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Der Mensch ist ein soziales Wesen

VON FLEISSIGEN BIENCHEN UND FAULEN MÄNNERN

Wir führen unser Verhalten im Umgang mit anderen intuitiv auf bewußte Entscheidungen zurück, die wir auf der Grundlage von Moralvorstellungen oder Charaktereigenschaften treffen.

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Kennen Sie das auch? Er, jung, dynamisch, Single, hat bei sich zu Hause alles perfekt im Griff: Er putzt, kocht, wäscht und spült. Doch irgendwann kommt der Moment, wo er in eine feste Beziehung eintritt und aus dem Single ein Partner wird. Und von nun an hält sie die Wohnung alleine in Schuss, während er die Sportschau vom Sofa aus genießt, Konflikte vorprogrammiert!

Doch wie kommt es zu diesen drastischen Verhaltensänderungen seinerseits? Unter Verhalten versteht der Neurobiologe alle Handlungen, mit denen ein Mensch oder Tier mit seiner (belebten oder unbelebten) Umwelt interagiert. Das kann so etwas einfaches wie regungsloses Verharren sein – etwa wenn ein Jäger einer Beute auflauert – oder auch etwas so Komplexes wie die Arbeitsteilung in sozialen Gemeinschaften.

Als Menschen gehen wir in der Regel davon aus, dass es kognitive, bewusste Entscheidungen sind, nach denen Individuen ihr Zusammenleben „vernunftgesteuert“ organisieren. Komplexes Sozialverhalten existiert auch bei Tierarten, denen wir kein individuelles Bewußtsein zuschreiben, wie etwa sozialen Insekten. Bei Honigbienen etwa gibt es Arbeitsteilungen: Ab 34,5 °C beginnen einige Bienen zur Kühlung des Stocks mit den Flügeln zu fächeln, während andere sich an dieser wichtigen Aufgabe nicht beteiligen. Das Ganze ist dabei auch sehr sinnvoll, denn würden alle nur fächeln, würde ja die Brut verhungern.

Neurobiologisch erklärt werden kann das Phänomen dadurch, dass es für alle Handlungen auslösende Reize gibt, die eine gewisse Stärke aufweisen müssen, um wirksam zu sein. Diese so genannten Reizschwellen sind individuell unterschiedlich: Bei 34,5 °C beginnen also die Bienen das Fächeln, die die niedrigste Reizschwelle haben. Dadurch sinkt die Temperatur im Stock und die anderen Bienen, die ihre „Fächelschwelle“ vielleicht bei 36 °C erreichen würden, helfen nie bei der Stockkühlung, weil diese Temperatur eben aufgrund der Arbeit der anderen nie erreicht wird. Eine sinnvolle Arbeitsteilung wird also erzielt, ohne dass das auch nur einer einzigen Biene bewußt wäre!

Zurück zu Ihrem Partner auf dem Sofa: Wenn Frau also immer putzt, bevor es Mann zu dreckig wird, dann wird Mann sich eben auch nie aus eigenen Stücken an der Raumpflege beteiligen – seine Reizschwelle für „Putzen“ wird einfach nie erreicht. Es sei denn, sie bekommt es hin, dass ein anderer Reiz für ihn überschwellig wird und zum Putzen anregt – wie etwa ihre schlechte Laune oder auch ihr liebevolles Bitten – denn ein bisschen denken kann Mann bei allen tierischen Instinkten natürlich trotzdem – aber so kennen Sie das ja sicher auch…

ZUR PERSON
Prof. Dr. Holger Schulze
Hirnforscher
Holger.Schulze@uk-erlangen.de

Prof. Dr. Schulze ist Leiter des Forschungslabors der HNO-Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg sowie auswärtiges wissenschaftliches Mitglied des Leibniz-Instituts für Neurobiologie in Magdeburg. Seine Untersuchungen zielen auf ein Verständnis der Neurobiologie des Lernens und Hörens. www.schulze-holger.de 
 

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/11 auf Seite 12.

 


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Holger Schulze

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