Frau bekommt Handtattoo© Belyjmishka / iStock / Getty Images Plus
Beim Tätowieren werden mit speziell vibrierenden Nadeln Farbpigmente durch die Oberhaut hindurch in die Lederhaut eingestochen.

Körperverzierung | Individualität

ÄSTHETIK, PFLEGE UND FOLGEN BEI TATTOOS

Ein Fünftel der Deutschen ist tätowiert, jeder Zehnte gepierct – und es werden noch mehr. Längst sind die Körperverzierungen in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Doch wie steht es um das Wissen über Heilung, Gefahren, Langzeitfolgen und mehr? Wir klären auf.

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Mittlerweile haben sich Piercings und Tattoos unter den Schönheitstrends etabliert. Bei beidem handelt es sich um kleine chirurgische Eingriffe. Das Piercen ist eine Perforation von Gewebe mit einer Hohlnadel zum anschließenden Einsetzen von Schmuck. Bei Knorpelpiercings gilt das „Punchen“ als geeignete Technik, weil es die Abheilungszeit reduziert. Dabei werden mit einer Biopsienadel Löcher ausgestanzt.

Beim Tätowieren werden mit speziell vibrierenden Nadeln Farbpigmente durch die Oberhaut (Epidermis) hindurch in die zweite Hautschicht, die Lederhaut (Dermis), eingestochen. Üblich sind je nach Motiv und Größe der betroffenen Hautareale 800 bis 7500 Nadelstiche pro Minute.

Da sich Tattoos und Piercings immer größerer Beliebtheit erfreuen, werden sie auch zunehmend in der Apotheke zum Beratungsthema. 
 

Rund ums Piercing

Pflege ist das A und O: Besonders nach dem Stechen ist die Hygiene und richtige Pflege für den Heilungsprozess essenziell. Der Verband Professioneller Piercer e. V. (VPP) zeigt in seinen Richtlinien unter anderem strenge Hygiene- und ethische Grundregeln:

  • Vor jeder Berührung eines frischen Piercings Hände desinfizieren
  • Noch nicht verheilte Piercings nur mit klarem Wasser waschen
  • Schmuck darf nicht bewegt werden ohne die vorherige Entfernung von Verkrustungen
  • Unnötiger Druck sowie Reibung durch Kleidung oder Sonstiges an der gepiercten Stelle unbedingt vermeiden

Im oralen Bereich können zwei- bis dreimal täglich alkoholfreie Mundspüllösungen eingesetzt werden. Lokale Schwellungen sollten mit Eiswürfeln gekühlt werden. Auf Alkohol, Rauchen und stark gewürzte Speisen sollte man zwei Wochen verzichten.

Bei dermalen Piercings können Polihexanid-haltigen Lösungen, Wasserstoffperoxid-haltige Isopropanol-Lösungen oder auch Octenidin-haltige Antiseptika angewendet werden. Achtung: Hautantiseptika mit den Wirkstoffen Octenidin und Polihexanid dürfen aufgrund ihrer Knorpeltoxizität nicht auf Knorpelgewebe und im Innenohr sowie in Trommelfellnähe angewendet werden.

Der Heilungsprozess kann, je nachdem wo gepierct wurde, sechs bis acht Wochen (Ohrläppchen, Augenbrauen etc) bis zu zwölf Monaten (Brustwarzenpiercing bei Männern) dauern. Man darf schließlich nicht vergessen, dass ein Piercing mir zwei offenen Stellen an der Hautoberfläche einhergeht. Die eigentliche Verletzung ist jedoch der Stichkanal selbst. Anstatt das verletzte Gewebe mit Wundcremes oder Heilsalben zu behandeln, sollte es eher mit Kochsalzlösungen oder Kamillenspülungen gereinigt werden. Aber Achtung: Kamille hat ein hohes Allergiepotenzial! 

Wer sich freiwillig einem Eingriff am Körper unterzieht, geht immer ein Risiko ein. Die Komplikationsrate beim Piercen liegt bei etwa 28 Prozent. Diese hängt allerdings im Wesentlichen von Faktoren wie Hygiene, Lokalisation des Stichkanals, Material des Körperschmucks und Nachsorge ab.

Personen mit deutlich erhöhtem Risiko für Komplikationen:

  • Patienten mit Diabetes mellitus
  • oder einem beeinträchtigten Immunsystem,
  • Menschen mit Herzfehlern, Blutungsneigung oder atopischer Dermatitis beziehungsweise unter Glucocorticoid-Therapie

Leichte Entzündungen können mit Povidon-Jod-haltigen Lösungen und Tyrothricin-haltigen Wundgelen behandelt werden. Bei starken Schwellungen, Schmerzen und Absonderung von Eiter sowie chronisch anhaltenden Beschwerden sollte der Kunde an einen Arzt verwiesen werden.

