© Frater Aloisius

Der Apothekenkrimi

MORD NACH REZEPT – TEIL 3

Was bisher geschah: Ein Mann liegt tot in der Küche. Aus einer großen Wunde am Hals sickert Blut, das langsam gerinnt. Das ist das erste, was Britta Badouin und ihr Mann Robert von der Leyden sehen, als sie die Wohnung der Wartenburgs betreten. Sie sind, wie die anderen bereits anwesenden Gäste auch, zum 70. Geburtstag ihres Freundes Hans geladen.

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Kriminalkommissar Frank Eidenmöller, der sein Bestes gab, um die verworrenen Erstvernehmungen auseinanderzuhalten, warf einen kurzen Blick auf seine Notizen: „Frau Wartenburg, nun fehlen nur noch Sie beide. Ich möchte mir vor allem über die genauen Zeiten klar werden. Wann haben Sie die Leiche von Herrn Meulé entdeckt?“ Franziska, die immer noch unter Schock stand, ließ sich Zeit mit der Antwort.

„Ich weiß nicht … als Britta und Robert kamen … als sie in der Tür standen … die Tür war auf.“ „Wann sind Sie gekommen?“ fragte der Kommissar, indem er sich zu den beiden umdrehte. „Wir waren so um acht da … etwas verspätet, was uns ein wenig peinlich war“, sagte Robert. Britta liebte ihn dafür, dass er nicht erwähnte, dass sie allein für diese Verspätung verantwortlich war. Sie war mal wieder nicht in die Puschen gekommen. „Wann waren Sie davor das letzte Mal in der Küche, Frau Wartenburg?“ „So eine Viertelstunde vorher. Oder zehn Minuten. Ein Braten muss sich immer erst entspannen, wenn er aus dem Ofen kommt, wissen Sie. Ich hab ihn deshalb aus dem Ofen auf die Arbeitsfläche gestellt. Wollte ihn dann schneiden und in die Soße tun.“

„Soso. Und Sie, Herr Wartenburg?“ „Ich war die ganze Zeit hier in diesem Raum. Habe mich mit meinem Bruder unterhalten“, antwortete der beinahe 70-Jährige, dem man die Anspannung trotz tadelloser Haltung nur deshalb ansah, weil er unablässig an seinem Siegelring drehte. „Das kann ich bestätigen“, ergänzte Guido Wartenburg, der mit seinem Rollstuhl dicht neben Hans‘ Ohrenbackensessel gerollt war. Der Kommissar machte eine kurze Pause. Dann hob er den Blick. „Ich fasse jetzt mal zusammen: Sie, Herr Bockelmann, sind ein alter Freund des Jubilars. Wo waren Sie zum vermutlichen Zeitpunkt des Todes, also kurz vor acht?“ „Hier“, sagte Bruno Bockelmann. „Hier an diesem Tisch.“ „Waren Sie vorher einmal in der Küche?“ „Ach, ständig. Ich habe Franziska kurz vorher dort noch besucht.“ „Frau Vargas.“ Eidenmöller wandte sich an Bockelmanns Frau. „Und Sie?“

„Kann ich Ihnen wirklich nicht so genau sagen. Ich befand mich mal hier, mal dort. Um acht? Da war ich hier. Schließlich sollte ja das Essen aufgetragen werden, da läuft man doch nicht in der Gegend rum.“ „Frau Meyer?“ Renate-Sophie, genannt Gigi, die als Begleiterin Wolfgang Meulés mitgekommen war, wirkte etwas überfordert. „Ich … ach, ich weiß das gar nicht mehr. Wahrscheinlich hab ich auf diesem Stuhl gesessen. Ich kann es Ihnen gar nicht sagen.“ Gerd von Falckenberg, der bisher den Antworten mit seinen hin- und herflitzenden babyblauen Augen gefolgt war, öffnete jetzt den Mund. „Hier warst du jedenfalls nicht.“ Auf diese Ankündigung folgte erst einmal Stille. „Sind Sie sicher?“ fragte Eidenmöller.

