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Wissens-Check | Neuralgin

GEHEIMWAFFE COFFEIN

Den Wirkstoff Coffein kennen viele nur als Muntermacher im Kaffee. Was viele nicht wissen: Pharmazeutisch fungiert er als Turbo-Beschleuniger und erhöht die Wirksamkeit von Schmerzmitteln.

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Diese Wirkung des Kaffee-Inhaltsstoffes macht sich das OTC-Präparat Neuralgin® zunutze: In der Kombination mit Acetylsalicylsäure (ASS) und Paracetamol verstärkt und beschleunigt es die schmerzstillende Wirkung1, führt zu einer besseren Verträglichkeit im Vergleich zu den Einzelwirkstoffen2 und ist zudem bei bestimmungsgemäßem Gebrauch sicher und effektiv3. Nicht umsonst wird die Dreierkombination von führenden Fachgesellschaften4 (u. a. Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Neurologie) als Mittel der ersten Wahl in der Selbstmedikation⁵ bei Migräne und Spannungskopfschmerz empfohlen.

Effektiver Wirkverstärker Coffein in Kombination mit ASS und Paracetamol vermindert den Bedarf an analgetischem Wirkstoff um rund 40 Prozent – resümiert Professor Thomas Herdegen, Facharzt für experimentelle Pharmakologie und stellvertretender Direktor des Instituts für Experimentelle und Klinische Pharmakologie an der Universität Kiel, in seiner Publikation „Koanalgetikum Coffein“ und zieht das Fazit: „Es wäre ein großes pharmakologisches Glück, wenn wir auch die Wirkung anderer Pharmaka so effektiv und risikolos verstärken könnten, wie es durch Coffein bei Analgetika möglich ist.“⁶ Doch wie ist das eigentlich möglich? Wie funktioniert der Mechanismus des Coffeins?

Direkt ins Gehirn Der Wirkstoff Coffein ist ein Purinalkaloid aus Coffea- und Tee- Pflanzen, das im Körper schnell und vollständig innerhalb von 45 Minuten resorbiert wird. Dabei beträgt seine Halbwertzeit altersunabhängig 2,5 bis 4,5 Stunden – bei Rauchern ist sie verkürzt. Coffein durchdringt ungehindert die BlutHirn-Schranke und es hemmt, wie andere Methylxanthine auch, die Adenosin-Rezeptoren im limbischen System, im Kortex und besonders in dopaminreichen Kerngebieten. Adenosin-Rezeptoren sind Mediatoren von nozizeptiven Schmerzen und erleichtern die zentralnervöse Schmerzbildung.

Werden, wie im Falle des Coffeins, unter anderem die A2A-Rezeptoren besetzt, dämpft dies die Antwort auf Schmerzreize. Und auch eine andere Wirkung hat zum weltweiten Siegeszug des Coffeins beigetragen: Es ist ein Muntermacher. Adenosin vermindert nämlich die neuronale Entladung und wirkt im Gehirn wie ein Sedativum; es unterdrückt die psychomotorische Aktivität. Entsprechend heben Adenosin-Rezeptorantagonisten wie Coffein die Stimmung beziehungsweise verstärken zerebrale Aktivitäten. Man fühlt sich selbstbewusster und konzentrierter. Daneben, so Herdegen, gibt es sogar Hinweise auf antidepressive und antidementive Effekte.

Die Legende Von Rezeptoren, BlutHirn-Schranke und Halbwertzeit wusste der Ziegenhirte Kaldi nichts, der ungefähr im 6. Jahrhundert im abessinischen Hochland seine Herde hütete. Der Legende nach soll er seine Tiere dabei beobachtet haben, dass sie immer wieder an den roten und grünen Früchten eines Strauches herumknabberten – und danach übermütig und nimmermüde auf den Wiesen umhersprangen. Kaldi wurde neugierig und aß selbst von den Beeren dieses Strauches; er empfand sie als außerordentlich belebend.

