Idyllischer Mischwald bei Sonnenschein
Ein idyllisches Waldstück: Auch in Deutschland kann man mittlerweile "waldbaden". © Dave Robinson / Unsplash.com

Naturtherapie | Entschleunigung

WALDBADEN: WIE NATUR HEILEN KANN

Es scheint eine neue Wechselwirkung zu geben: die zwischen Baum und Mensch. Obwohl, so neu ist die nicht. Der Evolutionsbiologe Edward O. Wilson nannte das Phänomen in den achtziger Jahren Biophilia – die genetische Veranlagung die Natur zu lieben. Die sogenannte Waldmedizin ist dabei mehr als ein Spaziergang im Grünen.

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Shinrin-yoku – Baden in der Atmosphäre des Waldes oder kurz Waldbaden. Ein Eintauchen mit allen Sinnen in den Wald. Das bedeutet, durch den Wald zu gehen ohne ein bestimmtes Ziel zu verfolgen, viele Pausen zu machen, Bäume zu bestaunen und die Natur auf sich wirken zu lassen, sie zu hören, sehen, riechen und schmecken. Der Begriff wurde Anfang der achtziger Jahre durch das japanische Gesundheitsministerium eingeführt – in Japan gilt die Waldmedizin mittlerweile als Teil einer ganzheitlichen Gesundheitsvorsorge: Vor zwölf Jahren eröffnete das erste Zentrum für Waldtherapie, an japanischen Universitäten kann man sich in Waldmedizin fachärztlich spezialisieren. Auch in Deutschland gibt es mittlerweile „Heilwälder“ und „Waldbademeister“, zum Beispiel auf Usedom, bei Rostock oder Wiesbaden. Wellness oder Wissenschaft? Forschergruppen aus Deutschland und Österreich untersuchen nun die Evidenz der heimischen Wälder für medizinische Zwecke, denn schließlich unterscheiden sich japanische Zedern und Pinien von bei uns heimischen Eichen, Buchen und Birken.

Der Waldexperte und Professor für Umweltimmunologie Qing Li forscht in Tokio über den Einfluss des Waldes auf die Gesundheit. Laut seinen Studienergebnissen steigere bereits ein kurzer, entspannter Aufenthalt im Wald die Zahl der Killerzellen im Blut. Blutdruck, Cortisol und Puls senke sich nach einer Stunde. Und dass Natur gut tut, ist schon seit längerem bekannt. 1984 konnte der schwedische Forscher Roger Ulrich mit verschiedenen Studien zeigen, dass sich ein Ausblick ins Grüne positiv auf die Heilungsrate von Krankenhauspatienten auswirkt – sie konnten früher entlassen werden und kamen mit weniger Schmerzmitteln aus. Aber nicht nur der Anblick, auch das Mikroklima hat einen Effekt. Die ruhige Atmosphäre des Waldes, die Lichtverhältnisse und leise plätscherndes Wasser tragen „nachgewiesenermaßen zu einem Erholungseffekt durch Stressreduktion“ bei, sagt Angela Schuh vom Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Jedoch betont auch sie, dass es mehr Studien braucht, um die Evidenz zu sichern. Es muss zum Beispiel geklärt werden, ab wann dieser Erholungseffekt eintritt oder ob es auch einen präventiven Effekt gibt.

Qing Li vermutet einen direkten Einfluss der ätherischen Öle und Terpene der Waldpflanzen auf unseren Körper, so zum Beispiel eine Stimulation des Immunsystems. Andere Experten sprechen sich für eine positive Assoziation der Gerüche und Atmosphäre mit glücklichen Kindheitserlebnissen aus. Bis genau geklärt ist, wie und in welchem Umfang die „Waldtherapie“ auf Körper und Geist wirkt, ist es aber bestimmt nicht verkehrt, das Handy einfach mal auszuschalten und für ein, zwei Stunden in den Wald „einzubaden“.

Farina Haase,                                                                                                          Apothekerin, Volontärin

Quelle: Zeit online

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