Schätzungen zufolge werden jährlich etwa 60 000 Quadratkilometer tropische Regenwälder abgeholzt. © dennisvdw / iStock / Getty Images Plus

Ressourcenverbrauch | Rohstoffimport

WARUM BIO NICHT IMMER GUT FÜR DIE UMWELT IST

Kauft man ökologisch bewusst ein, tut man nicht nur sich selbst, sondern auch der Umwelt einen Gefallen. In vielen Fällen stimmt das auch. Ganz so einfach scheint es aber nicht immer zu sein, denn wo kommen die ganzen pflanzlichen Rohstoffe eigentlich her?

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

Es geht vor allem um sogenannte Non-Food-Produkte wie Kosmetik, Bio-Rohstoffe oder andere pflanzenbasierte Materialien. Es ist sinnvoll, statt Erdöl alternative Energiegewinnung zu bevorzugen oder nachwachsende Ressourcen für Alltagsprodukte zu verwenden und Plastik zu meiden. Doch auch diese Dinge benötigen Rohstoffe. Und die stammen laut einer neuen Studie nur zu 35 Prozent aus Europa – der Rest wird von anderen Kontinenten importiert, darunter auch tropische Regionen.

Auch wenn Bio draufsteht, muss es erst einmal irgendwo wachsen. Soja, Palmöl und Mais benötigen Anbauflächen, Wasser und Düngung. Die Pflanzen dienen hierbei nicht der Ernährung, sondern der Herstellung von Chemikalien, Alltagsgegenständen oder Kosmetik. Laut der Studie stammt der Großteil von anderen Kontinenten, das bedeutet dortige Ackerflächen stehen in Konkurrenz zu natürlichen Lebensräumen. Für Palmölplantagen werden in Asien beispielsweise große Flächen Regenwald abgeholzt. Große Felder mit Monokulturen aus Mais oder Soja gefährden die heimische Pflanzen- und Tiervielfalt. „Es wachsen die Belege dafür, dass eine Ausweitung der industriellen Bioökonomie unter anderem direkte und indirekte Landnutzungsveränderungen bewirkt und so die Treibhausgas-Emissionen erhöht und die Wasserqualität und -quantität beeinträchtigt“, erklären Martin Bruckner von der Wirtschaftsuniversität Wien und seine Kollegen in ihrem kürzlich veröffentlichten Fachartikel (Research Letters, doi: 10.1088/1748-9326/ab07f5).

Das Wissenschaftler-Team nutzte für seine Studie mehrere Wirtschaftsmodelle, um Handelswege und Wertschöpfungsketten international zu vergleichen. Nach ihren Ergebnissen verbraucht jeder Europäer durchschnittlich 103 Kilogramm pflanzliche Rohstoffe pro Jahr für Non-Food-Produkte. Greifen wir hier verstärkt zu Bio, bedeutet dies anderswo einen steigenden Landverbrauch. Ein paar Zahlen:

  • Importierte Baumwolle benötigt 1,7 Millionen Hektar Anbaufläche vor allem in Indien, China und Pakistan
  • Die EU importiert jährlich rund 6,4 Milliarden Liter Palmöl aus Asien, größtenteils aus Indonesien und Malaysia, wo für die Plantagen Regenwald abgeholzt wird.
  • Kautschuk für Europa nimmt in Asien rund 1,3 Millionen Hektar Anbaufläche in Anspruch, Kokosöl etwa 0,7 Millionen Hektar.
  • Leder, Wolle und das entsprechende Vieh für den europäischen Markt weidet auf weiteren 1,2 Millionen Hektar.

Natürlich soll man jetzt nicht schlagartig aufhören, Bio-Produkte zu kaufen oder wieder alles in Plastik einpacken. Aber die Untersuchungen der Wissenschaftler zeigen, dass die bestehende Problematik durch ein ökologisches Bewusstsein nicht unbedingt gelöst, sondern vielmehr verschoben wird. „Unsere Ergebnisse unterstreichen, dass der Non-Food-Sektor eine treibende Kraft im wachsenden Biomassebedarf darstellt“, erklärt Bruckner. „Doch die EU bezieht ihre Quellen für diese Non-Food-Rohstoffe zunehmend aus tropischen Gebieten.“ Also einfach alles in der EU anbauen? Der Großteil der Ackerflächen wird jedoch für die Nahrungsmittelproduktion benötigt. Zudem können hiesige Pflanzen nicht die importierten Alternativen ersetzen. Ein Beispiel wäre die Nutzung von Raps- statt Palmöl: „Für die gleiche Menge an Öl bräuchten wir in Europa dreimal so viel Fläche, die Folge wären erhöhte Treibhausgasemissionen und Biodiversitätsverluste“, sagt Bruckner. Eine Zwickmühle – schon heute. Seine Schlussfolgerung lautet: „Nur durch eine starke Reduktion unseres Konsums können die Ökosysteme unseres Planeten effektiv geschützt werden“.

Farina Haase,
Apothekerin/Redaktion

Quelle: www.wissenschaft.de

×