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'Ausdruck von Faulheit oder besonderer Leistungsbereitschaft?'

KRAFT AUS DER SCHLAFMÜTZE

Klassischerweise gilt das Mittagsschläfchen am Arbeitsplatz in Deutschland als verpönt, wohingegen es etwa in Japan in vielen Betrieben Pflicht ist. Was tun?

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Kennen Sie das auch? Das berühmte Mittagsloch, wenn Sie sich mit vermutlich vollem Bauch wieder an Ihren Arbeitsplatz begeben? Für viele Arbeitnehmer ist dies die schwierigste Phase des Tages, sie fühlen sich müde, schlapp und sind unkonzentriert. Häufig erfordern zu leistende Aufgaben deutlich mehr Zeit als am Vormittag, man leistet in dieser Phase einfach deutlich weniger als im Durchschnitt. Obwohl das Problem jedem aus eigener Erfahrung bekannt sein dürfte, gibt es doch unterschiedliche Ansichten darüber, wie dem begegnet werden soll. Das neudeutsche Zauberwort in diesem Zusammenhang lautet Powernapping – das Nickerchen in der Mittagspause.

Die Ursache des Problems liegt zunächst einmal darin begründet, dass die individuelle Schlafneigung im Tagesverlauf einem natürlichen Zyklus unterliegt: Neben einem Hauptmaximum, das üblicherweise nachts auftritt, existiert ein Nebenmaximum, welches etwa in der Mitte zwischen zwei Hauptmaxima und somit meist mittags liegt.

Zwischen Haupt- und Nebenmaxima befinden sich lokale Minima der Schlafneigung, dementsprechend fühlen wir uns am späten Vormittag und in den frühen Abendstunden besonders fit. Diese Schwankungen der Schlafneigung korrelieren positiv mit entsprechenden Schwankungen der Körpertemperatur. Der Mensch neigt also natürlicherweise zu kurzen Schlafperioden in der Mittagszeit, welche wir jedoch meist arbeitsbedingt unterbinden.

Dabei sollten gerade die Arbeitgeber ein Interesse daran haben, dass ihre Mitarbeiter regelmäßig Mittagsschlaf halten. Dieser wirkt sich nämlich äußerst positiv auf die Leistungsfähigkeit aus, eine Erkenntnis, die sich nicht nur mehr und mehr durchsetzt, sondern die wir auch langsam zu verstehen beginnen. So bewirkt der kurze Schlaf eine Steigerung der Gedächtnisleistung, wobei diese von der Schlafqualität abhängig ist: Auf die Bildung von deklarativem Gedächtnis wirkt sich besonders Tiefschlaf positiv aus (Slow wave sleep, Delta-Wellen im EEG), während zur Bildung von prozeduralem Gedächtnis eher REM-Schlaf nötig ist (charakterisiert durch schnelle EEG-Beta-Wellen, ähnlich den Wachzuständen und oft traumassoziiert).

Die besten Effekte werden dabei erzielt, wenn der Schläfer spontan erwacht, weniger, wenn er aus dem Tiefschlaf aufgeweckt wird. Länger als 30 Minuten sollte der Kurzschlaf nicht sein, da die spätere Produktivität sonst eher darunter leidet und bei älteren Menschen sogar Morbidität und Mortalität steigen. Also, wenn Sie sich mittags müde und schlapp fühlen, dann organisieren Sie sich ihren Kurzschlaf, zu beiderseitigem Nutzen für Sie und Ihren Arbeitgeber – aber vielleicht kennen Sie das ja auch schon …

ZUR PERSON

Prof. Dr. Holger Schulze
Hirnforscher
Holger.Schulze@uk-erlangen.de

Prof. Dr. Schulze ist Leiter des Forschungslabors der HNO-Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg
sowie auswärtiges wissenschaftliches Mitglied des Leibniz-Instituts für Neurobiologie in Magdeburg.
Seine Untersuchungen zielen auf ein Verständnis der Neurobiologie des Lernens und Hörens.
www.schulze-holger.de

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/13 auf Seite 12.

 


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