Ein Spermium steuert eine Eizelle an
Ein anstrengender Weg: Wenn sich Spermium und Eizelle vereinen sollen, muss die Spermaqualität stimmen. © Dr_Microbe / iStock / Getty Images Plus

Schlechtes Sperma

UNERFÜLLTER KINDERWUNSCH - AUCH MÄNNERSACHE

Wenn der Klapperstorch nicht liefert, dann liegen die Ursachen in etwa zur Hälfte der Fälle beim Mann. Ein möglicher Grund, dass Männer ungewollt kinderlos bleiben, ist eine schlechte Spermienqualität. Wie lässt sich die Fruchtbarkeit des Mannes verbessern?

Seite 1/1 5 Minuten

Seite 1/1 5 Minuten

Beim Sperma oder Ejakulat handelt es sich um die Samenflüssigkeit, die beim Samenerguss, der Ejakulation, durch die Harnröhre des Penis ausgestoßen wird. Das Ejakulat enthält die Spermien, die in der Sekretflüssigkeit, dem Seminalplasma, schwimmen. Die Spermien werden im Hoden produziert und reifen dann im Nebenhoden heran. Sie machen aber nur einen kleinen Anteil des Spermas aus. 95 Prozent des Ejakulats werden von den akzessorischen Geschlechtsdrüsen, also den Samenbläschen, der Prostata und den Cowpersche Drüsen beigesteuert.

Aufbau der Spermien
Das Spermium selbst ist etwa 0,05 Millimeter lang und besteht aus einem Kopfteil mit dem Zellkern, der den halben (haploiden) Chromosomensatz enthält. Ein Mittelstück verbindet mit dem Schwanz, auch Geißel genannt, der es der Keimzelle ermöglicht, sich auf die Eizelle zuzubewegen. Die Spermien bilden sich im Gegensatz zur weiblichen Eizelle immer wieder neu. Der Prozess von der Stammzelle zum reifen Spermium dauert rund 12 Wochen. Alle Veränderungen zur Beeinflussung der Spermienqualität müssen also mindestens über einen Zeitraum von drei Monaten durchgeführt werden.

Kinderlos, woran liegt´s?
Bleibt ein Paar ungewollt ohne Kinder, sollte der Partner einen Andrologen aufsuchen. Er wird Folgendes abklären:

  • Organische Ursachen (verschlossene Samenleiter, Krampfadern am Samenstrang),
  • genetisch bedingte Erkrankungen,
  • immunologische Ursachen,
  • Vorerkrankungen (z. B. Mumps, Lebererkrankungen, Diabetes),
  • hormonelle Disbalancen und
  • Spermienqualität.

Hierfür erstellt er ein Spermatogramm, es gibt Aufschluss über die Spermienqualität. Hier werden mehrere Parameter geprüft. Insbesondere Beweglichkeit (Motilität) und der Form (Morphologie) der Spermien sind für die Fruchtbarkeit von Bedeutung. Die Werte schwanken jedoch: Zum Beispiel nach einem Infekt mit Fieber. In Untersuchungen sankt die Konzentration der schnellen Spermien dadurch auf den Nullpunkt. Spermatogramme sind also immer eine Momentaufnahme. Deshalb ist es ratsam, zwei oder mehrere Untersuchungen durchzuführen.

Hormonaktive Umwelteinflüsse
Aktuelle Studien zeigten, dass sich die Anzahl der Spermien von Männern der Industrienationen halbiert hat. Auch gibt es heute deutlich mehr Hodenkrebsfälle, hinter denen Wissenschaftler hormonaktive Chemikalien vermuten. In Verdacht stehen Weichmacher aus Plastik oder Kosmetika, die eine Estrogen-ähnliche Wirkung haben. Insbesondere während der Frühschwangerschaft können diese hormonartigen Substanzen die Entwicklung der Stammzellen in den Hoden des Fetus so stören, dass die Spermien beim Mann später nicht ausreifen.

Kinderlos – was tun?
Von der Anzahl der Spermien ist die Fruchtbarkeit des Mannes allerdings nicht abhängig. Entscheidend sei die Qualität, so die Wissenschaftler. Wie lässt sie sich beeinflussen?

  • Rauchen
    Ergebnisse der Studien zum Rauchen bei Kinderwunsch sind eindeutig: Es schadet! Und zwar rundum: Es beginnt mit mehr Infektionen der ableitenden Samenwege, führt zu erektiler Dysfunktion, setzt die Spermienfunktionalität herab und schädigt das Erbgut. Selbst die Fertilität der Söhne von Rauchern ist noch geschädigt.
  • Alkohol, Coffein und Marihuana
    Hier ist Vieles noch nicht ausreichend untersucht. Ein regelmäßiger Konsum von Marihuana wird mit einer erniedrigten Spermienkonzentration assoziiert. Auf Alkohol und Alkoholmenge reagieren die Individuen unterschiedlich. Offenbar reduziert Alkoholkonsum das Ejakulatvolumens, wobei die Form der Spermien jedoch normal bleibt. Unbeantwortet ist bislang auch die Frage, ob Alkohol zu epigenetischen Veränderungen der DNA führt.
  • Schädliche Medikamente
    Grundsätzlich sollten sich Männer bei einer Dauermedikation mit kcarzcinogenen, mutagenen und reproduktionstoxischen Arzneimitteln mit dem Andrologen beraten, wenn ein Kinderwunsch besteht (das sind zum Beispiel Zytostatika, Virustatika oder Immunsuppressiva). Vor einer Chemo- oder Radiotherapie besteht grundsätzlich die Möglichkeit, gesunde Spermien einfrieren zu lassen (Kryokonservierung). Viele Arzneimittel nehmen Einfluss auf die Fertilität des Mannes, von dem Absetzen ohne Rücksprache mit dem Arzt wird jedoch entschieden abgeraten. Die Effekte der Arzneistoffe sind meist reversibel und zu fast allen Wirkstoffen gibt es Alternativen ohne schädigende Wirkung.

