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Stress Und Nervosität

REINE NERVENSACHE

Psychische Überlastung bleibt auf Dauer nicht ohne Folgen. Schlafstörungen, Magen-Darm-​Beschwerden und Gereiztheit sind nur Beispiele verschiedener Symptome, die auf das Konto von andauernden Belastungen gehen.

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Stress ist ein Modebegriff und in unserer Gesellschaft hoch angesehen – wer Stress hat, gilt als wichtig. Allerdings erscheint Stress immer dann, wenn etwas nicht im gewohnten Rhythmus abläuft oder ein Ungleichgewicht zwischen Anforderungen und Kompetenzen besteht. Die permanente Anspannung gilt als Ursache für Störungen des physischen und psychischen Wohlbefindens. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO gehört permanenter Stress zu den größten Gefahren für die Gesundheit im 21. Jahrhundert.

Häufig ist der Beruf für zu viel Stress verantwortlich, doch auch die Scheidungsquoten deuten darauf hin, dass das Privatleben Stresspotenzial bietet. Zudem können schwere Erkrankungen oder Schicksalsschläge wie der Tod von nahestehenden Menschen zu erheblicher Unruhe im Leben führen. Unter Stress (englisch: Anspannung, Druck; lateinisch: stringere: anspannen) versteht man im wissenschaftlichen Sinn eine durch äußere Reize hervorgerufene physische und psychische Reaktion.

Sie dient der Bewältigung der Anforderungen, die an einen Organismus gestellt werden und ist überlebenswichtig. Der Körper wird durch die Stressreaktion in eine erhöhte Reaktionsbereitschaft versetzt. Andererseits wird die Bezeichnung Stress auch für körperliche und seelische Belastungen allgemein verwendet.

Gestörte Balance Die Fähigkeit des Körpers, auch bei äußeren und inneren Belastungen die Stabilität seiner biologische Systeme zu erhalten, bezeichnet man als Homöostase. Durch physiologische Regelsysteme und permanente Anpassungsprozesse werden die Sollwerte, wie zum Beispiel der Blutdruck, konstant gehalten, was mithilfe von endokrinen, also hormonellen oder mithilfe von vegetativen Steuerungsvorgängen geschieht.

Durch plötzliche Störungen in der Umwelt treten unter Umständen große Ist-Soll-Diskrepanzen auf und rufen eine Stressreaktion hervor. Aus biologischer Sicht gerät der Organismus aus dem Gleichgewicht und muss innerhalb kürzester Zeit auf drohende Gefahren reagieren. Rezeptoren erfassen die Abweichungen der Ist-Werte, daraufhin kann der Körper die Regelgrößen korrigieren. Die Anpassung an die veränderten Umgebungsbedingungen nennt man Adaption.

Zahlreiche Stressoren Seelische oder körperliche Belastungen, welche die Homöostase gefährden, nennt man Stressoren. Hierzu zählen physikalische, wie Lärm, Zigarettenrauch oder Hitze, chemische, zum Beispiel Vergiftungen, und körperliche Einflüsse, wie Schmerzen oder Verletzung. Häufige Ursachen einer Stressreaktion sind auch soziale Faktoren wie Konkurrenz, Trennungen, Scheidungen oder der Tod des Partners.

Auch Überfälle, Arbeitsplatzverluste, Prüfungen, Über- oder Unterforderung, Reizüberflutung sowie ein permanenter Informationsüberschuss wirken sich belastend aus und sind daher den potenziellen Stressoren zuzuordnen. Jeder reagiert allerdings anders darauf. Der Einfluss der Stressoren ist in erster Linie vom Grad der Kontrolle und der Vorhersehbarkeit abhängig.

Ab und zu mal die Stopp-Taste drücken

Gestresste sollten sich tagsüber auch einmal ein paar Minuten Ruhe gönnen – dies kann durch einen Spaziergang an der frischen Luft oder durch Power-​Napping (bis zu 20 Minuten schlafen) geschehen. Auch ein gutes Zeitmanagement kann Wunder gegen Stress und Unruhe wirken: Belastete Personen erledigen die wichtigsten Dinge am besten immer zuerst, sodass in dieser Zeit ausreichend Konzentration vorhanden ist, weniger Wichtiges kann bis zum Abend oder bis zum nächsten Tag warten. Es ist somit hilfreich, „Nein“ zu sagen, wenn die Anforderungen zu hoch werden. Auch wenn es oft schwer fällt: Wer belanglose Aufgaben ablehnt, hat viel gegen Nervosität und Stress getan.

