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Anti-Aging-Wirkstoffe

VOLLE KRAFT ZURÜCK

Im Alter lässt die Produktion elastischer Fasern in der Unterhaut nach. Die Haut erscheint dann zunehmend schlaffer und faltiger. Lässt sich dieser Schritt durch geeignete Pflege aufhalten oder gar umkehren?

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Für immer jung bleiben wollen wohl die wenigsten, aber für immer jugendlich aussehen ist ein Wunsch, den so viele haben, dass sich der Verkauf von Anti-Aging-Kosmetik für die Hersteller so richtig lohnt. Nach Angaben des Verbands der Vertriebsfirmen kosmetischer Erzeugnisse e.V. gaben deutsche Kunden 2015 knapp 200 Millionen Euro für Anti-Aging-Produkte aus. Dabei ist zwar fraglich, was wirklich wahr und was nur Werbeversprechen ist, doch ein paar Wirkstoffe haben nachgewiesenermaßen durchaus glättendes Potenzial. Spätestens dann, wenn Versprechungen wie „reduziert signifikant die Faltentiefe“ gemacht werden, müssen wissenschaftliche Studien dahinterstecken. Ansonsten droht Verbot, denn irreführende Werbung kann laut einer EU-Verordnung von 2013 untersagt werden.

Alternde Haut Keinem Organ sieht man unser Alter so sehr an wie der Haut. Doch wie altert Haut überhaupt? In der mittleren Hautschicht, der Dermis, befindet sich ein Netz aus Kollagen- und Elastin-Fasern, die die Haut stützen und geschmeidig halten. Mit der Zeit nutzen dich diese Fasern ab – im Laufe des Alters büßt die Hautschicht so Elastizität und Spannung ein. Es bilden sich tiefere Falten. Zudem nimmt ab dem 25. Lebensjahr die Hautdicke immer mehr ab, die Haut wird schlechter durchblutet, es werden weniger natürliche Feuchthaltefaktoren gebildet und die Haut verliert an Feuchtigkeit. Dadurch erscheint sie fahl, fleckig und rau. Feine Trockenheitsfältchen werden sichtbar. Mit geeigneten Pflegekosmetika kann die Haut mit Feuchtigkeit versorgt werden und glatter wirken. Antioxidanzien können zudem vor schädigenden Umwelteinflüssen schützen. Aber es geht auch tiefenwirksam – mit direkter Auswirkung auf den Kollagenstoffwechsel.

Stichwort Stoffwechselaktivatoren Voraussetzung für eine tiefe Wirkung ist, dass die Substanzen durch die Epidermis durchdringen können, um zu den lebenden Hautzellen in der Dermis zu gelangen. Dort können sie die Zellerneuerung anregen und den Zellabbau mindern. Am besten sollte das Molekül hierfür möglichst klein und unpolar sein. Als Goldstandard gilt Vitamin-A-Säure, Tretinoin, an ihr müssen sich in der Kosmetikforschung alle neu getesteten Wirkstoffe messen. Von außen zugeführte Vitamin-A-Säure bindet im Zellkern an bestimmte Rezeptoren und fördert die Mitoserate der Basalzellen, wodurch die Hautdicke zunimmt. Zudem wird die Anzahl an bindegewebsbildenden Zellen in der Dermis gesteigert, die Produktion von Kollagen wird so erhöht.

Gleichzeitig nimmt die Aktivität von Kollagenasen ab und weniger Kollagenfasern werden abgebaut. Die Haut wirkt glatter, gleichmäßiger und elastischer. Die Entdeckung war übrigens eher ein Zufall: Anwenderinnen von Vitamin-A-Säure zur Bekämpfung ihrer Akne zeigten einen signifikanten Rückgang feiner Augenfältchen. Ein wirksamer Anti-Aging-Wirkstoff war geboren – nur leider ist er verschreibungspflichtig. In freiverkäuflichen Kosmetika finden sich daher Retinol und Retinaldehyd, als Vorstufen werden sie in der Haut zu Vitamin-A-Säure umgewandelt, wobei der Aldehyd eine höhere Stabilität auf seinem Weg zum Zellkern zeigt. Im Gegensatz zur reinen Vitamin-A-Säure, nach deren Anwendung es zu Hautreaktionen und Rötungen kommen kann, sind sie gut verträglich und wirken nicht fotosensibilisierend.

