DNA Strang© peterschreiber.media / iStock / Getty Images Plus
DNA findet man in jeder menschlichen Zelle des Körpers. Sie hat eine Länge von etwa zwei Metern und ist eng um Proteine gewickelt.

Genetik | Forschung

WIE NUKLEOSOMEN ATMEN

Unvorstellbar, aber wahr: Jede Zelle im menschlichen Körper enthält DNA mit einer Länge von rund zwei Metern. Sie passt in den Zellkern, da sie eng um Proteine gewickelt ist. Damit sie abgelesen werden kann, muss sich dieses Päckchen öffnen – aber wie? Das haben Forscher nun sichtbar gemacht.

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Der lange Erbgutstrang ist wie auf Spulen um Histon-Proteine gewickelt. Acht dieser Histone mit der darum gewickelten DNA bilden ein Nukleosom. Alle Nukleosomen eines Zellkerns zusammen bezeichnet man als Chromatin: das Material, aus dem Chromosomen bestehen. Das Problem: Im aufgewickelten Zustand kann die DNA nicht abgelesen werden. Sie muss aber als Bauplan für Proteine dienen, somit muss sich ihre Verpackung etwas lockern. Möglich wird das, indem sich die Nukleosomen bewegen, um die eigene Achse drehen und sich ein- und auswickeln.

Leider lässt sich dieser Vorgang mit experimentellen Methoden kaum sichtbar machen. Dennoch ist genau das einem Team um Jan Huertas vom Hubrecht Institut in Utrecht in den Niederlanden mithilfe einer Computersimulation gelungen. Durch das „Computational Nanoscope“ ist es erstmals möglich, die Bewegungen der Erbgutmoleküle auf atomarer Ebene mitzuverfolgen. Die Forscher*innen erstellten so mehrere Kurzfilme, die die typische Dynamik in Echtzeit zeigen – die sogenannte Nukleosomenatmung.  Huertas Kollege Vlad Cojocaru zeigt sich stolz:

„Die Atmung von Nukleosomen in Computersimulationen beobachten zu können, ist     eine große Herausforderung. Dass wir diese nun visualisieren können, ist ein     entscheidender Schritt hin zu einer Simulation des gesamten Spektrums der     Nukleosomendynamik – von der Atmung bis zum Entpacken.“

Der Einblick in den detaillierten Ablauf dieser Prozesse hilft dabei, die Regulation der Genexpression besser zu verstehen. Diese Erkenntnisse könnten eines Tages von therapeutischem Nutzen sein.

Die Aufgabe der Histonschwänze

Zusätzlich fanden die Forscher*innen heraus, welche Faktoren die Nukleosomenatmung beeinflussen: Die DNA-Sequenz – also die Reihenfolge, in der die einzelnen Basen-Bausteine im Erbgut angeordnet sind – spielt eine wichtige Rolle. Außerdem ist die Dynamik der sogenannten Histonschwänze für diesen Prozess essenziell. Cojocaru erklärt: „Unsere Simulationen zeigten, dass zwei Histonschwänze dafür verantwortlich sind, das Nukleosom geschlossen zu halten. Nur wenn sich diese flexiblen Schwänze von bestimmten Regionen der DNA wegbewegten, konnte sich das Nukleosom öffnen.“ Als die Forschenden die Histonschwänze entfernten, öffneten sich die Nukleosomen deutlich weiter. Das Bewegungsmuster, das durch die DNA-Sequenz bestimmt wird, blieb dabei bestehen.
 

Histonschwänze sind flexible Regionen in den Histonen, die an der Regulation der Genexpression beteiligt sind. Ihre Modifikation, also welche chemischen Gruppen das Histon trägt, beeinflusst, welche Regionen der DNA abgelesen werden und welche nicht. 

Weitere Einblicke in die Genexpression
Huertas erklärt, dass aktives (offenes) und inaktives (geschlossenes) Chromatin unterschiedliche Modifikationen der Histonschwänze aufweisen. Der nächste Schritt sei, Simulationen mit solchen Modifikationen durchzuführen. „Die atomare Auflösung der Simulationen würde es uns ermöglichen, genau zu bestimmen, wie jede Modifikation die Nukleosomen und die Chromatindynamik beeinflusst“, so Huertas weiter.

Die aktuellen Simulationen zeigen nur wenige Mikrosekunden, allerdings könnte sich die beobachtbare Zeitspanne in Zukunft verlängern. Cojocaru sagt voraus:

„Mit der weiteren Zunahme der weltweit verfügbaren Rechnerleistung werden wir     bald in der Lage sein, Millisekunden der Lebensdauer eines Nukleosoms mit all seinen     Atomen zu simulieren.“

Die Wissenschaftler*innen möchten zukünftig routinemäßig mehrere Nukleosomen simulieren können, um die Auswirkungen verschiedener Modifikationen von Histonen auf die Genexpression zu untersuchen. Davon erhofft sich Cojocaru: „Dies wird ungeahnte Einblicke in die Mechanismen ermöglichen, die die Genexpression regulieren.“

Quelle: www.wissenschaft.de

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