Alte Bücher mit vergilbten Seiten und Ledereinbänden in einem Regal© romeo-f / iStock / Getty Images Plus
Total veraltet! Metformin als Erstlinientherapie ist eine Idee aus den 90ern und die Empfehlung galt schon damals bloß als "verhalten evident", sagt Kardiologe Professor Dr. Nikolaus Marx. Mittlerweile gibt es geeignetere Antidiabetika.

Typ-2-Diabetes

METFORMIN ALS ERSTLINIENTHERAPIE ÜBERHOLT

Metformin ist für die Therapie von Diabetes Typ 2 nicht mehr wegzudenken. Allein in Deutschland nehmen es Millionen Menschen täglich ein. Doch macht das wirklich für jeden Sinn?

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Die deutsche Nationale Versorgungsleitlinie empfiehlt den altbewährten Wirkstoff Metformin als Erstlinientherapie bei Diabetes Typ 2, wenn Ernährungsumstellung und Bewegung nicht helfen. Mittlerweile mehren sich aber kritische Stimmen.

In den USA und in den europäischen Leitlinien lautet die Empfehlung anders, dort werden andere Wirkstoffgruppen empfohlen. Auf dem Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin wurde das jetzt zum Thema.

Metformin erste Wahl bei Diabetes?

Professor Dr. Nikolaus Marx, Kardiologe an der Uniklinik Aachen, zweifelt daran, dass Metformin wirklich für jeden Typ 2-Diabetiker die erste Behandlung darstellen sollte.

Die Nationale Versorgungsleitlinie in Deutschland empfiehlt es bei Typ 2-Diabetes als Monotherapie, wenn keine Herz-Kreislauferkrankungen vorliegen. Bestehen diese, soll Metformin in Kombination mit SGLT2-Hemmern wie Dapagliflozin (Forxiga®) beziehungsweise Empagliflozin (Jardiance®) oder mit GLP1-Rezeptoragonisten wie Semaglutid (Ozempic®) beziehungsweise Tirzepatid (Mounjaro®) eingesetzt werden.

Marx sieht das kritisch.

Wie war das noch gleich?
Wirkmechanismen von Antidiabetika

SGLT2-Hemmer (Gliflozine) sind Inhibitoren eines natriumabhängigen Glucosetransporters in der Niere. Dort verhindern sie die Rückaufnahme von Glucose aus dem Urin, erhöhen so deren Ausscheidung und senken dadurch den Blutzuckerspiegel.

Die Agonisten des Glucacon-like-Peptide 1-Rezeptors (GLP1-Agonisten) bewirken eine erhöhte Insulinausschüttung, verlangsamen die Magenentleerung und verstärken das Sättigungsgefühl, was zu Gewichtsverlust führt. Sie werden injiziert.

Metformin vermindert in der Leber die Glucoseneubildung und den Glycogenabbau und fördert die Glucoseverwertung in den peripheren Geweben.
 

Studien nähren Zweifel an Metformin

Kardiologe Marx weist darauf hin, dass die Studien, auf die sich die Empfehlung stützt, aus dem Jahr 1998 stammten und auch nur eine „verhaltene Evidenz“ besäßen. Neuere Bewertungen ergaben für Metformin keine klaren Vorteile in Bezug auf verringertes Auftreten von kardiovaskulären Ereignissen – in Ziel der Diabetes-Therapie. Damit sind Tod, Herzinfarkt und Schlaganfall gemeint. Andere Blutzucker-Senker oder keine Intervention brachten vergleichbare Ergebnisse wie Metformin. 

Auch große Studien der letzten zehn Jahre, so Marx weiter, untersuchten den Nutzen neuerer Wirkstoffklassen wie SGLT2-Antagonisten oder GLP1-Agonisten allein und in Kombination mit Metformin. Ob die Patienten Metformin erhalten hatten oder nicht, machte keinen Unterschied für das Auftreten von Herzinfarkten oder Schlaganfällen. Wohl aber war die Nierengesundheit in einer der drei Studien, auf die Marx sich bezog, besser ohne Metformin.

Bewährt, aber nicht überlegen

Andere Kongressteilnehmer hielten dagegen und verwiesen auf die Vorteile des bewährten Wirkstoffes. Diese seien

  • jahrzehntelange Erfahrung,
  • effektive Senkung des Langzeitblutzuckers HbA1c,
  • keine Gefahr von Hypoglykämien
  • und sehr geringe Kosten.

In den USA und in der europäischen Versorgungsleitlinie wird Metformin nicht generell empfohlen. Besonders bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bekannter Arteriosklerose oder einem Risiko dafür werden hier GLP1-Agonisten und die SGLT2-Hemmer bevorzugt. Auch die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie sieht das ähnlich und empfiehlt Metformin erst, wenn sich der HbA1c mit diesen Wirkstoffen nicht ausreichend senken lässt.

Eine Gruppe von Typ 2-Diabetikern jedoch profitiert von Metformin als Erstlinientherapie: nämlich Betroffene ohne Nieren- oder Herzinsuffizienz, ohne Arteriosklerose und mit geringem bis mäßigem kardiovaskulärem Risiko. Sie können Metformin als Monotherapie erhalten. Für die Mehrzahl an Typ 2-Diabetikern solle es aber nicht die erste Wahl sein, mahnt Marx.

Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/hat-metformin-als-erstlinientherapie-ausgedient-146954/
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2023/08/18/metformin-in-der-diabetes-praevention
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/themen/metformin

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