Ballons in allen Regenbogenfarben mit aufgemalten, lachenden Gesichtern schweben in der Natur.
Sind es die kleinen Dinge, die uns glücklich machen? Das Miteinander? Ist es Geld? Oder der persönliche Erfolg? © happy8790 / iStock / Getty Images Plus

World Happiness Report

„GLÜCK IST WIE EIN MUSKEL, DER WÄCHST, WENN MAN SICH AUF IHN KONZENTRIERT“

Der Mensch wäre nicht Mensch, hätte er nicht auch aus dem Glück eine Wissenschaft gemacht. Was macht uns glücklich? Kann man Glück lernen oder ist es angeboren? Gibt es vielleicht sogar eine Weltformel für das Glück?

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Jedes Jahr im Frühjahr erscheint er, der World Happiness Report. Erstellt von einer Untereinheit der Vereinten Nationen, listet er nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten auf, wer sich als glücklichstes Land der Welt schätzt. Mittlerweile ist der Report ein bisschen langweilig geworden: Es gewinnen immer Finnland, Norwegen oder Dänemark, und wir Deutschen dümpeln irgendwo zwischen Platz 15 und 20.

Doch warum sind ausgerechnet diese kleinen Länder im hohen Norden so wahnsinnig glücklich? Das fragte sich auch Christian Björnskov und einen Teil der Antwort fand er bereits in der Vorgehensweise: Der Professor für Volkswirtschaft an der Universität Aarhus in Dänemark ging nämlich ein Eis essen. Soviel er auch grübelte, ihm wollte die Antwort nicht einfallen, da wollte er gern „das Unterbewusstsein arbeiten lassen“. Seine Schlussfolgerung: „Das Geheimnis sind nicht der skandinavische Wohlfahrtsstaat, die staatlichen Dienstleistungen, die Demokratie oder eine andere politische Erklärung. Menschen passen sich an praktisch alle Maßnahmen des Wohlfahrtsstaates sehr schnell an und machen sie damit irrelevant für das Glück. Stattdessen vertrauen die Dänen mehr als alles andere darauf, dass ihre Landsleute sich ehrlich verhalten – und tatsächlich sind sie im Allgemeinen verblüffend ehrlich. Unabsichtlich spiegelte mein eigenes Verhalten – mein Büro zu verlassen, um etwas anderes zu tun, als ich eigentlich sollte – eine andere Eigenschaft wider, die zum dänischen Glück beizutragen scheint: dass man an die eigene persönliche Freiheit glaubt und entsprechend diesem Glauben handelt.“

Allgemein, da sind sich alle Glücksforscher einig, zählt man drei Dinge auf, wenn man die Chance auf ein glückliches Leben haben möchte:

  • Ein gutes, aktives soziales Netz
  • Ein ausreichendes, überraschend geringes Einkommen, das genug zu essen, Kleidung und ein Dach über dem Kopf garantiert
  • Die Bereitschaft, lebenslang lernen zu wollen

Professor Jeffrey Sachs von der New Yorker Columbia University zählt zudem folgende Faktoren auf: Fürsorge, Freiheit, Großzügigkeit, Ehrlichkeit, Gesundheit, Einkommen und gute Regierungsführung. Doch all das sind „nur“ die äußeren Rahmenbedingungen. Wer nicht so genau weiß, wie er nun wirklich glücklich werden soll, dem seien im Folgenden einige Wissenschaftler vorgestellt, die eventuell eine Antwort auf die Frage haben: Wie geht das eigentlich, glücklich werden?

Dóra Guðrún Guðmundsdóttir beispielsweise. Die heutige Präsidentin des Europäischen Netzwerkes für Positive Psychologie begann ihre Forschungen am isländischen Institut für öffentliche Gesundheit vor rund zwanzig Jahren und stellte fest: Geld wird maßlos überschätzt. Während die Zuhörer ihrer Vorträge den Einfluss des Einkommens auf rund 70 Prozent schätzten, lag er in Wahrheit (auf Island) nur bei ein bis vier Prozent. Wenn das Geldeinkommen aber nur vier, der Rest aber durch andere Faktoren bestimmt wird, welche sollen das dann sein? „Ergebnisse aus den isländischen Daten zeigen, dass das Leben in einer Partnerschaft mit größerer Wahrscheinlichkeit zu einem glücklichen Leben führt als das Leben allein und dass es das Glück ebenfalls steigert, wenn man Zeit mit Freunden und Familie verbringt. Ein weiterer wichtiger Glücksfaktor ist die Gesundheit, besonders die seelische Gesundheit eines Menschen“, berichtet sie. Und: Es ist nicht das leichte Leben, das glücklich macht. Am meisten kommt es auf unsere Haltung gegenüber Schwierigkeiten an und darauf, wie wir mit ihnen umgehen. Guðmundsdóttir überzeugte ihren Arbeitgeber davon, zehn Leitsätze für die seelische Gesundheit auf einen Kühlschrankmagneten zu drucken und als Weihnachtsgeschenk an alle isländischen Haushalte zu schicken. Die „Zehn Gebote“, wie sie sie nannte, lauten:

Die zehn Gebote der seelischen Gesundheit
(von einem Kühlschrankmagneten der isländischen Gesundheitsbehörde)


• Denke positiv
• Schätze die Menschen, die du liebst
• Lerne weiter, solange du lebst
• Lerne aus deinen Fehlern
• Bewege dich jeden Tag
• Mache dein Leben nicht unnötig kompliziert
• Versuche die Menschen in deiner Umgebung zu verstehen und zu ermutigen
• Gib nicht auf – Erfolg im Leben ist ein Marathon, kein Sprint
• Entdecke und entwickle deine Talente
• Setze dir Ziele und strebe nach deinen Träumen

