© Wavebreakmedia / iStock / Thinkstock

Beratung Und Verkaufen In Der Apotheke

EIN GEWINN FÜR BEIDE SEITEN

Die Begriffe „Zusatzempfehlung“ und „Zusatzverkauf“ haben in der Apotheke für viele noch immer einen unangenehmen Beigeschmack. Lösen Sie sich von diesem Gedanken. Es geht um die optimale Versorgung des Kunden.

Seite 1/1 10 Minuten

Seite 1/1 10 Minuten

Zugegeben, die Begriffe, die aus der Welt des Marketings kommen, klingen zunächst einmal so, als wollte man dem Kunden einen Bedarf einreden, den er gar nicht hat. Nur um ihm das Geld aus der Tasche zu ziehen. Und vermutlich ist Ihnen genau das auch schon mal in irgendeinem Geschäft passiert. Sie haben sich etwas aufschwätzen lassen, was sie gar nicht haben wollten. Und dann hatten Sie es plötzlich, haben sich hinterher darüber geärgert und betreten das Geschäft nun höchstwahrscheinlich nie wieder. So soll es natürlich nicht ablaufen, denn damit ist keinem geholfen.

Noch nicht einmal dem, der das schnelle Geld gemacht hat. Einen Stammkunden zu verlieren ist nämlich viel teurer. Und wenn der seine negativen Erfahrungen auch noch weitererzählt, ist der Schaden noch größer. Es geht auch anders! Natürlich ist Ihr Chef auch ein Kaufmann, der von der Apotheke leben und Ihr Gehalt und das Ihrer Kollegen bezahlen will. Er ist aber auch ein Heilberufler. Genau wie Ihnen darf es ihm nicht nur um den Umsatz, sondern muss es ihm in erster Linie um das Wohl seiner Kunden gehen. Deswegen hat sich das Prinzip der Öffentlichen Apotheke in Deutschland mit seinem Fremdbesitzverbot jahrzehntelang so gut bewährt.

Und deshalb ist es so gefährlich daran zu rütteln. Man darf in der Apotheke nicht nur eine kompetente, sondern auch eine ethisch einwandfreie Beratung erwarten. Dazu gehören in vielen Fällen auch sinnvolle Zusatzempfehlungen. Die kann Ihr Kunde oftmals sogar richtig gut brauchen! Und ein optimal versorgter Kunde ist zufrieden, kommt wieder und erzählt es weiter. Sie können mit qualifizierten Zusatzempfehlungen also sogar Kunden binden und den Umsatz steigern.

Fragen Sie nach!
Stellen Sie sich vor, eine Kundin jenseits der 50 kommt in die Apotheke, löst ein Rezept über eine Hormonersatztherapie für ihre Wechseljahresbeschwerden ein und verlangt dazu Augentropfen mit einem alpha-​Sympathomimetikum. Wenn Sie nicht nachfragen und damit signalisieren, dass sie Ihre Hilfe anbieten, werden Sie auch nicht erfahren, dass sie seit einiger Zeit nicht nur unter schlimmen Hitzewallungen, sondern auch unter trockenen Augen leidet. Wenn Sie aber nachfragen, dann erzählt sie Ihnen vielleicht, dass ihr Arzt ihr nichts dagegen verschreiben wollte, weil er meinte, mit der Hormonersatztherapie regele sich auch das wieder. Und dass sie durch den Rat einer Kollegin auf die Idee mit den gefäßverengenden Augentropfen gekommen ist. Die Kundin ahnt nicht, dass ihre Augen dadurch noch trockener werden und die Hornhaut Schaden nehmen kann. Sie können ihr mit diesem Wissen den Sachverhalt erklären und ihr stattdessen spezielle Augentropfen gegen trockene Augen empfehlen. Auch wenn die Kundin im ersten Moment vielleicht so wirkte, als wolle und brauche sie keine Beratung, so wird sie dafür und für die zusätzliche Empfehlung mit Sicherheit dankbar sein.

Der Kunde ist Laie Die Versorgung, die ein Patient von der Krankenkasse bezahlt bekommt, wird von rein wirtschaftlichen Aspekten gesteuert. Auf dem Rezept wird also nur das stehen, was medizinisch notwendig ist und nicht das, was zusätzlich noch medizinisch sinnvoll wäre. Seit 2004 ist alles, was nicht verschreibungspflichtig ist – von Ausnahmen abgesehen – nicht mehr verordnungsfähig. Natürlich könnte der Arzt zusätzlich ein grünes Rezept ausstellen, doch diese Möglichkeit wird viel zu wenig genutzt. Vielleicht gibt es aber Produkte, die der Kunde im Rahmen der Selbstmedikation kaufen könnte, damit es ihm schneller besser geht oder sein Leiden weniger rasch voranschreitet.

