HTLV-1 befällt vorwiegend CD4-positive T-Zellen. Im schlimmsten Fall kann sich daraus eine adulte T-Zell-Leukämie entwickeln. © Szepy / iStock / Getty Images Plus

Virulogie | Geschlechtskrankheiten

WER KENNT HTLV-1?

Das Virus wurde vor knapp 40 Jahren entdeckt, kann bei Infizierten Blutkrebs auslösen und ist vor allem in Australien weit verbreitet – trotzdem ist es recht unbekannt. Wie kommt‘s?

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Das Humane T-lymphotrope Virus 1 (HTLV-1) gehört wie HIV zu den Retroviren. Es handelt sich sogar um das erste beim Menschen gefundene Retrovirus überhaupt, denn zuvor ging man davon aus, dass diese Virengattung nur beim Tier und nicht beim Menschen vorkäme. Die Entdeckung 1980 durch den Forscher Robert Gallo galt dementsprechend als Sensation. Schnell zeigte sich auch, dass Infizierte ein höheres Risiko für bestimmte Krebsformen aufwiesen. Da vorwiegend CD4-positive T-Lymphozyten befallen werden, können Betroffene eine T-Zell-Leukämie entwickeln. Die adulte T-Zell-Leukämie (ATL) ist ein seltenes, hoch aggressives Non-Hodgkin-Lymphom. Ein akuter Verlauf führt in der Regel innerhalb weniger Monate zum Tod. Das Virus wird hauptsächlich durch ungeschützten Sexualkontakt übertragen, aber auch durch Stillen. Die Daten zur Verbreitung von HTLV-1 sind ungenau, laut Schätzungen könnten mehr als 20 Millionen Menschen weltweit mit dem HTLV-1 infiziert sein. Wie konnte es wieder in den Hintergrund rücken?

Etwa ein Jahr nach Entdeckung von HTLV-1 trat HIV in den Vordergrund, erste Berichte über die bis dato unbekannte Immunschwächekrankheit AIDS erschienen. Wer bislang an HTLV-1 arbeitete, wechselte zumeist in die HIV-Forschung und das Virus rückte in dessen Schatten, bis heute gibt es kein Heilmittel und keine Impfung. Aktuell wird wieder mehr über das Virus berichtet. Dies liegt vor allem an Berichten über Epidemien bei australischen Ureinwohnern. Grundlage dabei sind Studienergebnisse, laut denen jeder Zweite über 50-Jährige der untersuchten 1889 Ureinwohner Zentralaustraliens mit dem Virus infiziert ist. Eine Infektion verläuft meist unbemerkt, das Virus verbreitet sich im Gegensatz zu HIV eher allmählich. Symptome tauchen meist erst viele Jahre später auf und auch nur bei einem kleinen Teil der Infizierten. Dabei werden nicht nur Zellen des Immunsystems, sondern auch Muskel- und Nervengewebe befallen. Dadurch treten Blutzellveränderungen und neurologische Defizite auf, sogenannte tropisch spastische Paraparesen. Aber auch Harn- und Stuhlinkontinenz, Haut- und Augenentzündungen oder Arthritis.

Im europäischen Raum und vor allem Deutschland ist das Virus weniger stark vertreten. Es wird aber auch selten getestet. Auch Blutprodukte oder Spenderorgane werden aufgrund der geringen Fallzahlen nicht auf das Virus untersucht. Gesicherte, bekannte endemische Gebiete sind Japan, Zentralaustralien, die Karibik oder Teile Amerikas, genaue Angaben sind allerdings auch hier schwer zu finden. Im Gegensatz zu anderen Viruserkrankungen findet sich HTLV-1 auch nicht auf der Liste der sexuell übertragbaren Krankheiten, auch wenn dies den Hauptinfektionsweg darstellt. In einem offenen Brief an die WHO fordern nun 60 Forscherinnen und Forscher, dem Virus wieder mehr Beachtung zu schenken und die Gefahr, die von ihm ausgeht ernst zu nehmen.

Farina Haase,
Apothekerin, Volontärin

Quelle: www.rki.de
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