Ein dunkler Raum mit einer Tür, die einen Spalt offen steht und aus der helles Licht scheint.
Um in Zellen zu gelangen, muss das Coronavirus zunächst an bestimmte „Türöffner“ andocken und sich Einlass verschaffen. © happyphoton / iStock / Getty Images Plus

Andockstelle | Zellen

NOCH EIN TÜRÖFFNER ENTDECKT

SARS-CoV-2 kann neben dem schon bekannten ACE2-Rezeptor auch an das Oberflächenprotein Neuropilin-1 andocken. Dieses Protein kommt auf Schleimhautzellen wie in der Nase in höherer Dichte vor als ACE2. Das könnte ein Grund dafür sein, warum sich Sars-CoV-2 so schnell verbreiten konnte.

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Das Coronavirus kann Zellen der Atemwege und Lunge befallen, aber auch die Gewebe des Darms, der Nieren, der Blutgefäße und das Nervensystem. In die Zellen gelangt es durch ein Oberflächenprotein der menschlichen Zellen, das sogenannte Angiotensin-konvertierende Enzym 2 (ACE2). Dafür bindet das Virus einen Teil seines Spike-Proteins an diese Andockstelle, wodurch sich die Zellmembran so verändert, dass es eindringen kann. Auch sein Vorgänger SARS nutzte den ACE2-Rezeptor als „Türöffner“ in die Zellen, doch SARS war weniger gut übertragbar und konnte ausschließlich die unteren Atemwege befallen.

Dem „Warum“ widmete sich ein Forscherteam unter Leitung von Mikael Simons von der Technischen Universität München. „Ausgangspunkt unserer Studie war die Frage, warum Sars-CoV und Sars-CoV-2, die beide ACE2 als Rezeptor nutzen, unterschiedliche Krankheiten verursachen“, erklärt Simons.

„Das SARS-CoV-2-Spike-Protein unterscheidet sich von seinem älteren Verwandten durch die Einfügung einer Furin-Spaltstelle“, erklärt Simons. Wenn das Spike-Protein an dieser Stelle aufklappt, legt es eine spezifische Aminosäuresequenz frei. „Ähnliche Spaltstellen finden sich in den Spike-Proteinen vieler anderer hochpathogener menschlicher Viren. Als wir erkannten, dass diese Furin-Spaltstelle im Sars-CoV-2-Spike-Protein vorhanden ist, dachten wir, dass uns dies zur Antwort führen könnte“, so Simons. Durch die freigelegte Sequenz fanden die Forscher heraus, dass sie an weitere Rezeptoren auf den Zellen binden kann: die Neuropiline.

Durch weitere Tests zeigte sich, dass Neuropilin-1 in der Lage ist, die Coronavirus-Infektion in Begleitung von ACE2 zu fördern.

„Wenn man sich ACE2 als Eintrittstür in die Zelle vorstellt, dann könnte Neuropilin-1 ein Faktor sein, der das Virus zur Tür lenkt“, erklärt Simons. Es könnte laut den Forschern sogar möglich sein, dass SARS-CoV-2 bei sehr hoher Virenlast auch ohne ACE2 in die Zellen eindringen kann. Dafür untersuchten die Wissenschaftler zusätzlich Gewebeproben verstorbener Covid-19-Patienten: „Wir wollten herausfinden, ob Körperzellen, die mit Neuropilin-1 ausgestattet waren, tatsächlich mit Sars-CoV-2 infiziert sind, und stellten fest, dass dies der Fall ist“, berichtet Simons. Doch über die molekularen Prozesse könne man nur spekulieren.

Die neuen Erkenntnisse könnten einen Ansatz für die Abwehr des Coronavirus bieten: Eine durch Antikörper hervorgerufene Blockade des Neuropilin-1 unterdrückte eine Infektion der Zellen mit SARS-CoV-2.

Simons weist aber darauf hin, dass es derzeit zu früh sei, „um darüber zu spekulieren, ob die Blockierung von Neuropilin ein möglicher therapeutischer Ansatz sein könnte. Damit müssen sich zukünftige Studien befassen.“

Sabrina Peeters,
Redaktionsvolontärin


Quellen:
https://www.wissenschaft.de/gesundheit-medizin/weiterer-tueroeffner-in-die-zelle-entdeckt/
Ludovico Cantuti-Castelvetri (TU München) et al., Science

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