Flight oder Fight? Das Prinzip stammt noch von unseren Vorfahren. Sie mussten bei der Bedrohung durch Raubtiere oder anderer Gefahren, also in einer akuten Stressreaktion, zwischen Kampf oder Flucht entscheiden. In beiden Fällen muss der Organismus kurzfristig Maßnahmen zur Leistungssteigerung ergreifen. Der Hypothalamus hat bezüglich der körperlichen Stressreaktionen die Steuerungsfunktion, denn er wirkt sowohl auf das vegetative Nervensystem, welches aus Sympathikus und Parasympathikus besteht, als auch vermittelnd auf die Hypophyse.

Der Sympathikus reguliert aktivierende Vorgänge wie zum Beispiel Kampf- oder Fluchtreaktionen, bei denen die Bronchien erweitert und das Herz-Kreislauf-System aktiviert werden, während reproduktive und regenerative Prozesse, wie Verdauung, Sexualität, Fortpflanzung und Energiespeicherung, herabgesetzt werden. Innerhalb dieser Stressreaktion sind die vom Nebennierenmark hergestellten Transmitter Adrenalin und Noradrenalin von Bedeutung, die an vielen inneren Organen funktionssteigernd wirken.

Überblick über die physischen Reaktionen:

  • Glukoneogenese und Lipolyse sorgen für eine erhöhte Energiebereitstellung.
  • Erweiterung der Bronchien und eine daraus resultierende, verbesserte Sauerstoffversorgung.
  • Gesteigerte Herzschlagfrequenz und erhöhte Kontraktion des Herzmuskels führen zu einer ausreichenden Durchblutung und somit zur Energieversorgung von Herz, Gehirn und Muskulatur.
  • Immunreaktionen werden in dieser Situation unterdrückt (Immunsuppression).
  • Der Organismus ist auf sexuelle Reize in der Regel vermindert ansprechbar.
  • Durch eine erhöhte Anspannung der Muskeln wird der Körper auf die anstehende Muskelarbeit vorbereitet.

Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse Neben der oben beschriebenen Reaktion auf Stress existiert ein zweites relevantes System: Unter Stress kommt es ebenso zu einer Aktivierung des Regelkreises bestehend aus Hypothalamus, Hypophyse und Nebennierenrinde, an dessen Ende die Abgabe des Hormons Kortisol steht. Zunächst schüttet der Hypothalamus das Kortikotropin-Releasing-Hormon (CRH) aus, woraufhin die Hypophyse angeregt wird, das adrenokortikotrope Hormon (ACTH) aus dem Vorderlappen freizusetzen.

Dieses bewirkt an der Nebennierenrinde die Sekretion von Glukokortikoiden, die im Zusammenhang mit der Stressreaktion der Energiebereitstellung dienen. Ein permanent erhöhter Glukokortikoid-Spiegel wirkt sich jedoch suppressiv auf das Immunsystem aus. Die Glukoneogenese wird ebenfalls angeregt, sie findet vorwiegend in der Leber statt und sorgt für eine Erhöhung des Blutzuckerspiegels durch Abbau von dort gespeichertem Glykogen. Eine kurzfristige Aktivierung der beschriebenen körperlichen Prozesse schadet der Gesundheit nicht.

Der Organismus wird erst belastet, wenn die in der Glukoneogenese und Lipolyse bereitgestellte Energie nicht verbraucht wird und der Zustand der Erregung somit anhält. Die bereitgestellten Energieträger zirkulieren dann in den Blutgefäßen, begünstigen die Plaquebildung an den Gefäßinnenwänden der Arterien und fördern auf Dauer arteriosklerotische Gefäßveränderungen.

Vater der Stressforschung Hans Selye (1907–1982), ein ungarisch-kanadischer Mediziner, Biochemiker und Hormonforscher, teilte die Wirkung von Stress auf den Organismus in drei Phasen ein. Daraus entstand das allgemeine Adaptationssyndrom (AAS): Nach der Konfrontation mit einem Stressor und der daraus resultierenden, anfänglichen Alarmreaktion folgt das Widerstandsstadium, in dem der Organismus versucht, die Belastungen zu bewältigen. Sein Ziel besteht nun darin, unter einem erheblichen Energieaufwand ein neues Gleichgewicht auf einem erhöhten Niveau zu finden.