ZUM DINNER BEI HANS WARTENBURG SIND FOLGENDE GÄSTE ERSCHIENEN:

+ Wolfgang Meulé, Gastrokritiker und leider tot
+ Renate-Sophie Meyer, genannt Gigi, Möchtegern-Verlobte des Opfers und etwas verwirrt
+ Gerd von Falckenberg, der beleibte und längst erwachsene Patensohn von Hans Wartenburg
+ Bruno Bockelmann, Unternehmer und alter Freund von Hans, ausgestattet mit einem stattlichen Schnurrbart
+ Jeanette Vargas, Journalistin, Bockelmanns rassige Frau, die lieber ihren Mädchennamen behalten hat
+ Guido Wartenburg, Bruder von Hans, sitzt wegen einer Querschnittslähmung im Rollstuhl

„Na klar. Gigi war nicht hier. Jeanette hingegen schon länger, weil sie ja unbedingt noch hinter der Palme da hinten was qualmen musste. Vorher hat sie sich draußen an den Mänteln, also an der Garderobe rumgedrückt. Da war die Chance am größten, dass sie mit Meulé feurige Blicke tauschen konnte. “ „Bitte?“ fragte Eidenmöller. „Du Mistkerl“, sagte Renate-Sophie. „Wie kannst du über einen kranken Mann so reden. Wolfgang hatte es am Herzen, der war gar nicht in der Lage … sowas zu machen.“ Jeanette schickte einen nervösen Blick zu ihrem Gatten, der sich gedankenverloren den Schnurrbart zwirbelte. Dann zündete sie sich eine weitere Zigarette an, obwohl sie die letzte gerade erst ausgedrückt hatte.

„Ach, Papperlapapp. Das machte dem doch nichts aus. Also ehrlich, gegen Meulé war Casanova ein Waisenknabe“, erklärte Falckenberg genüsslich. „Der war doch hinter jedem Rock her. Und das Röckchen von unserer Jeanette war halt besonders kurz.“ „Da spricht der im Leben Zukurzgekommene.“ Die Vargas schnippte hektisch in die neben ihr stehende Topfblume, wobei ihre Finger leicht zitterten. „Und zehn Minuten nach dir, da kam dein Göttergatte. Der war ganz rot im Gesicht. Hast ihn wohl ein bisschen zu sehr geärgert.“ „Du sollst aufhören!“ kreischte Renate-Sophie, deren Hals mittlerweile von roten Flecken überzogen war. „Du alte Giftspritze! Du fetter ….“ „Schluss jetzt!“ Hans Wartenburg machte eine müde Handbewegung. „Bitte, Herr Kommissar, fahren Sie fort.“

Während Eidenmöller weiter fragte, nahm Britta aus den Augenwinkeln wahr, dass Bruno Bockelmann einen der silbernen Suppenlöffel mit dem Wappen der Wartenburgs vom Tisch genommen hatte und geistesabwesend in seinen Händen hielt. „Herr Bockelmann, Frau Vargas“, fragte der Kommissar weiter, „können Sie die Aussage von Herrn Falckenberg bestätigen?“ „Wolfgang flirtete halt gern“, sagte Jeanette. „Was ist schon dabei?“ Bruno Bockelmann antwortete nichts. Später, als alle gingen, sollte Britta sich an den Moment erinnern, als er den Löffel auf den Tisch zurücklegte. Total krumm und verbogen war der jetzt. Wie ein liegendes S. Renate-Sophie Meyer wurde in Gewahrsam genommen; der Kommissar hielt sie für tatverdächtig. Soweit feststellbar, war sie die einzige gewesen, die sich ungefähr zum Tatzeitpunkt in der Küche befunden hatte.

Als Britta und Robert wie alle anderen auch ihre Personalien angegeben hatten und Gigi schluchzend aus dem Raum geführt worden war, waren sie danach die letzten, die sich von dem befreundeten Ehepaar verabschiedeten. Hans und Franziska waren völlig fertig und drückten ihnen stumm die Hand. Während Robert Britta in den Mantel half, warfen sie noch einmal einen Blick in die Küche, denn die Garderobe lag diesem Raum schräg gegenüber. Eidenmöller lehnte müde am Türrahmen. Die Küchenuhr zeigte drei Uhr morgens. Der Polizeifotograf hatte seine Arbeit getan, der Leichnam Meulés war abtransportiert worden; nur der Pathologe kniete noch auf dem Fußboden und schien etwas zu suchen. „Ich finde es nicht“, murmelte er. „Was findest du nicht?“ fragte Eidenmöller.

