Eine junge Frau riecht an Fliederblüten
Der Geruchssinn ist tief im Bewusstsein verknüpft. Er kann nicht nur Frühlingsstimmung auslösen, sondern eine Rolle für Komapatienten spielen. © David-Prado / iStock / Getty Images Plusv

Hirnschaden | Forschung

KOMAPROGNOSE DURCH RIECHTEST

Der Bewusstseinszustand von Menschen, die im Koma liegen, ließ sich bislang schwer einschätzen. Wissenschaftler der University of Cambridge haben eine einfache Methode entwickelt, um Vorhersagen über ein mögliches Aufwachen zu treffen.

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Überlebt ein Mensch eine schwere Hirnschädigung, fällt er meist in ein tiefes Koma. Manche öffnen nach einiger Zeit ihre Augen, rühren sich aber weiterhin nicht. Für Ärzte und Angehörige stellt sich dann die Frage, inwieweit der Betroffene bei Bewusstsein ist. Denn daraus lässt sich eine Prognose ableiten, ob die Person wieder aufwachen wird. Dies festzustellen, ist jedoch selbst für Neurologen schwierig: „Die Fehlerrate bei der Bestimmung des Bewusstseinszustands liegt für solche Patienten mit Hirnschäden bei bis zu 40 Prozent“, geben Anat Arzi und seine Kollegen von der University of Cambridge an. Ihnen ist es gelungen, eine einfache, aber treffsichere Testmethode zu entwickeln.

Der Geruchssinn ist vielleicht der ursprünglichste der Sinne, er ist eng mit den Mechanismen des Wachseins verbunden. Ihn machen sich die Forscher in ihrer Studie an Patienten im Wachkoma oder bei minimalem Bewusstsein zunutze. Den Teilnehmern sagten sie, dass ihnen nun Gerüche präsentiert würden. Hierauf reagierte noch keiner der Probanden. Anschließend hielten die Wissenschaftler ihnen Riechproben vor die Nase - wohlriechendes Shampoo, verfaulender Fisch und ein leeres Probengefäß. Dabei ermittelten sie Atemrhythmus und -volumen der Komapatienten. Diejenigen bei minimalem Bewusstsein reagierten auf die Gerüche: Ihr Atem wurde flacher und die Atemzüge kürzer. Einige Teilnehmer reagierten auf den leeren Behälter: „Wenn ein Patient seine Atmung in Reaktion auf einen leeren Behälter verändert, dann spricht dies dafür, dass er entweder den Behälter wahrnimmt oder sogar auf die Vorankündigung des Versuchs reagiert“, erklärt Arzi die weitergehende kognitive Reaktion.

Das Aufwachen besser vorhersehen
Die Versuchsteilnehmer im Zustand der reaktionslosen Wachheit zeigten keine Reaktion auf die Riechproben - mit Ausnahmen: bei manchen veränderte sich das Atmen auch hier. Genau diese Wachkoma-Patienten erlangten später das minimale Bewusstsein zurück. „Dabei haben wir diesen ersten Hinweis auf ein erwachendes Gehirn in einigen Fällen Tage, Wochen und Monate vor jedem anderen Anzeichen für das wiederkehrende Bewusstsein gesehen“, sagt Arzi. In beiden Gruppen lebten die Probanden, die auf die Gerüche ansprachen, nach fünf Jahren noch. Die meisten Reaktionslosen erlagen jedoch ihren Hirnschädigungen.

„Die Treffsicherheit des Riechtest ist bemerkenswert und ich hoffe, dass dies bei der Behandlung von schwer hirngeschädigten Patienten weltweit helfen wird“, hofft Arzi. Die Forscher sind der Meinung, dass ihr Test erstaunliche Prognosen für Wachkoma-Patienten liefern kann.

Gesa Van Hecke,
PTA und Redaktionsvolontärin

Quelle: wissenschaft.de

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