Hält der Stress zu lange an, sind die Reserven irgendwann verbraucht, sodass ein Erschöpfungsstadium erreicht wird. Die Widerstandskraft fällt unter das ursprüngliche Ausgangsniveau und die Anfälligkeit für Krankheiten steigt rapide an. Selye sah das gesteigerte Stressniveau und die damit einhergehenden Adaptionsversuche des Körpers als Ursache für die enorme Zunahme von Zivilisationskrankheiten. Er führte die körperlichen Folgen von Stress auf die Überaktivierung des oben beschriebenen Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Systems und den erhöhten Kortisol-Spiegel zurück.

Bewertung und Bewältigung Jeder Mensch geht mit Stressfaktoren anders um – einige Personen fühlen sich bei gleicher Belastung mehr gestresst, andere weniger. Eine Erklärung für diesen Unterschied liefert das physiologische Stresskonzept des amerikanischen Emotionsforschers Richard Lazarus. In seinem Transaktionalen Stressmodell geht er davon aus, dass die Reaktion auf Stressoren von den Bewertungen und Beurteilungen der jeweiligen Situation abhängt. Menschen sind den Stressoren somit nicht passiv ausgeliefert, sondern können die Situation durch ihre Gedanken oder Wahrnehmungen beeinflussen.

Zunächst einmal wird die eingetretene Situation eingeschätzt und zwar als positiv, irrelevant oder stressbezogen. Im Rahmen der darauf folgenden Sekundärbewertung betrachtet die Person ihre eigenen Bewältigungskompetenzen im Umgang mit der jeweiligen Anforderung. Was als Ressource in Betracht kommt, wird individuell unterschiedlich interpretiert und hängt von der jeweiligen Situation und Wahrnehmung ab.

Die gewählten Strategien können zu einer Lösung des Problems führen. Sie können aber auch erfolglos sein oder lediglich von der Situation ablenken. Abhängig vom Erfolg der verwendeten Strategien erfolgt eine Neubewertung der Situation, also eine Veränderung der Wahrnehmung des Problems – die Situation wird zum Beispiel nicht mehr als Bedrohung, sondern als Herausforderung erlebt.

Salutogenese nach Antonovsky Der salutogenetische Ansatz (Salus = lat. Unverletztheit, Heil, Glück; Genese = griech. Entstehung) des Medizinsoziologen Aaron Antonovsky beschäftigt sich mit der Frage, wie Gesundheit entsteht (im Gegensatz zur Pathogenese, die dem Problem nachgeht, wie sich Krankheiten entwickeln). Antonovsky beobachtete, dass sich unter Einfluss derselben Stressoren unterschiedlich ausgeprägte psychische und physische Schäden zeigen und einige Menschen belastende Situation unversehrt oder sogar gestärkt überstehen.

Diese Ergebnisse brachten ihn zu seinen Überlegungen, die in dem Modell der Salutogenese mündeten. Statt Gesundheit und Krankheit klar voneinander zu trennen, ging Antonovsky davon aus, dass sich der Mensch zwischen den beiden Polen Gesundheit und Krankheit bewegt. Wer eine Situation durchschaut, kann sie besser kontrollieren und die Auseinandersetzung wird gegebenenfalls als sinnvoll angesehen. Die Stärkung des Verstehens verbessert die Stressbewältigung und fördert demnach die körperliche und psychische Gesundheit.

Erste Anzeichen eines Burnouts können nahezu pausenloses Arbeiten und das subjektive Gefühl der Unentbehrlichkeit, das Gefühl keine Zeit für sich zu haben, sein.

Stress im Zusammenhang mit Erkrankungen Normalerweise schützt das Immunsystem den Organismus vor schädlichen Einflüssen, jedoch nimmt die Immunfunktion unter Stress durch die Ausschüttung von Glukokortikoiden stark ab, was sich durch unterschiedliche Probleme bemerkbar machen kann. Das Auftreten von Magengeschwüren scheint beispielsweise mit Stress in Verbindung zu stehen, denn bei Beeinträchtigungen des Immunsystems breiten sich Bakterien (wie das für Magengeschwüre verantwortliche Bakterium Helicobacter pylori) leichter aus.