Auch von hochdosiertem Vitamin C ist eine Wirkung auf die Kollagensynthese bekannt – ganz ohne Vitamin C käme die Kollagensynthese komplett zum Erliegen, in diesem Fall spricht man dann von Skorbut. Fernab dieses Vitaminmangels wirkt eine erhöhte Vitamin-C-Zufuhr anregend auf die Kollagensynthese in der Dermis und hemmt gleichzeitig kollagen- und elastinabbauende Enzyme. Damit wird das Bindegewebe gestärkt und sogar vorliegende Bindegewebsschäden können zum Teil wieder regeneriert werden. Doch gilt das gleiche wie für Vitain-A-Säure: In zu hohen Dosen führt Vitamin C zu Hautreizungen und Rötungen. Zudem reagiert das Vitamin sehr sensibel auf UV-Licht und Sauerstoff, weshalb häufig Ascorbylpalmitat und andere stabile Derivate zum Einsatz kommen, die im Körper wieder zu Ascorbinsäure umgewandelt werden.

Polypeptide sind für die Anti-​Aging-Forschung ebenfalls von Interesse. Sie zeigen ebenfalls eine steuernde Funktion in den Zellkernen der Bindegewebsfasern auf und beeinflussen so die Synthese elastischer Fasern. Das Problem dabei ist jedoch oftmals ihre Größe und Polarität. So hat man ein Polypeptidfragment mit der Aminosäuresequenz Lysin-Threonin-Threonin-Lysin-Serin, von dem bekannt ist, dass es die Kollagensynthese signifikant beeinflusst, erst chemisch verändern müssen, damit es überhaupt die Chance hat, in die tieferen Hautschichten zu penetrieren. Heute ist es an Palmitinsäure gebunden unter der Bezeichnung Palmitoyl-Lysin-Threonin-Threonin-Lysin-​Serin in vielen Anti-Aging-Cremes zu finden.

Und die Forschung um die Peptide geht weiter, immer neue Polypeptide finden Anwendung in Kosmetikprodukten. Phytoestrogene aus Soja, grünem Tee, Traubensilberkerze, Ginseng oder Klee kennen bestimmt viele Frauen ab einem gewissen Alter, denn sie werden häufig gegen gängige Wechseljahrbeschwerden eingesetzt. Die pflanzlichen Inhaltsstoffe, wie Isoflavone, Cumestane und Lignane, die im Körper eine estrogenartige Wirkung ausüben, haben aber auch in Anti-​Aging-Produkten ihre Berechtigung. In Studien konnte ihr positiver Einfluss auf den Kollagenstoffwechsel und eine gesteigerte Festigkeit des Bindegewebes gezeigt werden.

Wachstumsförderer Im Grunde bewirken alle bisher genannten Wirkstoffe über eine Stoffwechselregulation die Bildung neuer Kollagenfasern. Warum dann nicht gleich richtige Wachstumsfaktoren einsetzen? Das dachten sich auch verschiedene Firmen und seit ungefähr drei Jahren finden sich zunehmend Kosmetika auf dem Anti-Aging-Markt, die den sogenannten Epidermal Growth Factor (EGF) enthalten. Dieses Polypeptid ist ein Signalmolekül und bewirkt unter anderem in kindlicher und jugendlicher Haut die Hautbildung. Das Molekül ist zu groß, um in die Dermis zu gelangen – muss es aber gar nicht. Es löst bereits in den Schichten der Epidermis eine Signalkaskade aus, die sich bis in die Lederhaut fortsetzt.

Die Kollagensynthese wird so nachweislich angeregt, die Faltentiefe signifikant reduziert und die Hautdicke erhöht. Dies konnte in einer unabhängigen Studie der Universität Hamburg im Fachbereich Chemie/Kosmetikwissenschaften gezeigt werden. Doch viele dieser Wirkstoffe haben ihren Preis und, neben aller wirksamkeitsbelegenden Studien, auch ihre begrenzte Wirkung auf die Altershaut. Natürlich ist der Wunsch nach einem frischen Aussehen nachvollziehbar und auch die Pflege und Wertschätzung der Haut sollte Teil der täglichen Körperhygiene sein. Doch bevor der Traum des ewig jugendlichen Aussehens überhandnimmt: Falten können auch Geschichten erzählen und einem Gesicht Charakter und Ausstrahlung verleihen, was nicht unterschätzt werden sollte.

Den Artikel finden Sie auch in unserem Sonderheft „Kosmetik – Anti-Aging“ 2019 ab Seite 58.

Farina Haase, Apothekerin/Redaktion

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