Miriam Akhtar, eine der ersten Positiven Psychologinnen Großbritanniens, weiß, dass man ganz konkret Dinge tun kann, die unser Glück steigern: „Positive Erfahrungen genießen, Dankbarkeit ausdrücken, Wertschätzung für die guten Seiten des eigenen Lebens empfinden (aus meiner Sicht der Schlüssel dafür, um von einem halb leeren auf ein halb volles Glas umzusteigen), bevorzugt Zeit mit geliebten Menschen verbringen (gute persönliche Beziehungen und ein aktives Sozialleben zeichnen die glücklichsten Menschen aus), neue Anwendungen der eigenen Stärken finden und Optimismus praktizieren – die natürliche Selbstverteidigung des Geistes gegen Depressionen. Das Glück ist wie ein Muskel, der wächst, wenn man sich auf ihn konzentriert.“

Sonja Lyubomirsky ist experimentell arbeitende Sozialpsychologin an der Fakultät für Psychologie der University of California (USA). Sie hat ein erfolgreiches Buch über ihr Lieblingsthema geschrieben und weiß: Glück ist auch eine Frage der Gene. So wie die einen mühelos ihr Körpergewicht halten können, müssen andere schwer an ihren Kilos – und ihrem Glücksempfinden – arbeiten. Doch es geht. Sie setzt den „Sollwert“ unserer Glücksgene – also der Fähigkeit, Glück zu empfinden – auf 50 Prozent fest: „Das müssen wir akzeptieren“. 10 Prozent sind nach ihren Forschungen auf Unterschiede in den individuellen Lebensbedingungen zurückzuführen – ob Menschen beispielsweise reich oder arm, gesund oder krank, verheiratet oder geschieden sind. Sie sagt: „Bei verblüffenden 40 Prozent unseres Glückspotentials liegt es aber in unserer eigenen Hand, sie zu ändern!“ Wie beim Abnehmen brauche es dafür allerdings dauerhafte Änderungen, die an jedem Tag des Lebens Energie und Willenskraft erfordern.

David G. Myers, Sozialpsychologe am Hope College in Michigan (USA), hat ebenfalls einige klare Sätze zur Glücksfindung übrig: „Geben Sie engen Beziehungen Vorrang. Suchen Sie sich Arbeit und Hobbys, die Ihre Fähigkeiten in Anspruch nehmen. Übernehmen Sie die Kontrolle über Ihre Zeit. Lächeln Sie. Bewegen Sie sich ausreichend und schlafen Sie genug. Tun Sie anderen Gutes.“ Und ein Danktagebuch, findet er, wäre auch nicht schlecht. Schließlich erlebt man jeden Tag immer auch positive Aspekte. Wer die aufschreibt, vergisst sie nicht.

Mihály Csíkszentmihályi (gesprochen Tschik-sent-mihaji) stieß noch auf einen anderen Effekt, den er „Flow“ nannte, und der erheblichen Einfluss auf unsere Glücklichwerdung hat. In Gesprächen mit Künstlern fiel ihm auf, dass diese oft Hunger, Schmerzen und Ermüdung ignorierten, während sie an einem Gemälde arbeiteten, und dass sie nach Vollendung des Werkes ihr Interesse daran vollständig verloren. Offenbar fanden diese Künstler den Prozess des Malens an sich befriedigend. Wenn sie ihre Arbeit beschrieben, verwendeten viele die Metapher eines Flusses, der sie davontrug, den „Flow“. Csíkszentmihályi behauptet, dass sich ein gutes und glückliches Leben durch diesen Flow, „das völlige Aufgehen in einer Tätigkeit“ auszeichnet. Das Geheimnis besteht allerdings darin, ein Gleichgewicht zwischen den Anforderungen und unseren Fähigkeiten herzustellen, sonst wird es nichts mit dem Glücklichsein. Wenn Sie das Matterhorn besteigen wollen, obwohl Sie vorher nur den Premium-Wanderweg in der Wesermarsch absolviert haben, werden Sie wahrscheinlich scheitern.

Matthieu Ricard, den ein Reporter einmal den „glücklichsten Menschen der Welt“ taufte, findet, dass Glück auch etwas mit Demut zu tun hat. Nur sei das vollkommen aus der Mode gekommen. Der studierte Zellbiologe, der 1967 den Beruf wechselte und buddhistischer Mönch wurde, empfiehlt dazu die Meditation: „In der Meditation lernt man Leid verursachende Gefühle wie Ärger, Stolz oder Eifersucht zu erkennen, Abstand zu ihnen zu gewinnen und sie letztlich aufzulösen.“ Denn Glück, meint er, „besteht vor allem darin, das Leben zu lieben.“ Die Südafrikanerin Dr. Anastasia M. Bukashe sieht das genauso, formuliert aber anders:

Es gibt eine starke Beziehung zwischen Glück und Liebe. Diese beiden sind in einer unauslöslichen Beziehung miteinander verbunden und werden nur lebendig, wenn sie sich treffen.

Man sieht, eine Weltformel für das Glück gibt es nicht. Doch es gibt Faktoren und Lebenseinstellungen, die das Glücklichsein wahrscheinlicher machen. Das Schöne daran ist: Man kann etwas dafür tun! Schon das allein kann übrigens glücklich machen.

Alexandra Regner,
PTA und Journalistin

Quellen:
Glück. The World Book of Happiness. Dumont, 2012
Sonja Lyubomirsky: Glücklich sein. Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben. Campus, 2008
Matthieu Ricard. Glück. Knaur Menssana, 2009

 

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