Aufgeregt rannte er zu den Mönchen eines nahegelegenen Klosters – die Gottesmänner gehörten in dieser Zeit zur gebildetsten Bevölkerungsschicht -, doch er erntete dort wenig Begeisterung. „Teufelszeug“, knurrte einer der Mönche und warf die Beeren ins Feuer. Der köstliche Geruch, der daraufhin die Räume des Klosters durchzog, veranlasste ihn jedoch, die Beeren schleunigst wieder herauszuholen. In einer Art Experiment überbrühte er die gerösteten Bohnen mit Wasser und setzte das Getränk seinen Mitbrüdern zum Abendbrot vor. Schlaf fanden sie in dieser Nacht nicht – aber dafür ungemein angeregte Gespräche miteinander.

Erste Isolierung Aus Kaffeebohnen isoliert wurde das Pflanzenalkaloid erstmals 1820 durch den deutschen Apotheker und Chemiker Friedlieb Ferdinand Runge. Von da an interessierten sich Pharmazeuten für den Stoff: Im Lauf der Zeit stellten sie fest, dass er die Lungenfunktion bei Asthma für zwei bis vier Stunden verbessert und den Verlauf von Lebererkrankungen sowohl verlangsamt als auch das Erkrankungsrisiko reduziert. Coffein reduziert auch die Bewegungsstörungen von Parkinsonpatienten und wird bei Frühgeborenen zur Behandlung von Atemstillständen eingesetzt. Coffein wirkt aber auch schmerzlindernd. Besonders effektiv funktioniert das in der fixen Kombination mit ASS und Paracetamol1 – wie bei Neuralgin®.

Erstaunlich war dabei folgende Entdeckung: Diese Schmerzmittelkombination weist eine bessere Verträglichkeit als die Einzelwirkstoffe auf7. Und: Sie zeigt sogar eine vergleichbare Wirksamkeit zu Sumatriptan bei deutlich weniger Nebenwirkungen8. Wobei sie zusätzlich die unangenehmen Begleiterscheinungen der Migräne lindert: Übelkeit, Übersensibilität gegenüber Licht und Geräuschen werden als weniger schlimm empfunden (Studiendurchführung mit Acetylsalicylsäure 250mg, Paracetamol 250mg, Coffein 65mg)9.

Power-Kombi Kopfschmerzen sind ein weit verbreitetes Übel, auch bei Jugendlichen. Mehr als 75 Prozent der österreichischen 14- bis 19-Jährigen klagen häufig darüber10. Da die Dreierkombination aus ASS, Paracetamol und Coffein so effektiv ist, stellt sich die Frage: Darf diese Schmerztablette auch Jugendlichen empfohlen werden? Für junge Menschen ab 12 Jahren (oder ab 43 Kilogramm Körpergewicht) kann das mit „Ja“ beantwortet werden, denn Neuralgin® besitzt auch für diese Altersgruppe die Zulassung. In einer Tablette sind 50 Milligramm Coffein enthalten – was etwa dem Inhalt einer halben Tasse Kaffee entspricht11.

Der große Vorteil: Coffein vermindert den Bedarf der anderen Wirkstoffe um ca. vierzig Prozent – der jugendliche Körper wird also mit weniger analgetischen Wirkstoffen belastet. Zudem erhöht das Co-Analgetikum Coffein, wie oben erwähnt, die Verträglichkeit von ASS und Paracetamol. Übrigens: Auch bei postoperativem Zahnschmerz oder Nachgeburtsschmerz hat sich die analgetische Wirkungsverstärkung von Coffein gezeigt. Grundsätzlich ist diese Wirkung für 100 bis 130 mg Coffein belegt; höhere Dosen führen zu keiner weiteren Wirkungsverstärkung12.

In seiner Publikation beschäftigte sich Professor Herdegen auch mit der Risikobeurteilung der einzelnen Wirkstoffe und kommt zu dem Fazit: „Die Dreierkombination ist sicher und effektiv bei bestimmungsgemäßem Gebrauch.“ Bestimmungsgemäß heißt in Bezug auf Neuralgin®: Bei akuten leichten Kopfschmerzen und Spannungskopfschmerzen reicht eine Tablette, bei akuten starken Kopfschmerzen oder Migräne sind zwei geboten, bei einer Tageshöchstdosis von sechs Tabletten.

Vegan und laktosefrei Übrigens: Neuralgin® ist aus deutscher Produktion, für Veganer geeignet und laktosefrei – was für rund 18 Prozent der Erwachsenen, die hierzulande unter einer Laktoseintoleranz leiden, von großer Bedeutung ist. Das OTC-Präparat enthält zudem kein Gluten und ist günstig im Preis. Wer eine coffeinhaltige Tablette einnimmt, braucht sich übrigens keine Sorgen zu machen, dass er in eine Abhängigkeit rutscht: Gerade einmal 50 mg Coffein sind in der Tablette enthalten. Zum Vergleich.

