Am 27. März 1998 kam der Wirkstoff Sildenafil unter dem Namen Viagra® in den USA auf den Markt. © mkarco / iStock / Thinkstock

Erektile Dysfunktion | Viagra

VIAGRA WIRD 20 JAHRE ALT

Männer mit einer erektilen Dysfunktion verwenden die blaue Tablette mit der charakteristischen Rautenform oft zur Unterstützung im Bett. Millionen Männern hat sie bereits geholfen. Nun feiert sie, die bei uns unter dem Namen Viagra® bekannt wurde, Geburtstag. Im März 1998 kam sie auf den Markt.

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Eigentlich waren Forscher der Firma Pfizer vor gut 25 Jahren auf der Suche nach einem Medikament gegen Bluthochdruck. Herausgekommen ist, wie bekanntlich die ganze Welt weiß, etwas ganz anderes. Während einer Untersuchung testeten Minenarbeiter in England den Wirkstoff Sildenafil. Bei den Probanden traten nicht vorhersehbare Nebenwirkungen auf, nicht unbedingt schlechte wie sich bei der Befragung der Minenarbeiter herausstellte. Die Teilnehmer erzählten, dass sie nach der Einnahme wesentlich häufigere und längere Erektionen hatte als zuvor. „Das war der Durchbruch“ erklärt der Chemiker Professor Dr. David Brown, als er sich an den Moment der Zufallsentdeckung erinnerte.

Am 27. März 1998 war es dann soweit und der Wirkstoff Sildenafil kam unter dem Namen Viagra® in den USA auf den Markt. In den US-amerikanischen Medien wurde sie als die neue Potenzpille gehandelt. Gute sechs Monate später war sie auch in Europa erhältlich und ist seitdem aus dem Sexleben von vielen Männern und Frauen nicht mehr wegzudenken. Das Unternehmen Pfizer berichtet, dass bis heute etwa 64 Millionen Menschen um die drei Milliarden Tabletten geschluckt haben.

Wenn man heute Experten nach Viagra® fragt, sprechen viele vom „Viagra®-Effekt“, der damals durch die Einführung der Tablette entstanden ist. Männer waren danach öfter in der Lage, über ihre Probleme im Bett zu sprechen. „Früher haben Männer oft 10 bis 20 Jahre gewartet. Jetzt kommen Patienten teilweise schon nach drei bis sechs Monaten zu mir in die Sprechstunde“, erklärt der Urologe Dr. Frank Sommer, Universitätsprofessor für Männergesundheit in Hamburg und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit.

Der Begriff Impotenz, der für viele Betroffene mit einem Makel versehen war, wurde nun gegen den medizinischen Fachbegriff erektile Dysfunktion ausgetauscht, womit Patienten nun besser umgehen können.

Dennoch war es am Anfang nicht leicht, die Tablette und ihre Wirkung medienwirksam unterzubringen. Werbung durfte im US-Fernsehen erst nach 23 Uhr gestartet werden. Zudem mussten die Schauspieler in dem Werbetrailer einen Ehering tragen. In Deutschland ist Werbung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln für Endverbraucher verboten.

Aber die ersten Erfolge ließen nicht lange auf sich warten. Als erste orale Therapie für Erektionsstörungen gab es einige Vorteile. „Vorher musste man sich eine Spritze in den Penis setzen, was natürlich die allerwenigsten wollten. Man konnte sich am Penis operieren lassen – mit Schwellkörperimplantaten, wo Hydraulik eingebaut worden ist-, oder man musste eine Vakuumpumpe mit Ringen verwenden“, beschreibt Frank Sommer die wenigen Alternativen.

Forscher sprechen heute von rund 70 Prozent des männlichen Geschlechts, denen geholfen werden kann. Allerdings nur, wenn der Mann erregt ist. Der Wirkstoff hemmt selektiv und reversibel PDE-5 und verhindert dadurch den Abbau von zyklischen Guanosinmonophosphat (cGMP). Ist eine sexuelle Stimulation gegeben, wird lokal Stickstoffoxid ausgeschüttet. Durch die beschriebene PDE-5-Hemmung steigt der Spiegel an cGMP im Corpus Cavernosum. Dadurch entspannt sich die glatte Muskulatur und durch den Bluteinstrom kommt es zu einer Erektion.

Für Sommer ist es wichtig, dass vorab abgeklärt wird, welche Gründe für die fehlende Erektion vorliegen. Es kann durchaus sein, dass Nerven stimuliert oder der Beckenboden aufgebaut werden muss, um eine dauerhafte Heilung zu gewährleisten. Zu klären sind auch eventuelle Kontraindikationen, wie die koronare Herzkrankheit.

Heute gibt es nicht mehr nur Sildenafil auf dem Markt. Mittlerweile haben sich Konkurrenzprodukte wie Tadalafil und Vardenafil ebenso wie eine Vielzahl von Generika auf dem Markt etabliert. Das liegt daran, dass seit 2013 der Patentschutz für Viagra® in Europa und Ende letzten Jahres in den USA abgelaufen ist. Dadurch bekamen die anderen Produkte, die auch nicht von den Krankenkassen erstattet werden, einen enormen Aufschwung. Viagra® kostet nämlich um die 20 Euro, während die Konkurrenzprodukte teilweise schon für fünf Euro zu bekommen sind.

Die blaue Tablette hat sowohl gute als auch schlechte Seiten. Beginnen wir mal mit den Guten. Paare freuen sich oft, nach langer Zeit der Sehnsucht wieder problemlos Sex zu haben. Zudem kommt es weniger zu Missverständnissen, da Frauen oft der Ansicht sind, die Männer ziehen sich aufgrund von Unlust zurück. Aber es gibt auch negative Folgen. Es gibt Frauen, die sich nach Jahren, in denen es fast nur um freundschaftliches Kuscheln ging, nun unter Druck gesetzt fühlen, weil jetzt wieder die Möglichkeit gibt, Sex zu haben. „Beide Partner haben einen physiologischen Alterungsprozess und die Anzahl der sexuellen Aktivitäten nimmt ab und vielleicht auch der Wunsch nach Sex“, erklärt Sommer.

Ist der Wirkstoff Sildenafil auch für Frauen denkbar? Studien zufolge ja, eine Zulassung für Frauen gibt es allerdings nicht. Bei Frauen ist die Ursache für sexuelle Störungen laut der Meinung von Experten auch deutlich komplexer. 2015 wurde in den USA „Pink Viagra®“ mit dem Wirkstoff Flibanserin eingeführt. Allerdings mit mäßigem Erfolg, aber einer ganzen Palette von Nebenwirkungen.

Nadine Hofmann,
Leitung Online-Redaktion

Quelle: Apotheke adhoc

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