Und vielleicht würde er auch gerne etwas zusätzlich kaufen. Doch woher soll der Kunde wissen, was gut für ihn ist? Sicher, manche chronisch Kranken wissen recht gut Bescheid über ihre Erkrankung und haben sich selbst zum Fachmann gemacht. Aber das sind die Ausnahmen. Der Kunde ist im Normalfall Laie. Es mag auch sein, dass er das eine oder andere aus der Werbung oder aus eigenen Erfahrungen kennt. Er weiß aber sicher nicht über alle Behandlungsmöglichkeiten Bescheid. Und er kann nicht beurteilen, wie sich ein Arzneimittel aus der Selbstmedikation mit seiner sonstigen Medikation verträgt.

Aber er vertraut Ihnen. Bieten Sie also zusätzliche Empfehlungen an! Das gleiche gilt natürlich auch für Kunden, die direkt in die Apotheke kommen und vorher nicht beim Arzt waren. Manche äußern einen konkreten Wunsch und bringen ihn so sicher vor, dass man den Eindruck gewinnen könnte, sie hätten das notwendige medizinische Hintergrundwissen, um genau zu erkennen, was sie brauchen. Das ist aber nur selten der Fall. Zwar sind viele durch Fernsehen, Internet, Zeitungen, Freunde, Familie oder Nachbarn und Kollegen über die gängigen Gesundheitsthemen informiert, aber reicht das aus für eine optimale Selbstbehandlung? Eher nicht!

Respektieren Sie das Wissen Ihrer Kunden, manche haben vielleicht Erfahrungen gemacht, aus denen Sie noch lernen können. Bieten Sie aber immer Ihre Hilfe an. Die meisten warten darauf und werden sie dankbar annehmen. Natürlich gibt es auch Kunden, die offensichtlich gar keine Zeit für ein langes Beratungsgespräch und Zusatzempfehlungen haben. Das sind aber die wenigsten. Auch ein scheinbar vielbeschäftigter Geschäftsmann oder ein zunächst skeptischer Kunde lassen sich vielleicht freundlich auf ein Gespräch ein, wenn Sie es anbieten. Und wenn nicht, dann können Sie Ihre Beratung immer noch auf das Nötigste beschränken.

Haben Sie bitte auch keine Angst, eine Zusatzempfehlung würde den Kunden finanziell überfordern. Die Empfehlung selbst kostet gar nichts. Ob der Kunde der Empfehlung folgt und ein Produkt kauft, bleibt ihm überlassen. Er weiß dann zumindest, dass es etwas gibt, was ihm zusätzlich helfen könnte. Wenn er ablehnt oder es sich noch einmal überlegen möchte, ist das auch in Ordnung. Nicht jede Empfehlung muss zum Verkauf führen. Außerdem gehören auch Empfehlungen zur Ernährung oder zur Lebensweise zur Beratung, und die gibt es tatsächlich gratis.

Sie führen das Gespräch Ob Sie eine zusätzliche Empfehlung aussprechen können und ob diese zum Verkauf eines Produktes führt, hängt natürlich auch vom Verlauf des Beratungsgespräches ab. Hier kommt die Kunst der Kommunikation zum Tragen. Schaffen Sie Gelegenheiten für ein vertieftes Beratungsgespräch. Stellen Sie beispielweise offene Fragen, damit der Kunde von seinem Problem erzählen kann. Nur so können Sie seine Bedürfnisse und einen zusätzlichen Bedarf erkennen. Ein gutes Gespräch beginnt mit der Begrüßung. Signalisieren Sie dem Kunden, dass er willkommen ist. Dafür ist der erste Eindruck entscheidend.

Und der beginnt schon, wenn der Kunde die Apotheke betritt oder sogar schon, wenn er von außen ins Schaufenster schaut. Noch bevor Sie sich dem Kunden widmen können, hat er schon die Einrichtung der Apotheke und die Mitarbeiter gesehen. Auch wenn er dies nicht unbedingt bewusst wahrnimmt, es hinterlässt einen Eindruck. Wenn der Kunde warten muss, hat er auch die Gelegenheit, zu beobachten, wie schnell oder langsam die Mitarbeiter nach vorne kommen und mit anderen Kunden umgegangen wird. Werfen Sie ihm einen Blick zu und grüßen Sie ihn kurz, damit er weiß, dass er wahrgenommen wurde. Ist er dann an der Reihe, ist es ganz wichtig, sich ihm konzentriert zuzuwenden und ihn persönlich begrüßen.

