Multiple Sklerose ist die häufigste chronisch entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems, weltweit sind etwa zwei Millionen Menschen betroffen. © Ralwel / iStock / Getty Images Plus

Spickzettel | Forschungsarbeit

MULTIPLE SKLEROSE: WO STEHEN WIR?

Was bedeutet die Neuerkrankung mit MS für einen Betroffenen heute? Wie und wann wird am besten diagnostiziert oder therapiert? Prof. Dr. Alan J. Thompson und seine Kollegen vom University College of London fassten das Wichtigste zum aktuellen Stand zusammen.

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Wie genau eine Multiple Sklerose (MS) entsteht, ist bis heute noch nicht vollständig geklärt. Die Autoimmunerkrankung, die oftmals jüngere Frauen betrifft, wird ebenso von genetischen Faktoren beeinflusst wie von Umwelteinflüssen, Rauchen oder Übergewicht. Doch beim Ablauf der Pathomechanismen tappt man nicht mehr vollends im Dunkeln: T- und B-Lymphozyten spielen eine Rolle, Entzündungsreaktionen beschränken sich vorrangig auf das ZNS und auch typische Krankheitszeichen wie Demyelinisierung oder Zellverlust gelten als gesichert und werden mit eintretenden Behinderungen während des Fortschreitens der Krankheit in Verbindung gebracht.

Scheint erst einmal nicht viel, erlaubt aber die Auswahl bestimmter diagnostischer Verfahren zur Sicherstellung der Diagnose. Neurologen kombinieren hierbei klinische Befunde und Laborergebnisse wie oligoklonale Banden im Liquor mit bildgebenden Verfahren wie der Kernspintechnik. Um die Frühdiagnose noch weiter zu verbessern, raten die Experten in ihrem Spickzettel: Patienten besser schon bei Verdacht in die MRT-Röhre schieben. Oftmals reagieren Betroffene mit einem einzeln auftretenden Syndrom, das vom Sehnerv, Hirnstamm oder Rückenmark ausgeht. Bei auffälligem Befund im Kernspin tritt meist eine erneute Episode auf, wobei ab Auftreten von zwei Schüben die MS als schubförmig gilt. Ein Anteil von 15 bis 30 Prozent entwickelt daraufhin eine fortschreitende Behinderung und damit eine sekundär progrediente Verlaufsform. Von einer primär progredienten Form sind etwa 15 Prozent der Neudiagnosen betroffen. Das bedeutet, es bilden sich keine Schübe aus, ihr Zustand verschlimmert sich fortschreitend zunehmend.

Dabei steht bereits zu Beginn fest: Medikamente können zwar die Entzündungsreaktion bremsen, aber nicht den Verlust von Hirnmasse. Doch neu entwickelte Medikamente tragen bereits dazu bei, dass Betroffene einen nahezu normalen Alltag führen können. Die Neurodegenration und die Entzündung kann mit Hilfe zweier therapeutischer Strategien bekämpft werden: Eskalation und Induktion. Ersteres eignet sich vor allem für weniger stark Erkrankte, begonnen wird mittelstark, wobei die Medikation bei Bedarf auf eine potentere Variante gesteigert werden kann. Induktion eignet sich für alle Patienten mit hochaktiver MS: Sie erhalten direkt zu Beginn ein starkes Medikament (wie Alemtuzumab oder Natalizumab) mit dem Ziel direkt eine persistierende Remission zu erwirken. Gelingt dies nicht, erhalten auch sie eine langfristige Erhaltungstherapie mit einem weniger effektiven Präparat. Auch loben die Experten wirksame Alternativen für Patienten mit primär progredientem Verlauf, bislang standen hauptsächlich neuartige Therapie-Optionen für Betroffene mit einem schubförmigen Verlauf zur Verfügung. Dabei verschweigen sie nicht, dass neben dieser Erfolge auch schwerwiegende Nebenwirkungen auftreten können, beispielsweise eine multifokale Enzephalopathie unter Natalizumab.
Doch nicht nur Medikamente bringen wirksame Erfolge hervor, auch der Patient kann selbst etwas zu seiner Genesung beitragen. Der Verzicht auf Nikotin, eine ausreichende Vitamin D-Aufnahme oder diätische Maßnahmen beeinflussen den Krankheitsverlauf.

Farina Haase,
Apothekerin, Volontärin

Quelle: Thompson AJ et al. Lancet 2018; 391: 1622-1636 Aus: Medical Tribune, 53. Jahrgang, Nr. 38; 21. September 2018, S.18

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