Diese Medikamente können die Qualität der Spermien beeinträchtigen:
Antibiotika (Nitrofurantoin, Makrolide, Tetrazykline, Aminoglykoside)
Antidepressiva (SSRI, Trizyklische Antidepressiva, Lithium)
Antiemetika (Metoclopramid)
Antiepileptika (Valproat)
Antihistaminika (Cetirizin)
Antihypertensiva (Calciumantagonisten, Betablocker, Alpha-Blocker)
Antimykotika (Ketockonazol)
Antipsychotika
Antirheumatika (Sulfasalazin)
Digitalisglykoside
Diuretika (Spironolacton, Thiazide)
Gichtmittel (Colchicin, Allopurinol)
Hormone (Testosteron, Anabolika, Glucocortickoide, Östrogen)
H2-Blocker (Cimetidin)
Nichtsteroidale Antirheumatika (Acetylsalicylsäure)
Wirkstoffe bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (Mesalazin)
Opiate
5-α-Reduktase-Hemmer (Finasterid)

  • Übergewicht
    Wer zu viel wiegt, produziert schlechtere Spermien, so die Andrologen. Neben der Tatsache, dass Adipositas mit metabolischem Syndrom oder koronarer Herzkrankheit einhergeht, ist von Bedeutung, dass Fettgewebe dazu in der Lage ist Estrogene freizusetzen, was bei Männern zu einem ungünstigen Hormongleichgewicht führt.
  • Gesunde Ernährung Nicht nur weniger soll es bei vielen Männern sein, auch gesünder wäre wünschenswert. In Beobachtungsstudien zeigte sich, dass die Spermienqualität nachweislich durch solche Nahrungsmittel verbessert werden kann, die reich sind an Omega-3-Fettsäuren, Antioxidanzien (Vitamin E, C, Beta-Carotin, Selen, Zink, Cryptoxanthin, Leukopin), Vitamin D und Folsäure und weniger gesättigte Fettsäuren enthalten wie Fisch, Seefrüchte, Hühnchen, Getreide, Gemüse, Früchte oder Milchprodukte mit niedrigem Fettanteil. Es gibt aber auch Lebensmittel, unter denen die Spermienqualität leiden kann, beispielsweise  Fertigprodukte, Soja, Kartoffeln, Vollmilchprodukten, Käse oder Süßigkeiten. Bei einer weniger ausgewogenen Ernährung, ist es hilfreich, den Kinderwunsch durch Supplementierung zu unterstützen. Sie können in der Apotheke Präparate empfehlen, die speziell so zusammengestellt sind, dass sie die wissenschaftlich empfohlenen Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und Omega-3-Fettsäuren in der geeigneten Dosierung enthalten. 
  • Sport
    Moderate Bewegung tut vor allem jenen gut, die etwas gegen ihr Übergewicht tun wollen, aber bitte nicht übertreiben, denn zu viel Aktivität ist eher kontraproduktiv.
  • Spermien mögen es nicht heiß
    Warum sitzen die Hoden außerhalb des Körpers? Richtig, sie mögen es gerne zwei bis drei Grad kühler als die normale Körpertemperatur. Studien zeigen, zwei wöchentliche Saunabesuche (Hitzeexposition: 80 bis 90 °C für je 15 min.) haben eine verminderte Spermienzahl und eine schlechtere Spermienbeweglichkeit zur Folge. Wer beruflich viel und/oder warm sitzt (zum Beispiel Berufskraftfahrer, die häufig mit Sitzheizung fahren), bei dem kann es etwas länger dauern, bis der Kinderwunsch sich erfüllt. Das Tragen von luftigen Boxershorts zeigte sich dagegen in Studien als Gewinn. 

Trotzdem Papa
Aus welchem Grund auch immer die Spermienqualität eingeschränkt ist, sie bedeutet nicht, dass Mann den Traum vom Nachwuchs aufgeben muss. In vielen Fällen führt dann eine Insemination in die Gebärmutter der Partnerin oder eine In-vitro-Fertilisation zum Wunschkind.

Dr. Susanne Poth,
Apothekerin / Redaktion

Quellen:
WHO: WHO Laborhandbuch zur Untersuchung und Aufarbeitung des menschlichen Ejakulates, Heidelberg Berlin (2012)
>Pompe, Sina Vanessa (2017): „Der Einfluss von Arzneimitteln auf die männliche Fertilität"
Ricci et al: Semen quality and alcohol intake: a systematic review and metaanalysis. Reprod Biomed Online. 2017;34:38-47.
Fertil Steril 2003; 79: 1550–4
Asian J Androl 2015;17:954-960
Jung et al., Hautarzt 52, 1090 ff, 2001
Gundersen et al. Association between use of marijuana and male reproductive hormones and semen quality: a study among 1,215 healthy young men. Am J Epidemiol. 2015;182:473-481.
Samavat et al.: Massive Weight Loss Obtained by Bariatric Surgery Affects Semen Quality in Morbid Male Obesity: a Preliminary Prospective Double-Armed Study. Obes Surg. 2017
Salas-Huetos et al. Dietary patterns, foods and nutrients in male fertility parameters and fecundability: a systematic review of observational studies. Hum Reprod Update. 2017;23:371-389

×