Die Stressbelastung wirkt innerhalb von wenigen Minuten auf vielfältige Parameter des Körpers und es kommt zu erhöhten Konzentrationen von Kortisol, Adrenalin und Noradrenalin. Der Blutdruck, die Gerinnungsfähigkeit des Blutes und die Herzfrequenz nehmen zu – durch die unterschiedlichen Vorgänge werden arteriosklerotische Prozesse gefördert und das Risiko für Erkrankungen wie der koronaren Herzkrankheit (KHK) oder Bluthochdruck steigt. Der Einfluss von Stress auf die verschiedenen Transmittersysteme, wie das serotonerge oder das dopaminerge, steht vermutlich im Zusammenhang zu psychischen Störungen, wie Depressionen, Angststörungen, Essstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen, Schlafstörungen oder Schizophrenie.

Wer unter Stress leidet, wird außerdem mit der Zeit dünnhäutiger und es stellt sich ein Gefühl der Überforderung ein. Im Verlauf der Zeit treten Unruhe und Nervosität bereits in relativ harmlosen Situationen auf. Auch die Konzentration ist unter permanentem Einfluss von Stress beeinträchtigt, was sich in einer erhöhten Vergesslichkeit äußert. Häufig bemerken Schüler oder Studenten dies in einer Prüfungsphase – spätestens dann ist es Zeit, etwas an der Situation zu ändern und sich Hilfe zu suchen. Belastungen finden ihre Fortsetzung unter Umständen auch in Form von Verspannungen im Nacken oder Rücken. Tinnitus, Hörstürze, Hautausschläge, Allergien oder Kopfschmerzen sind ebenfalls mögliche Reaktionen des Körpers auf Stress.

Endstation Burnout In der Apotheke klagen viele Patienten über eine chronische Überbelastung durch Dauerstress. Hält dieser Zustand länger an, entwickelt sich daraus unter Umständen ein Burnout-Syndrom. Dieses lässt sich in zwölf Stadien einteilen, wobei man ab der siebten Phase von einem pathologischen Zustand spricht. In Phase 1 bis 6 besteht ein Zwang, sich zu beweisen sowie eine erhöhte Begeisterungsfähigkeit der Arbeit gegenüber, während die eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund rücken. Der verstärkte berufliche Einsatz und die Mehrarbeit geben dem Betroffenen das Gefühl der Unentbehrlichkeit.

Typisch ist auch ein voller Terminkalender, übermäßiges Arbeiten (am Wochenende) sowie der Verzicht auf Entspannung und private Termine. Betroffene leiden häufig unter Schlafstörungen und konsumieren vermehrt Kaffee, Aufputschmittel und Zigaretten – Konflikte wie Partnerschaftsprobleme oder Fehlleistungen werden hingegen konsequent verdrängt. In diesen ersten Phasen erkennt kaum ein Betroffener seine beginnende Krise. Mit der Zeit kommt es zu beruflichen Ausfällen, Widerstand gegenüber der täglichen Arbeit und es stellt sich ein Gefühl mangelnder Anerkennung ein.

Infarkt der Seele In Phase 7 bis 12 folgt der endgültige Rückzug, der von einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit begleitet wird. Burnout-Patienten leiden dann unter psychosomatischen Beschwerden, Einschränkungen der kognitiven Leistung, deutlichen Verhaltensänderungen, wie sozialem Rückzug, sowie einem allgemeinen Gefühl der Gleichgültigkeit. Der Verlust der eigenen Persönlichkeit kann zur inneren Leere führen. Häufig treten Panikattacken, Angstzustände oder sogar Suizidgedanken auf, während die Einstellung zum Leben generell negativ geprägt ist. In der letzten Phase liegt eine starke psychische, physische und emotionale Erschöpfung vor, begleitet von akuter Suizidgefahr.

Voll nervös Innere Unruhe und Nervosität können bei Erwachsenen auch Anzeichen für eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) sein. Betroffene sind psychisch und sozial erheblich eingeschränkt, sodass die Gestaltung des Alltags leidet und sie mit Schwierigkeiten im Berufs- und Privatleben zu kämpfen haben. Das hyperaktive Verhalten, das bei Kindern mit ADHS im Vordergrund steht, spielt im Erwachsenenalter eine weniger große Rolle, die Hyperaktivität zeigt sich hier also eher durch Ruhelosigkeit und Angespanntheit.