Die Hauptrisiken von Piercings sind Blutungen, Ausrisse, Allergien, überschießende Narbenbildung (Keloiden) und Fremdkörpergranulomen sowie bakterielle und virale Infektionen. Brustwarzenpiercings bei Frauen bergen das Risiko von Abszessen oder Laktationsstörungen durch Verstopfung der Milchdrüsengänge. Bei Ohrpiercings besteht die Gefahr einer Ohrmuschelperichondritis, einer Schwellung und Rötung der Ohrmuschel, die mit starken Schmerzen und oft auch Abszessen einhergeht.
 

Rund ums Tattoo

Das Tätowieren ist ein sehr schmerzhafter Prozess, der aber je nach Größe und Hautstelle variiert. Im Vorfeld wird daher in manchen Fällen nach einem lokalen Betäubungsmittel gefragt. Cremes und Pflaster mit einer Wirkstoffkombination aus Lidocain und Prilocain können rezeptfrei abgegeben werden. Es gibt aber auch Formulierungen, die nur Lidocain enthalten. So oder so sollte die Creme ein bis zwei Stunden vor dem Tätowieren auf die gewünschte Hautstelle aufgetragen werden. Dann sollte die Stelle luftdicht mit einer Kunststofffolie oder einem entsprechenden Pflaster abgedeckt werden.

Es existieren auch Anfragen zu sehr hoch konzentrierten Lidocain-Zubereitungen im Bereich zwischen 20 bis 40 Prozent. Dabei liegt laut deutscher Arzneimittelkommission eine sinnvolle Konzentration von Lidocain-Präparaten zwischen einem und fünf Prozent. Aus Stabilitäts- und Sicherheitsgründen sollten zudem nicht mehr als 50 Milliliter abgegeben werden.

Auch nach der Sitzung wird die frisch tätowierte Hautstelle vom Tätowierer großflächig mit (Frischhalte-)Folie umwickelt und abgeklebt, damit die Wunde vor äußeren Einflüssen geschützt ist. Die Folie darf allerdings nicht länger als drei Stunden getragen werden.
Nach dem Entfernen der Folie sollte die Haut unter fließendem, lauwarmem Wasser abgewaschen werden. Für die weiterführende Pflege gibt es zwei verschiedene Wege:

Die trockene Heilung: Die Wunde bleibt unbedeckt. Das Tattoo wird ein- bis zweimal täglich eingecremt, damit die entstehende Kruste nicht hart wird oder bei Bewegung aufreißt.
Die feuchte Heilung: Die Wunde wird mit selbstklebenden und flexiblen Folienverbänden oder hydroaktiven Wundauflagen, die vor Bakterien und Schmutz schützen, abgedeckt. Die Tragedauer beträgt zwischen zwei und fünf Tagen. Nach Abnahme sollte die betroffene Hautstelle drei- bis fünfmal täglich gecremt werden.

Spezielle Tattoo-Cremes, beispielsweise mit Dexpanthenol oder Sheabutter, können im weiteren Heilungsverlauf die Regeneration der Haut fördern. Solche Präparate eignen sich aber eher nach der Krustenbildung.

Ein großes Problem von Tätowierungen ist, dass die Langzeitfolgen noch unbekannt sind. Als Gemische aus Pigmenten, Trägerflüssigkeit, Verdickern, Konservierungsmitteln und einer Vielzahl anderer teilweise unbekannter Einzelsubstanzen bergen Tattoo-Farben Gefahren. Zur Risikoeinschätzung fehlen jedoch Langzeitbeobachtungen. Es gibt aber schon erste Hinweise, dass es zu chronischen Gesundheitsschäden kommen kann. Nach Einschätzung der European Chemicals Agency (ECHA) können Tätowierfarben Substanzen enthalten, die Allergien, Schwellungen, Rötungen, Juckreiz oder Ausschläge auslösen. Zudem können CMR-Stoffe enthalten sein, die krebserzeugend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend sind. Zwei Farbpigmente, die als Grundstoffe vieler Farben dienen, könnten in der EU bald verboten werden.

Vor dem Stichtag, egal ob es sich um eine Tätowierung oder ein Piercing handelt, sollten blutverdünnende Medikamente rechtzeitig abgesetzt werden. Dieses gilt gerade für Phenprocoumon und Warfarin aufgrund ihrer längeren Halbwertszeit. Bei neuen oralen Antikoagulantien (NOAK) wie Apixaban, Dabigatran oder Rivaroxaban und bei Acetylsalicylsäure reicht in der Regel eine ein- bis zweitägige Einnahmepause. In jedem Fall ist eine Rücksprache mit dem Arzt erforderlich.
Als PTA können Sie in einem individuellen Beratungsgespräch persönlich, zugewandt und kompetent informieren.
 

Quelle: Pharmazeutische Zeitung

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