Ein Drucker spuckt einen mehrfach gerollten, langen Bon aus
Zahlen über Zahlen, Papier über Papier - alles für die Tone? © artisteer / iStock / Getty Images Plus

Politik | Bonpflicht

KRITIK AN BONPFLICHT NIMMT ZU

Seit Jahresbeginn müssen Händler selbst für Bagatellbeträge Kassenbons ausgeben. Der Fiskus will damit Steuerbetrug verhindern, viele Unternehmer in der Region laufen gegen die Regelung aber weiter Sturm.

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Die Kritik an der Pflicht des Handels zur Ausgabe von Kassenbons hält auch zwei Monate nach Inkrafttreten der Regelung an. Die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) hoffen, dass die Bonpflicht nur ein Zwischenschritt ist. "Das Ziel muss sein, dass die Unternehmen nur noch zertifizierte Kassensysteme einsetzen", sagte UVB-Geschäftsführer Sven Weickert der Deutschen Presse-Agentur. Eine gezielte Förderung vor allem kleinerer Betriebe könnte dies beschleunigen. Kritik kommt auch von den Industrie- und Handelskammern, der Friseurinnung Potsdam, dem Bäcker- und Konditor-Landesverband und vom Handelsverband Mittel- und Nordwestbrandenburg.

An jedem Abend muss Nicole Krebs nach Geschäftsschluss einen mit Bons gefüllten Papierkorb neben der Kasse leeren. "Das ist Müll, der aus Thermopapier besteht und der Umwelt schadet", sagt die Inhaberin eines Friseurgeschäfts in Ketzin (Havelland). Wie die Obermeisterin der Friseurinnung Potsdam müssen alle Händler mit elektronischen Kassen seit Jahresbeginn den Kunden unaufgefordert bei der Zahlung einen Bon aushändigen. Das gilt für nahezu alle Bagatellbeträge: für das Brötchen vom Bäcker, den Kaffee am Bahnhofskiosk und die Currywurst am Imbissstand. Die sogenannte Belegausgabepflicht soll Steuergerechtigkeit schaffen und Steuerbetrug verhindern. Schon vor Jahren hatte der Bundesrechnungshof die Steuerausfälle durch Kassenbetrug auf jährlich zehn Milliarden Euro geschätzt. Doch das Gesetz, das Kassenmanipulationen verhindern soll, ist umstritten.

Nach Kritik aus Wirtschafts-, Umwelt- und Verbraucherverbänden schlug Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kürzlich vor, Geschäfte des täglichen Lebens von einem Wert unter zehn Euro von der Bonpflicht zu befreien. Das jedoch lehnt Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) ab. Der Geschäftsführer des Bäcker- und Konditor-Landesverbandes Berlin-Brandenburg, Johannes Kamm, unterstützt den Altmaier-Vorschlag. "Es gibt genug andere Instrumente, um die Steuerehrlichkeit der Betriebe zu prüfen", ist er überzeugt. So könnte der Fiskus seit 2018 unangekündigte Kassenprüfungen vornehmen - sogar außerhalb der Geschäftszeiten. Die Finanzbeamten wären mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet, dürfen in Geschäftsräumen inkognito recherchieren, Testkäufe absolvieren und beobachten, ob Kassenbons ausgedruckt werden.

"Der Gesetzgeber sprach 2016 selbst davon, dass rund 25 Prozent aller Kassen unter die Ausnahmeregelung fallen", sagte Kamm - eine Annahme, die durch die sehr restriktiven Auslegungsregeln des Bundesfinanzministeriums im Juni 2019 widerlegt worden seien. Tatsächlich haben die Finanzämter in Brandenburg bislang keinen einzigen Antrag auf Freistellung von der Bonpflicht stattgegeben, wie das Finanzministerium in Potsdam auf dpa-Anfrage bestätigte. "Welche Gründe hier konkret anerkannt werden könnten, ist derzeit Gegenstand von Beratungen zwischen den Finanzverwaltungen der Länder."

Die drei Industrie- und Handelskammern (IHK) in Brandenburg fordern sogar, dass die Belegausgabepflicht ohne Kundenwunsch umgehend aufgehoben wird. Dies müsse zumindest für Kleinstbetragsbelege gelten, erklärte die IHK-Ostbrandenburg stellvertretend für alle drei Kammern. Anders bewertet der Handelsverband Berlin-Brandenburg die Bonpflicht: Laut dem Regionalbereich Ost- und Südbrandenburg gab es weder vor noch nach deren Einführung Rückfragen der Mitgliedsunternehmen, die Kassen neu angeschafft oder modernisiert hätten. "Der Handel macht seine Hausaufgaben und schafft die notwendige Infrastruktur." Dagegen verwies der Bereich Mittel- und Nordwestbrandenburg auf Anträge im Bundestag zur Einschränkung der Bonpflicht und betonte, "wir hoffen noch immer, dass die Entscheidungsträger erkennen, wie unnötig diese Maßnahme ist".

Das hofft auch Friseurmeisterin Krebs. Ihre Kasse sei bereits gegen Manipulationen gesichert, ein Bon daher Papierverschwendung. "98 Prozent meiner Kunden wollen den Beleg gar nicht", berichtet sie. Nur ganz wenige nutzten ihn - auch als Gedächtnisstütze: "Die schreiben sich dann auf der Rückseite den Termin für den nächsten Friseurbesuch auf."

Quelle: dpa

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