Die tägliche Fütterung kann für beide Seiten zur Belastungsprobe werden – doch Geduld lohnt sich. © MarkoNOVKOV / iStock / Getty Images Plus

Pädiatrie | Ernährung

ESSRITUALE BEI FÜTTER- UND ESSSTÖRUNGEN

Störungen bei der Nahrungsaufnahme können schon bei den Kleinsten auftreten – bis zu einem Viertel der Säuglinge und Kleinkinder sind davon betroffen. Neben organischen Beschwerden können auch psychosoziale Probleme Auslöser sein.

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Manchmal fangen die Schwierigkeiten schon sehr früh an, Probleme beim Stillen oder beim Füttern der ersten Beikost treten in vielen Fällen auf. Dabei kann die Nahrungsaufnahme verweigert, reduziert oder mit Abwehrreaktionen verbunden sein. Auch wählerisches Essverhalten oder die verzögerte Entwicklung der selbstständigen Nahrungsaufnahme zählen dazu. Solche Situationen stressen letztlich nicht nur die Eltern, sondern auch das Kind selbst.

Welche Gründe können vorliegen? Zunächst einmal natürlich organische Ursachen: Geburtskomplikationen, Hirnschäden, Lähmungen oder sonstige körperliche Einschränkungen. Auch medikamenteninduzierte Schluckbeschwerden, die sich aus der Therapie von rheumatoider Arthritis, onkologischer Erkrankungen oder Epilepsien ergeben, sind zu berücksichtigen. Ebenso wie traumatische Erfahrungen, die das Kind durch intensivmedizinische Aufenthalte gesammelt hat, zum Beispiel bei Intubation oder Sondenernährung. Aber auch Verhaltensprobleme können die Nahrungsaufnahme erschweren, wenn das Kind durch Eigensinn, Irritierbarkeit oder übermäßige Trotzreaktionen die tägliche Fütterung emotional bereichert.

Spätestens wenn Wachstum und Entwicklung bedroht sind, folgt meist der Gang zum Kinderarzt. In der Anamnese werden das soziale Umfeld, medizinische Besonderheiten (Grunderkrankungen, Medikamente), Angaben zu den Ess- und Ernährungsgewohnheiten (Routine, gefütterte Nahrungsmittel und Konsistenz der Nahrung) erfragt, sowie Größe, Gewicht und psychomotorische und kognitive Fähigkeiten des Kindes untersucht. Um anatomische Ursachen auszuschließen stehen der HNO-ärztlichen Untersuchung zusätzlich verschiedene diagnostische Mittel zur Verfügung, wie die Videofluoroskopie, bei der der Schluckakt mittels Durchleuchtung beobachtet und gefilmt wird oder die fiberoptische Schluckdiagnostik, eine Endoskopie der Speiseröhre. Unter Narkose kann auch eine Ösophagoduodenogastroskopie durchgeführt werden, eine videogestützte Untersuchung des oberen Verdauungstraktes zur Untersuchung der anatomischen Verhältnisse und der Schleimhautbeschaffenheit. Auf diesem Weg können Erkrankungen (Ulzera, Gastritiden) oder organisch bedingte Schluckbeschwerden (z.B. durch Fehlbildungen) ausgeschlossen werden – es bedeutet aber auch eine hohe Belastung für alle Beteiligten.

Werden Auffälligkeiten festgestellt, zieht dies meist die Einbeziehung eines ganzen Kompetenzteams aus Kinderärzten, Logopäden, Ernährungsberatern, HNO-Ärzten und Kinderpsychiatern mit sich. Ist die Ernährungslage langfristig bedroht, sollten frühzeitig Interventionen bis hin zur Sondenernährung in Betracht gezogen werden. Doch auch schon Regeln im Alltag können, vor allem bei leichten Störungen, hilfreich sein. Großer Bedeutung kommt dabei der Schaffung von festen Essensritualen zu: vertraute Personen, immer gleiche Tischposition, reizarme Umgebung und vor allem genügend Zeit für das Füttern. Auch wenn es häufig schwerfällt, regelmäßige Fütterzeiten von mehr als 30 Minuten können zur Stressreduktion auf beiden Seiten beitragen. Nahrungsmittel dürfen dabei angefasst werden, bei den ersten eigenständigen Versuchen können anatomisch angepasste Löffel helfen. Kleinere Portionen und ein geplanter Ernährungsplan schaffen Sicherheit und bestärken zusätzlich das Essverhalten.

Farina Haase,
Apothekerin, Volontärin

Quelle: Schwennle C, Arens C. HNO 2018; 66: 515-526 aus Medical Tribune, 53. Jahrgang, Nr. 41; 12.Oktober 2018

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