Brot gehört in Deutschland zu den Grundnahrungsmitteln. Einige müssen allerdings aufgrund einer Zöliakie oder Glutensensitivität auf die Stulle verzichten. © FooTToo / iStock / Thinkstock

Nahrungsmittelintoleranzen | Gluten

SENSITIVITÄT AUF GLUTEN: VERZICHT IMMER BERECHTIGT?

Man kann es nicht anders sagen: Glutenfrei ist angesagt – die speziell für Menschen mit Zöliakie entwickelten Nahrungsmittel gibt es mittlerweile in jedem Discounter zu kaufen. Dennoch leidet nur etwa ein Prozent in Deutschland tatsächlich unter der Glutenunverträglichkeit.

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Das Stichwort lautet also Glutensensitivität. Dabei handelt es sich um eine nicht-zöliakische Glutensensitivität (Non-Celiac Gluten Sensitivity, NCGS), die sich in einer ähnlichen Symptomatik äußern kann wie eine Zöliakie. Neben Beschwerden im Magen-Darm-Trakt können aber auch Kopfschmerzen, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Ekzeme, Gemütsschwankungen oder Taubheitsgefühle auftreten. Seit 2017 ist Glutensensitivität mit dieser Bezeichnung in eine Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGCS) aufgenommen worden. Da sie im Gegensatz zur Zöliakie nicht durch einen spezifischen Marker identifiziert werden kann, handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose.

Wer unter einer Unverträglichkeit leidet, sollte nach ärztlicher Rücksprache (vorübergehend) auf glutenhaltige Lebensmittel verzichten. Das Klebereiweiß findet sich in nahezu allen Getreideprodukten wie Brot oder Nudeln, Ausnahmen sind beispielsweise Produkte aus Buchweizen-, Hirse-, Reis- oder Maismehl. Oftmals werden diese glutenfreien Alternativen als besonders „vital“ oder „gesund“ vermarktet, wodurch viele bei bloßem Verdacht auf eine Sensitivität zum Spezial-Produkt greifen. In einer kürzlich publizierten Studie erhielten genau diese Menschen ohne ihr Wissen glutenhaltige Lebensmittel und merkten es zum größten Teil nicht. Alles nur Nocebo-Effekt?

Die norwegischen Forscher testeten 20 Probanden zwischen 21 und 62 Jahren, die glaubten an einer NCGS zu leiden. Nach einem glutenfreien Intervall von sechs Wochen erhielten die Teilnehmer an vier Tagen, mit jeweils drei Tagen Abstand, zwei Muffins – einen mit und einen ohne Gluten. Nach der anschließenden Beantwortung von Fragebögen zur typischen Magen-Darm-Symptomatik konnte die Diagnose nur bei vier der Probanden bestätigt werden. Bei den restlichen Teilnehmern werden andere Nahrungsbestandteile in Betracht gezogen. Vorangegangene Studien bezweifelten bereits die alleinige Schuld von Gluten bei der Entstehung von NCGS und vermuten eher ein multifaktorielles Geschehen.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) betont ebenfalls, dass es sich bei glutenfreien Lebensmitteln nicht automatisch um die gesündere Alternative handele. Personen, die nicht aufgrund einer diagnostizierten Glutensensitivität oder Zöliakie litten, sollten nicht auf Gluten verzichten. Verschwinden glutenhaltige Getreidesorten wie Dinkel, Roggen oder Hafer grundlos vom Speiseplan, kann es zu einer geringeren Zufuhr von Ballaststoffen, B-Vitaminen und Mineralstoffen (Magnesium, Eisen, Zink) kommen.

Farina Haase,
Apothekerin, Volontärin

Quelle: Ärzteblatt

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