Menschen mit ADHS sind häufig Workaholics und unfähig, sich zu entspannen. Sie haben Konzentrationsschwierigkeiten, sind leicht ablenkbar und wechseln ihre Tätigkeiten häufig, ohne die Dinge vorher zu Ende zu bringen. Aufgrund der unspezifischen Symptomatik und der Tatsache, dass Erwachsene erst spät professionelle Hilfe aufsuchen, sind Diagnose und Therapie oft erschwert.

Stressfolgen im ICD-10 Übersteigen die Belastungen die persönlichen Ressourcen einer Person, entsteht chronischer Stress. Nicht nur körperliche, sondern auch psychische Störungen sind darauf zurückzuführen, zum Beispiel leiden Gestresste häufiger unter Schlafstörungen, Burnout oder depressiven Symptomen. In der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10) sind Erkrankungen, die durch chronischen Stress verursacht werden, nicht gelistet. Stress als Krankheitsauslöser ist allerdings in Kapitel F 43, in dem es um Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen geht, thematisiert:

F 43.0: Bei einer akuten Belastungssituation handelt es sich um eine vorübergehende Störung von beträchtlichem Schweregrad, die sich bei einem psychisch nicht manifest gestörten Menschen als Reaktion auf eine außergewöhnliche körperliche oder seelische Belastung entwickelt, und im Allgemeinen innerhalb von Stunden oder Tagen abklingt. Die individuelle Vulnerabilität und die zur Verfügung stehenden Bewältigungsmechanismen spielen beim Auftreten und beim Schweregrad der akuten Belastungssituation eine Rolle.

F 43.1: Eine posttraumatische Belastungsstörung geht als verzögerte Reaktion aus einem belastenden Ereignis oder einer Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes hervor, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde.

F 43.2: Anpassungsstörungen sind Zustände von subjektivem Leiden und emotionaler Beeinträchtigung, die soziale Funktionen und Leistungen behindern und während des Anpassungsprozesses nach einer entscheidenden Lebensveränderung, nach einem belastenden Lebensereignis oder bei Vorhandensein oder der drohenden Möglichkeit von schwerer körperlicher Krankheit auftreten. Zwar spielt die Vulnerabilität bei dem möglichen Auftreten oder auch bei der Form der Anpassungsstörung eine größere Rolle als bei den anderen Krankheitsbildern, dennoch kann davon ausgegangen werden, dass die Störung ohne „den Stress“ nicht entstanden wäre.

Innere Stärke

Die psychische Widerstandsfähigkeit, also die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und sie durch Rückgriff auf persönliche oder sozial vermittelte Ressourcen als Anlass für Entwicklungen zu nutzen, bezeichnet man als Resilienz. Der Begriff stammt aus dem Lateinischen (resilire) und bedeutet so viel wie „zurückspringen“ oder „abprallen“. Menschen mit hoher Resilienz sind in der Lage, private und berufliche Krisen konstruktiv zu überstehen und zu verkraften. Sie gehen aus solchen Situationen sogar eher noch gestärkt als geschwächt hervor. Definitionsgemäß ist die Ausbildung der Resilienz an zwei Voraussetzungen geknüpft: Es muss eine signifikante Bedrohung für die kindliche Entwicklung vorliegen und eine erfolgreiche Bewältigung dieser belastenden Lebensumstände stattfinden.

Natürlich beruhigen Gegen Stress sind Kräuter gewachsen, die helfen können, in eine Phase der Entspannung zu gelangen und den Teufelskreis von Belastung und negativem Befinden zu beenden. Der echte Baldrian (Valeriana officinalis) ist als Arzneipflanze schon lange bekannt. Er hatte einst die Funktion als Allheilmittel, wurde im Mittelalter gegen Augenleiden verwendet und galt als „Schutzkraut gegen Hexen und Teufelszauber“. Ende des 18. Jahrhunderts wurde die beruhigende und schlaffördernde Wirkung des Krautes schließlich entdeckt.