Eine Tasse Kaffee enthält rund 100 mg Coffein, eine Tasse Tee 50 mg, eine Dose Cola 40 mg. Wer gern Schokolade isst, kann sich auch hier einen Kick holen, mit der Geschmacksrichtung Halbbitter: Hier enthält eine halbe Tafel 45 mg Coffein13. Entzugssymptome treten laut Definition der internationalen Kopfschmerzgesellschaft IHS erst dann auf, wenn ein täglicher Coffein-Konsum von mehr als 200 mg über mehr als zwei Wochen hinweg unterbrochen wird. Dieser Kopfschmerz klingt nach maximal sieben Tagen oder nach der Einnahme von Coffein ab.

Menge nicht abschätzbar Kann man nun die Wirksamkeit seiner Schmerzmittel erhöhen, indem man reichlich Kaffee dazu trinkt? Im Prinzip schon, sagt Dr. Herdegen. Aber man sollte dabei folgendes bedenken: Einmal weiß man nie genau, wieviel Coffein in der Tasse steckt – im Gegensatz zur genau definierten Menge in einer Tablette. Zum anderen ist vielen Patienten gerade bei Kopfschmerzen und Migräne schlecht – und da will man einfach keine ein oder zwei Tassen Kaffee trinken. Zusammenfassend ist also über coffeinhaltige Analgetika-Kombinationen zu sagen: Es besteht:

  • Keine Gefahr der Abhängigkeit durch Coffein.
  • Kein Suchtpotential durch Coffein.
  • Keine Zunahme der Kopfschmerzhäufigkeit bei bestimmungsgemäßem Gebrauch.
  • Keine Nierentoxizität bei bestimmungsgemäßen Gebrauch14.


Keine Angst vor Bluthochdruck
Und noch einen Mythos hat die Wissenschaft widerlegt: Selbst bei Bluthochdruck braucht man nicht auf Coffein verzichten. Am Beispiel des Kaffees hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA Entwarnung gegeben. Zwar kann das Alkaloid den Blutdruck kurzzeitig für rund 30 Minuten leicht ansteigen lassen. Diese Steigerung entspricht jedoch lediglich der Blutdruckerhöhung, die man erlebt, wenn man sich aus dem bequemen Sessel erhebt und einen gemütlichen Spaziergang unternimmt…

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 07/18 ab Seite 118.

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Alexandra Regner PTA/Redaktion


Quellen:
1 Herdegen T.: „Koanalgetikum Coffein. Ein Psychoanalgetikum als Wirkverstärker“, DAZ 9, (2017), Seite 50–53.
2 Petersen K.-U., Kops M. und Heintze K.: „Analgetika der WHO-Stufe 1 zur Behandlung von (Migräne-) Kopfschmerzen“, Pharmakon 1, (2017), Seite 69–73.
3 Diener HC., et al.: The fixed combination of acetylsalicylic acid, paracetamol and caffeine is more effective than single substances and dual combination for the treatment of headache: a multicentre, randomized, double-blind, single-dose, placebo-controlled parallel group study”, Cephalalgia 25, (2005), Seite 776–787.
4 Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft, Österreichische Kopfschmerzgesellschaft, Schweizerische Kopfschmerzgesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Nephrologie.
5 Haag G., Diener H.-C., May A. et al.: „Selbstmedikation bei Migräne und Kopfschmerzen vom Spannungstyp“, Nervenheilkunde 28 (2009), Seite 382-397.
6 siehe 1
7 siehe 2
8 siehe 2,3
9 Lipton RB., et al.: “Efficacy and safety of acetaminophen, aspirin, and caffeine in alleviating migraine headache pain: three double-blind, randomized, placebo-controlled trials”, Archives of Neurology 55 (2), (1998), Seite 210–217.
10 Initiative Schmerzlos: „Aufklärung zum richtigen Umgang mit Kopfschmerzen und Migräne bei Jugendlichen“, unter: www.schulaerzte.at/uploads/media/downloads/kopfschmerzen2016/Schmerzlos_Ratgeber.pdf (abgerufen am 07.12.2017).
11 Nieber K., Felke S. und Schmalz A.: „Coffein – Genussmittel und Arzneistoff“, unter: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=2523 (abgerufen am 12.12.2017).
12 siehe 1
13 siehe 11
14 siehe 1