„Die Mordwaffe. Wir haben alle Küchenmesser untersucht, den Messerschleifer; einfach alles, was sich für eine Stichverletzung eignen würde. Nichts.“ Der Kommissar wischte sich über die Stirn. Es war warm im Flur und in der Küche; zu viele Menschen hatten sich hier zu lange auf zu kleinem Raum aufgehalten. „Ich hoffe, ich habe die Richtige verhaftet“, sagte er. „Wird schon so sein. Blut gerinnt sofort, wenn es auf eine Oberfläche trifft. Er kann also gerade erst umgebracht worden sein.“ „Aber wo war sie, als der Mord entdeckt wurde?“ Britta knöpfte sich langsam den Mantel zu. „Die Tür, Herr Kommissar“, sagte sie. „Sie ist durch die Tür verschwunden. Sie brauchte nur die Treppe hochzulaufen – und dann später wieder auftauchen.“ Eidenmöller starrte sie an und nickte dann. Müde, aber überzeugt. Obwohl Britta und Robert sich die Nacht um die Ohren geschlagen und praktisch kaum geschlafen hatten, ging das Leben weiter. Am nächsten Tag öffneten sowohl die Apotheke als auch Roberts Kardiologen-Praxis.

Britta dankte dem Schicksal für ihr tüchtiges Personal, das für einen reibungslosen Betrieb sorgte; sie selbst fühlte sich merkwürdigerweise gar nicht müde. Mir steht das Adrenalin bis zu Nasenspitze, dachte sie. Sie half sogar, die letzten Rezepte zu kontrollieren, bevor sie morgen der Bote abholen würde. Dazu wurden sie in eine graue Kunststoffbox getan, die am Abend mit Kabelbinder verschlossen werden sollte. Nachdem die Apotheke um 18 Uhr offiziell schloss, setzte sich Billie, die Apothekerin, ein letztes Mal an die Rezeptbox. Überprüfte noch einmal, ob alle handschriftlichen Vermerke stimmten, bevor sie den Kasten schloss. Robert und Britta saßen derweil in ihrem Büro beisammen; Annette, die PTA, steckte ihren Kopf hinein. „Darf ich?“ fragte sie. „Ich bin nämlich überhaupt nicht neugierig.“

„Aber klar“, sagte Britta und lächelte. Annette und sie waren ein eingeschworenes Team und sie teilten eigentlich alles miteinander. Robert erhob sich aus seinem Sessel und rückte ihn ihr zurecht. Aufatmend ließ sich die schwangere Annette nieder. „Ach, das tut gut! Nun erzählt mal.“ Und Britta berichtete haarklein. Von der Entdeckung der Leiche bis hin zu der ausgedehnten Vernehmung am großen Esstisch, an deren Ende Gigi in Untersuchungshaft kam. „Sie war die einzige, die es getan haben konnte. Alle anderen haben sich zum Zeitpunkt seines Todes im Esszimmer aufgehalten.“ Gerd von Falckenbergs unbestechlichem Auge sei Dank, dachte sie. „Wie hieß der nochmal?“ fragte Annette. „Also der gestorben ist?“ „Wolfgang Meulé“, sagte Robert und fisselte sich ein Stäubchen vom Revers. Er war da sehr eigen. „Meulé … was für ein ungewöhnlicher Name“, sagte Annette nachdenklich.

„Da klingelt bei mir was.“ „Er war ein ziemlich bekannter Restaurantkritiker.“ Britta schlug plötzlich auf ihren Schreibtisch, dass alle zusammenzuckten. „Mensch, das habe ich euch ja noch gar nicht erzählt! Wisst ihr, was ich heute Morgen in der linken Manteltasche gefunden habe?“ „Na?“ fragte Robert. „Ein Bratenthermometer!“ Völlige Verwirrung zog über das Gesicht des Kardiologen. „Wie kommt das denn bitte in deine … Moment mal, da steckte doch eins im Fleisch, als wir hereinkamen …“ Britta und ihr Mann schauten sich an. Derweil war Annette auf ihrem Sessel in Trance verfallen. Mir ihren halb geschlossenen Augen sah sie aus, als sei sie eingeschlafen. „Du musst den Kommissar anrufen“, sagte Robert. „Ich hab’s“, rief Annette und sprang auf.