Baldrian gilt als wichtiges, nicht-suchtauslösendes Beruhigungsmittel auf pflanzlicher Basis. Den Zubereitungen aus der Wurzel des Baldrians werden ausgleichende sowie entspannende Einflüsse zugeschrieben, außerdem stabilisieren sie das seelische und körperliche Gleichgewicht des Organismus. Menschen empfinden den Geruch der Pflanze in der Regel als sehr unangenehm, Katzen werden hingegen davon anzogen, weil er dem Lockduft läufiger Tiere ähnelt. Zu den Inhaltsstoffen des Baldrians gehören: Ätherische Öle, Sesquiterpene, Iridoide, Valerensäure, Alkaloide, Lignane und Flavonoide.

Der Wirkmechanismus der Inhaltsstoffe ist noch nicht eindeutig geklärt, eventuell könnten Einflüsse auf die Serotoninrezeptoren oder die GABA-Neurotransmission bestehen. Baldrian wird in den unterschiedlichsten Darreichungsformen wie etwa Dragees, Tinkturen, Tees oder Badezusätzen angeboten. Häufig ist es mit weiteren Phytopharmaka, wie Melissenblättern oder Hopfenzapfen, kombiniert. Präparate zur Beruhigung werden in der Regel dreimal täglich eingenommen, während Baldrian-Produkte zur Schlafförderung eine halbe bis eine Stunde vor dem Zubettgehen zur Anwendung kommen.

Stimmungsaufhellendes Johanniskraut Zur Therapie von depressiven Verstimmungen und nervöser Unruhe werden standardisierte Johanniskrautextrakte eingesetzt. Betroffene erleben die Wirkung als stimmungsaufhellend, fühlen sich durch die Anwendung ruhiger und kommen besser mit Belastungen zurecht, da das seelische Gleichgewicht wieder hergestellt wird. Für die positiven Effekte sind die Inhaltsstoffe Hyperforin, Flavone und Xanthone verantwortlich, a a der Pflanzenextrakt sollte mit 500 bis 900 Milligramm täglich dosiert werden.

Weisen Sie sonnenempfindliche Kunden darauf hin, während der Einnahme auf einen hohen Sonnenschutz zu achten und Solarienbesuche zu vermeiden – unter Johanniskrautgebrauch ist die Sensibilität gegenüber der Sonneneinstrahlung erhöht. Informieren Sie Betroffene ebenfalls darüber, dass die Wirkung von Johanniskraut sich allmählich aufbaut und erst nach zwei bis drei Wochen vollständig erreicht ist. Zu beachten ist auch, dass Johanniskraut eine Enzyminduktion des für den Abbau vieler Arzneistoffe wichtigen Enzyms CYP 3A4 bewirkt, wodurch beispielsweise orale Gerinnungshemmer oder auch die Hormone der Pille schneller abgebaut werden.

Melisse gegen Stress Einen entspannenden Einfluss auf die Psyche nimmt auch Zitronenmelisse. In der Phytotherapie kommt sie häufig in Kombination mit anderen Pflanzen vor, wie Baldrian oder Hopfen. Sie wirkt nicht nur angstlösend, sondern auch bei Einschlafstörungen. Doch nicht nur die Psyche profitiert von Melisse, ebenso fördert das Kraut auch die Gesundheit von Herz, Magen und Darm. Der beruhigende Effekt ist auf das nach Zitrone duftende, ätherische Öl zurückzuführen. Melisse liegt häufig in Kombinationspräparaten vor, außerdem gibt es Entspannungsbäder, Tees oder Frischpflanzenpresssäfte.

Beruhigende Passionsblume Ihr Kraut ist in Deutschland als Monopräparat bei nervösen Unruhezuständen sowie bei vegetativ bedingten Befindlichkeitsstörungen erhältlich. Ihr wesentlicher Vorteil besteht darin, dass es zwar entspannt, aber den Anwender nicht müde macht und somit die Leistungsfähigkeit am Tage erhält. Gegen nervös bedingte Einschlafstörungen kommt die Passionsblume häufig in Kombination mit anderen Arzneipflanzen zum Einsatz.

