondern regt das Immunsystem zur schnelleren Wundheilung an.

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Man hatte viel Hoffnung in die klinischen Studien gesteckt. Tausende Herzinfarkt-Patienten nahmen daran teil: Bei ihnen sollte der Effekt von Stammzellen auf ihr geschädigtes Herz untersucht werden. Dabei erfolgte eine Injektion voll ausgebildeter (adulter) Stammzellen, die vornehmlich im Knochenmark gebildet werden, entweder in die Blutbahn oder in das Herz. In Tierversuchen hatte diese Vorgehensweise die Herzleistung messbar verbessert.

Doch bei menschlichen Patienten waren die Ergebnisse weit weniger eindeutig und für die Wissenschaftler sogar enttäuschend. Und nach wie vor wusste man auch nicht so richtig, wie es eigentlich funktioniert: „Die mechanistische Basis für diese Stammzellentherapie bleibt unklar“, gesteht Ronald Vagnozzi vom Cincinnati Children’s Hospital Medical Center ein. Warum und wie die Therapie im Herzen wirkt, ist jedoch weitgehend bekannt: Die Injektion verursacht eine lokale Entzündung, die das Immunsystem anregt und mit der Wundheilung gut funktionierendes Gewebe nachproduziert.

Um das zu verstehen, mussten noch einmal Mäuse herhalten. Die Forscher injizierten acht Wochen alten Tieren nach einem künstlich herbeigeführten Herzinfarkt entweder Vorläuferzellen von Herzzellen, Knochenmarks-Stammzellen oder eine Salzlösung. Die Injektion erfolgte entweder ins Herzinnere oder aber direkt an die Stelle, die vom Herzinfarkt geschädigt war. „Unsere Resultate zeigen, dass das injizierte Material direkt an das Gewebe nahe der Infarktregion gebracht werden muss“, berichtet Seniorautor Jeffery Molkentin vom Cincinnati Children’s Hospital. Denn dort findet auch die Heilung statt.

Wider Erwarten führte aber diese Injektion nicht zu einer Produktion von neuen Herzzellen, also einer Differenzierung der Stammzellen – was die Wissenschaftler eigentlich erwarteten. Nicht einmal die Aktivität der herzeigenen Muskelzellen nahm zu. Das bedeutet, dass die Stammzelltherapie völlig anders wirkt als bisher angenommen. Sie ersetzt beim Menschen keineswegs kaputte Herzmuskelzellen, indem sie einfach neue produziert.

Wie aber wirkt sie dann genau? Um das herauszufinden, führten Vagnozzi und seine Kollegen weitere Versuche durch, indem sie den herzgeschädigten Mäusen auch abgetötete Stammzellen oder die immunstimulierende Chemikalie Zymosan injizierten. Das Erstaunen war groß, als sich auch diese beiden Behandlungen als äußerst wirksam erwiesen. Die Injektion löste nämlich in allen Fällen eine lokale Entzündung an der geschädigten Herzzelle aus. Dadurch strömten spezielle Fresszellen herbei, die anschließend zur Wundheilung beitrugen. „Die Immunreaktion veränderte akut die zelluläre Aktivität rund um die verletzte Stelle im Herzen“, berichtet Molkentin. „Dadurch heilte sie mit einer günstigeren Vernarbung und verbesserten kontraktilen Eigenschaften.“

Interessanterweise wirkte dabei Zymosan bei den herzkranken Mäusen sogar besser als die injizierten Zellen. Molkentin fasst zusammen: „Die Wirkung der Herz-Stammzelltherapie beruht auf einer akuten, entzündungsbasierten Wundheilungsreaktion, die die mechanischen Eigenschaften der geschädigten Herzregion verbessert.“ Das wissenschaftliche Team möchte nun die Möglichkeit einer Therapie ausloten, die eventuell ganz auf Stammzellen verzichten könnte.

Alexandra Regner,
PTA und Journalistin

Quelle: www.wissenschaft.de

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