Neuralgin® SchmerztablettenWirkstoffe: Acetylsalicylsäure, Paracetamol, Coffein Zus.: 1 Tabl. enth. 250 mg Acetylsalicylsäure (Ph. Eur.), 200 mg Paracetamol, 50 mg Coffein. Sonst. Bestandt.: Aluminiumoxid, mikrokristalline Cellulose, Maisstärke, hydriertes Rizinusöl. Anw.: Erw. u. Jugendl. ab 12 J. bei akuten leichten bis mäßig starken Schmerzen. Gegenanz.: Überempf. geg. die Wirkstoffe od. einen der sonst. Bestandt.; wenn in der Vergangenh. geg. Salicylate od. and. nicht-steroid. Entzünd.hemmer mit Asthmaanfällen od. in anderer Weise allergisch reagiert wurde; gastrointest. Blutungen od. Perforat. (Magen- od. Darmdurchbruch) in der Vorgeschichte, die durch eine vorherige Therapie mit NSARs bedingt waren; aktive od. in der Vorgeschichte bekannte Magen- u. Zwölffingerdarmgeschwüre/ Haemorrhagie mit mindestens zwei unverkennbaren Episoden von erwiesener Ulzeration od. Blutungen; krankhaft erhöhte Blutungsneigung; Leber- u. Nierenversagen; schwere Herzinsuff.; in Komb. mit Methotrexat 15 mg od. mehr pro Wo.; währ. des 3. Trimenons der Schwangerschaft, Kdr. < 12 J. Nebenw.: Durch den Acetylsalicylsäureanteil bedingt können folgende unerwünschte Arzneimittelwirkungen auftreten: Häufig: Magen-Darm-Beschw. wie Sodbrennen, Übelk., Erbr., Bauchschm. Gelegentl.: Überempf.-reakt. wie Hautreakt. Selt.: Überempf.-reakt. eventuell mit Blutdruckabfall, Anfälle von Atemnot, anaphylakt. Schock, Quincke-Ödeme vor allem bei Asthmatikern; Magen- Darmblutungen, die sehr selt. zu einer Eisenmangelanämie führen können. Magen-Darmgeschwüre, u. U. mit Blutung u. Perforat., insbes. b. ält. Pat. B. abdom. Schm., Teerstuhl od. Hämatemesis wird der Pat. aufgefordert ASS abzusetzen u. sofort den Arzt zu informieren. Sehr selt.: Schw. Hautreakt. wie Hautausschlag mit Rötung u. Blasenbildung (z.B. EEM); Erhöh. der Leberwerte. Kopfschm., Schwindel, gestör. Hörvermögen, Ohrensausen (Tinnitus) u. mentale Verwirrung können Anzeichen einer Überdos. sein. Blutungen wie z.B. Nasenbluten, Zahnfleischbluten od. Hautblutungen mit einer mögl. Verläng. der Blutungszeit. Diese Wirk. kann über 4 - 8 Tage nach der Einnahme anhalten. Selt. bis sehr selt. sind auch schwerwieg. Blutungen wie z. B. intrazerebrale Blutungen, bes. b. Pat. mit nicht eingestelltem Bluthochdruck u./od. gleichz. Behandl. mit Antikoagulanzien berichtet worden, die in Einzelfällen lebensbedrohlich sein können. Durch den Paracetamol- u. Coffeinanteil bedingt können folgende unerwünschte Arzneimittelwirkungen auftreten: Selt.: Anstieg der Lebertransaminasen. Sehr selt.: Veränd. des Blutbildes wie Thrombozytopenie, Agranulozytose; b. prädisp. Personen Bronchospasmus (Analgetika-Asthma), Überempf.reakt. von einfacher Hautrötung bis hin zu Urtikaria u. anaphylakt. Schock; schw. Hautreakt. Nicht bekannt: Schlaflosigk. u. innere Unruhe; Tachykardie; Magenbeschw. Dr. R. Pfleger GmbH, D-96045 Bamberg (NG/210514/FK)

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