Der beruhigende Einfluss der Pflanze scheint nicht auf einen einzelnen Inhaltsstoff, sondern auf die gesamte Zusammensetzung zurückzuführen zu sein, vermutlich greifen die Inhaltsstoffe der Passionsblume in das GABA-System ein. Wirksame Bestandteile sind Flavonoide, Kohlenhydrate sowie ätherisches Öl. Passionsblumenkraut gibt es als Tee oder als Fertigarzneimittel (häufig in Kombination mit Melisse, Baldrian oder Hopfen). Entsprechende Präparate dürfen bei Erwachsenen und Kindern ab zwölf Jahren verwendet werden.

Typische Auswirkungen von Stress auf die Psyche - Ein Überblick:

+ innere Unruhe
+ Reizbarkeit
+ Konzentrationsstörungen
+ Leistungseinschränkungen
+ Unfähigkeit zu entspannen
+ Vergesslichkeit
+ Ängste und Depressionen

Multitalent Lavendel Auch Ängste können eine große Belastung für Betroffene darstellen. Die Gedanken kreisen dann permanent um die individuellen Befürchtungen, obwohl häufig kein konkreter Anlass droht. Zur Behandlung von Stress, innerer Unruhe und ängstlicher Verstimmung eignet sich aufgrund seines beruhigenden Einflusses das ätherische Öl der Lavendelblüten. Ein entspannendes Bad vor dem Schlafengehen oder ein Lavendelsäckchen neben dem Kopfkissen können Wunder wirken und zur Senkung der Unruhe beitragen.

Duftlampen lassen ätherische Öle langsam verdampfen und erhalten den beruhigenden Effekt der Blüten über mehrere Stunden aufrecht. Seit 2009 gibt es Arzneimittel mit Lavendelöl in Kapselform. Die Präparate sind für Personen ab dem 18. Lebensjahr zugelassen, jüngere Menschen müssen, ebenso wie Schwangere und Stillende, auf die Einnahme verzichten.

Kraft der Homöopathie Es gibt in der Apotheke für Kunden mit Stress und innerer Unruhe ein natürliches, homöopathisches Arzneimittel mit einer Kombination aus Passionsblume (Passiflora incarnata), Hafer (Avena sativa), Kaffee (Coffea arabica) und Zinkvalerianat (Zincum valerianicum), welches die Selbstheilungskräfte des Organismus aktiviert. Passionsblume reguliert das Nervensystem und vermindert somit Unruhezustände und nervöse Schlaflosigkeit, während Hafer (Avena sativa) das Nervensystem sowie die Rekonvaleszenz stärkt und Symptome der Erschöpfung reduziert.

Kaffee (Coffea arabica) beeinflusst Nervosität und Schlafstörungen positiv. Zinkvalerianat (Zincum valerianicum), das Zinksalz der Baldriansäure, wirkt auf das zentrale und auf das periphere Nervensystem und verbessert nervöse Schlafstörungen mit unruhigen Beinen. Wer mit dem Stress und den Belastungen gar nicht fertig wird oder sich ausgebrannt fühlt, sollte seinen Lebensstil ändern und psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Steckt hinter den Unruhezuständen möglicherweise eine Depression, sollten PTA und Apotheker Betroffene unbedingt an einen Arzt verweisen.

Magnesium Der Anti-Stress-​Mineralstoff Magnesium schützt das Herz-Kreislauf-System. Sein Wirkmechanismus läuft vermutlich folgendermaßen ab: Das Stresshormon Adrenalin wird über Kalzium-​abhängige Kanäle freigesetzt und steigert Herzfrequenz und Blutdruck. Magnesium als physiologischer Gegenspieler zu Kalzium kann die Ausschüttung von zu viel Adrenalin blockieren. Darüber hinaus hemmt der Mineralstoff eine vermehrte Freisetzung von Kortisol. In besonderen Belastungssituationen ist eine ausreichende Versorgung mit dem Anti-Stress-Mineral demnach von besonderer Bedeutung – diese kann über eine gezielte Magnesium-Zufuhr gesichert werden.

Wer gestresst ist, hat oftmals Heißhunger auf Schokolade. Der Grund: Unter akutem Stress braucht das Gehirn mehr Energie.