„Ich weiß jetzt, wo ich den Namen schon einmal gesehen habe! Auf einem Rezept. Der war hier!“ „Wie bitte?“ Annette aber war schon losgelaufen. Im Backoffice hörte man sie mit Billie sprechen. Und schließlich kam sie wieder um die Ecke, in der Hand das rosafarbene Dokument, in den Augen ein triumphierendes Glimmen. Und sie legte das kleine Stück Papier auf die Ecke von Brittas Schreibtisch, sodass alle drei einen ungehinderten Blick darauf hatten. Links oben der Name: Wolfgang Meulé. Im unteren Teil stand Phenprocoumon. Und außerdem: Ramipril. Man hörte es förmlich in den Köpfen rattern. „Mensch“, sagte Robert, „jetzt wird alles klar.“ Und während die beiden Frauen ihn gebannt ansahen, sagte er langsam: „Wolfgang Meulé hatte Herzprobleme, das hat seine, äh … Verlobte erzählt. Er nahm deshalb den Wirkstoff Phenprocoumon ein, der ein Antikoagulanz ist, also die Blutgerinnung hemmt. Gleichzeitig litt er unter Hypertonie. Mal angenommen, er bestimmte seinen Quickwert selbst und er hat an diesem Tag falsch dosiert …. Dann kann es sein, dass es zu einer unkontrollierten Blutung kommen konnte. Diese Kombination ist bei Kardiologen gefürchtet.“

„Das heißt“, überlegte Britta, „sein Blut gerann nicht sofort. Und das bedeutet wiederum: Er ist nicht ermordet worden, kurz bevor wir eintrafen. Sondern früher. Gigi kann es nicht gewesen sein.“ „Dann“, sagte Robert mit einer gewissen Atemlosigkeit, „kann es ja nur einer gewesen sein.“ Na? Sind Sie dem Mörder auf die Schliche gekommen? Und auch dem eher ungewöhnlichen Mordwerkzeug? Schreiben Sie uns! In der nächsten und letzten Folge gehen Britta, Robert und der Kommissar auf die Suche nach dem Motiv. Und das beweist wieder einmal: Alles hängt mit allem zusammen … Lassen Sie sich überraschen!

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/2020 ab Seite 116.

Teil 2 von Mord nach Rezept finden Sie hier.

von Alexandra Regner

Langsam lichtet sich das Dunkel …

Lesen Sie alle drei Teile und gehen Sie mit Apothekerin Britta und PTA Annette auf Verbrecherjagd! Zeigen Sie uns Ihren kriminalistischen Spürsinn! Von allen, die uns bis zum 30. April 2020 Täter und Tatwaffe nennen, haben drei Leser die Chance, mit der Redaktion von DIE PTA IN DER APOTHEKE und der Krimiautorin Alexandra Regner die Veranstaltung „Bakterien, Gerüche und Leichen“ von Dr. Mark Benecke, dem bekannten Kriminalbiologen und forensischen Entomologen, am Sonntag, den 7. Juni 2020 in Wiesbaden zu besuchen.

Aufgrund der aktuellen Lage durch COVID-19 ist derzeit noch nicht absehbar, ob die Veranstaltung wie geplant stattfindet. Wir halten Sie auf dem Laufenden.

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Stichwort: MORD NACH REZEPT

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Zum Dinner bei Hans Wartenburg sind folgende Gäste erschienen:
Wolfgang Meulé, Gastrokritiker und leider tot Renate-Sophie Meyer, genannt Gigi, Möchtegern-Verlobte des Opfers und etwas verwirrt Gerd von Falckenberg, der beleibte und längst erwachsene Patensohn von Hans Wartenburg Bruno Bockelmann, Unternehmer und alter Freund von Hans, ausgestattet mit einem stattlichen Schnurrbart Jeanette Vargas, Journalistin, Bockelmanns rassige Frau, die lieber ihren Mädchennamen behalten hat Guido Wartenburg, Bruder von Hans, sitzt wegen einer Querschnittslähmung im Rollstuhl

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