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Haut

GRENZEN DER NATURKOSMETIK

Stabile und wirksame Inhaltsstoffe, hygienische Tuben und eine Verpackung, die nicht zu viel Müll hinterlässt – Kosmetik nach Bio-Richtlinien zu entwickeln, ist weit mehr als die Gewinnung hochwertiger Rohstoffe.

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Das Sortiment an Produkten mit Bio-Zertifizierung bekommt heute, genau wie konventionelle Kosmetik, monatlichen Zuwachs. Gab es früher lediglich eine übersichtliche Auswahl an Ta- ges- und Nachtcremes, Duschgels, Body Lotions sowie Deos, ist das Angebot heute riesig. Von speziellen Seren gegen Falten, Anti-Pollution-Produkten, Lippenstiften bis hin zu Sonnenschutzmitteln und Formulierungen zur Haarpflege ist alles dabei. Bei der Produktentwicklung muss klar sein, welche Ziele verfolgt werden sollen, denn es gibt unterschiedliche Auffassungen, was Naturkosmetik letztlich bedeutet.

Bio-Kosmetik – eine Frage des Labels Bio-Kosmetik teilt sich in drei Gruppen: Da wäre zum einen naturnahe Kosmetik. Dabei handelt es sich um Erzeugnisse mit einzelnen Naturstoffen. Die zweite Gruppe steht für nicht zertifizierte Naturkosmetik. Dazu gehören Kosmetika ohne synthetische Konservierung, Duft- und Farbstoffe. Jedoch ohne die international gültigen zertifizierten Siegel, welche die dritte Gruppe auszeichnen und für echte Naturkosmetik stehen. Hersteller können natürliche Produkte auf den Markt bringen und eigene Bio-Labels kreieren. Auch der Hinweis, dass ein Produkt vegan, lactose- oder glutenfrei ist, ist möglich. Das heißt aber nicht, dass es sich um Naturkosmetik handelt. Letztlich sind Attribute wie gluten- oder lactosefrei auch eher etwas für Lebensmittel und nicht für Kosmetik. Wenn eine Kundin oder ein Kunde beispielsweise auf der Suche nach Produkten ohne Mineralöle, Konservierungsstoffe oder Farbstoffe ist, können Sie zertifizierte Naturkosmetik empfehlen. Denn jedes Produkt dieser Kategorie ist stets frei von solchen Inhaltsstoffen. Allerdings müssen Naturkosmetika nicht zwangsläufig auch vegan sein.

Was geht und was nicht? Generell gilt es Produkte zu konzipieren, deren Ursprung möglichst natürlich ist. Dabei wird unterschieden in „natürliche“, also reine Naturstoffe, welche durch physikalische Prozesse gewonnen werden, „naturnahe“ Stoffe, die vom Naturstoff abgeleitet und modifiziert sind sowie „naturidentische“ Stoffe, die ursprünglich in der Natur vorkommen, für das Produkt aber industriell synthetisiert wurden. Bekannt sind Letztere auch aus dem Lebensmittelbereich, zum Beispiel bei Fruchtjoghurts. So erklärt sich auch, warum manche Rohstoffe bei einem Label Verwendung finden dürfen und bei einem anderen nicht. Zum Beispiel milde Tenside, wie Cocamidopropylbetaine und Disodium Cocoamphodiacetate: Sie dürfen beim Cosmos-Label und der Iso 16128 eingesetzt werden, beim Natrue-​Siegel nicht.

Natürlich Duschen – der Haut zuliebe n vielen Bereichen haben Bio-Produkte heute aufgeholt und können sich durchaus mit konventioneller Kosmetik messen. So bieten sich für Kunden, die eine eher sensible Haut haben, Duschgel und Shampoo an, die nach den Kriterien zertifizierter Naturkosmetik hergestellt wurden. Tenside, die hier Verwendung finden, reinigen zwar meist etwas weniger gut, sind jedoch milder zur Haut. Bei Shampoo und Duschgel sind solche „milden“ Tenside ausreichend, denn durch regelmäßiges Duschen und Waschen wird Haar und Haut effektiv gereinigt. Bei der Mundpflege werden zahlreiche Grundstoffe aus der klassischen Kosmetik auch in Naturkosmetik eingesetzt. Teilweise wird hier auf Fluorid verzichtet. Ob das Sinn macht, muss jeder Verbraucher für sich selbst entscheiden.

Knifflig: Haarpflege Der Markt für Shampoo, Styling und Farbe ist ein breites Feld, welches von Naturkosmetikproduzenten noch nicht komplett beackert ist. Denn im Ge- gensatz zu klassischen Pflege- und Stylingprodukten sind hier Grenzen gesetzt. So finden sich hier keine quartären Ammoniumverbindungen als Conditioner, also Substanzen, die sich ans Haar anlagern, um die Kämmbarkeit zu erleichtern oder geschädigtes Haar zu stabilisieren. Vergleicht man Haltefaktoren beispielsweise von Haarspray oder Festiger, sind derzeit konventionelle Produkte noch überlegen. Denn dazu braucht es Polymere wie Polyacrylate, Polyvinylacetate oder Polyvinylpyrrolidon (PVP), die auf der Basis von Erdöl hergestellt werden. Im Bio-Segment ist die Auswahl übersichtlich und es wird sich gerne an Schellack bedient. Das ist dann nicht vegan, den Schellack wird aus den Ausscheidungen der Lackschildlaus gewonnen. Ebenfalls schwierig ist das Aufsprühen von Spray und Co. Denn Aerosol-Verpackungen mit Treibgasen sind bei zertifizierter Kosmetik nicht erlaubt. Auf dem Gebiet der Kolorationen bieten sich Henna und Rote-Rüben-Extrakte sowie Kamille an. Eine Haaraufhellung ist damit nicht möglich. Dauerwellen basieren auf einer chemischen Behandlung des Haares und sind unter Naturkosmetik-Richtlinien nicht erlaubt.

Nanopartikel in Sonnencreme Wer auf der Suche nach wasserfesten Sonnenschutz-Produkten ist, wird auch bei Naturkosmetik fündig. Dank spezieller Formulierungstechnologien sind einige sogar besonders wasserfest. Chemische UV-Filter sind hier nicht zugelassen. Alternativen bieten anorganische Pigmente wie Titan- und Zinkdioxid. Beide gibt es sowohl mit Partikeln in Nano-Größe als auch mit größeren Partikeln. Ein entscheidender Vorteil von Nano-Sonnencreme ist ein fast transparenter Sonnenschutz. Nano-freie Produkte haben dagegen häufig einen leichten bis starken Weißeleffekt, je nach eingesetztem Rohstoff. Tagespflege mit Sonnenschutz kann durch den Zusatz anorganischer Pigmente in der Leichtigkeit ihrer Konsistenz beeinflusst werden. Was Verpackungen betrifft, ist der Hauptfeind jeder Kosmetik Luftsauerstoff. Er gelangt beim Öffnen und Schließen automatisch ins Produkt. Deshalb empfiehlt es sich Tuben und Tiegel nicht offen stehen zu lassen und sie dunkel und trocken zu lagern. Sinn macht es zudem sich auf ein paar Dinge zu beschränken und nicht unzählige angebrochene Behälter im Bad stehen zu haben. 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/19 ab Seite 120.

Kirsten Metternich von Wolff, Freie Journalistin

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