Keine Angst vor zu wenig Schlaf Praktisch jeder Mensch leidet gelegentlich unter vorübergehenden Veränderungen des Schlafes. Aufwühlende Ereignisse oder emotionaler Stress können die Auslöser sein. Die meisten Leute reagieren auf einen Stressor oder eine neue Gegebenheit mit einer Verkürzung des Schlafes. Einige stellen aber auch ein vermehrtes Schlafbedürfnis fest. Ob verkürzt oder verlängert, die vorübergehende Abweichung des Schlafbedarfs bei Belastungssituationen wird in der Schlafmedizin als anpassungsbedingte oder psychoreaktive Schlafstörung bezeichnet.

Obwohl es sich dabei um eine ganz normale Reaktion auf Stress und emotionale Erregung handelt, sind diese psychoreaktiven Veränderungen des Schlafes die am häufigsten beklagten Schlafprobleme in der Bevölkerung. Die vorübergehenden Schlafstörungen sind medizinisch harmlos und verschwinden in der Regel mit der Beseitigung des Stressors oder mit zunehmender Gewöhnung an die neuen Gegebenheiten. Erst wenn über Monate kein erfolgreicher Anpassungsprozess stattfindet, spricht man von einem chronischen Zustand.

Der subjektive Eindruck über Schlafdauer und Schlafqualität beeinflusst unser Wohlbefinden viel stärker als die effektive Schlafdauer. Die Sorge, nicht genügend Schlaf zu bekommen, ist die Hauptursache für Schlaflosigkeit. Angst vor verkürztem Schlaf ist unbegründet, denn Schlafverkürzungen unter Stress und Erregung führen zu keinem Schlafdefizit, wenn tagsüber kein Ankämpfen gegen das Einschlafen besteht.

Tipps für Betroffene Stress lässt sich nicht komplett vermeiden, doch es gibt verschiedene Maßnahmen im Alltag, die dagegen helfen können. Zunächst sollten Sie im Beratungsgespräch abklären, wie lange die Symptome bereits anhalten. Da innere Unruhe auch aus den Veränderungen der Wechseljahre oder aus Schilddrüsenfehlfunktionen resultieren können, sollten Betroffene einen Arzt konsultieren, wenn die Beschwerden länger als vier Wochen bestehen, damit zugrunde liegende Erkrankungen ausgeschlossen werden können.

Weisen Sie Ihre gestressten Kunden darauf hin, dass sie möglichst frühzeitig Maßnahmen zur Bewältigung von Stress ergreifen sollten, damit die Belastung nicht chronisch wird. Dies ist beispielsweise mit den oben beschriebenen Medikamenten möglich: PTA und Apotheker sollten Gestresste kompetent beraten und das für sie ideale Mittel empfehlen. In Deutschland liegen Stressbewältigungsprogramme nach Maßnahmen zur Prävention von Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates (Rückenschulen) auf Platz zwei in der Statistik der Gesundheitsförderung.

Entsprechende Ziele bestehen in der Veränderung der stressinduzierenden Bewertungen der Situation und der eigenen Bewältigungsmöglichkeiten sowie die Erweiterung des Repertoires an Bewältigungsstrategien (Entspannungstraining, Genusstraining oder Problemlösetraining). Regelmäßige, ausgewogene Mahlzeiten und moderate Bewegung gewährleisten einen gesunden Lebensstil und geben dem Körper Energie, schließlich gilt Nahrung als Antriebsstoff für Körper und Geist, während Sport einen Ausgleich (nicht nur gegen Stress) darstellt. Im Rahmen der gesunden Ernährung darf Magnesium nicht fehlen, denn dem Mineralstoff wird, wie oben beschrieben, ein entspannender Einfluss zugeschrieben.

Magnesiumhaltige Nahrungsmittel sind etwa Vollkornbrot, Bananen, Haferflocken, Brokkoli oder bestimmte Nusssorten. Allerdings achten Gestresste oft nicht auf ihre Ernährung und greifen vielmehr zum Fastfood. Empfehlen Sie ihnen daher die ergänzende Zufuhr von Magnesium mithilfe von Präparaten, die es in verschiedenen Darreichungsformen gibt. Auf große Mengen an Kaffee oder andere coffeinhaltige Getränke sollten Gestresste besser verzichten, denn Coffein aktiviert zwar das Nervensystem sowie die Gehirnleistung, seine Wirkung ist jedoch recht kurz, sodass rasch ein Erschöpfungszustand eintritt.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/17 ab Seite 34.

Sabine Breuer, Apothekerin/Chefredaktion

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