Hören Sie genau zu!
Ein Kunde verlangt einen Hustenlöser mit dem Wirkstoff Acetylcystein. Er bestätigt, dass das Mittel für ihn ist. Und er kennt das Mittel auch von früheren Erkältungen. Auf die Frage nach den Beschwerden, antwortet er: „Der Husten macht mich wahnsinnig! Kaum liege ich abends im Bett, geht es los!“ Greifen Sie die Aussage auf, etwa mit den Worten: „Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann belastet Sie der Husten vor allem nachts.“ Durch die Rückmeldung zeigen Sie Bereitschaft, sich auf den Kunden einzulassen. Und ganz nebenbei haben Sie seinen Bedarf festgestellt: Er kann nicht schlafen, weil ihn nachts der Husten quält. Ihm ist wichtig, dass der Husten gestoppt wird. Ihre Beratung könnte also lauten: „Ich kann Ihnen für den Tag ACC geben, wenn sich viel Schleim in den Bronchien befindet. Es erleichtert das Abhusten. Aber bitte nicht mehr nach 17 Uhr einnehmen. Wenn der Schleim sich löst, dann muss er auch raus. Und sie wollen nachts doch in Ruhe schlafen. Für die Nacht habe ich hier noch einen Saft mit Dextromethorphan. Er stillt den Hustenreiz. Nehmen Sie den eine halbe Stunde vor dem Zubettgehen.“

Die Begrüßung Viel wichtiger als die Worte, die Sie zur Begrüßung wählen, ist Ihre Körpersprache. Nehmen Sie Blickkontakt zum Kunden auf und lächeln Sie ihn freundlich an. Menschen reagieren sehr stark auf optische Signale. Wenn Sie noch etwas fertig zu bearbeiten haben, dann sagen Sie Ihrem Kunden, dass Sie noch einen Augenblick brauchen. Dafür hat jeder Verständnis, wenn er weiß, dass sich gleich jemand um ihn kümmern wird. Die Worte, die man zur Begrüßung wählt, sind meist dieselben. Entscheidend ist, dass das „Guten Morgen“ oder „Guten Tag“ oder auch „Hallo“ offen und freundlich gesagt wird. Und wenn Sie den Kunden kennen, freut er sich, wenn Sie ihn mit Namen anreden. Die Begrüßung ist zwar nur die erste Kontaktaufnahme, sie kann aber die Weichen dafür stellen, ob das Beratungsgespräch ein Erfolg oder ein Misserfolg wird.

Die Gesprächseröffnung Häufig äußert der Kunde nach der Begrüßung sofort seinen Wunsch. Manchmal können Sie vielleicht noch ein „Bitte schön!“ oder ein „Wie kann ich Ihnen helfen?“ anbringen. Achten Sie darauf, dass es authentisch klingt und nicht nach einer bedeutungslosen Floskel. Mit dem klassischen „Was kann ich für Sie tun?“, das man häufig am Telefon hört, ist es sehr schwer, echtes Interesse zu vermitteln. Der Kundenwunsch oder das Rezept, das Sie entgegennehmen, sind keine Aufforderung, so schnell wie möglich bedient zu werden. Sehen Sie es eher als Wunsch nach Beratung an. Um dem nachzukommen, müssen Sie mehr über den Kunden und seine Bedürfnisse erfahren.

Sieben Fragen für konkrete Kundenwünsche:

• Für wen ist das Mittel? oder: Ist das Mittel für Sie?
• Kennen Sie das Mittel schon? Kommen Sie damit gut zurecht?
• Welche Beschwerden haben Sie?
• Seit wann haben Sie die Beschwerden?
• Wie stark sind die Beschwerden?
• Haben Sie schon etwas dagegen unternommen?
• Welche Medikamente nehmen Sie sonst noch ein?

Sie können die Wortwahl natürlich abwandeln und an Ihren persönlichen Stil anpassen. Auch die Reihenfolge der Fragen ist beliebig. Mit der ersten Frage sollten Sie aber im–mer klären, für wen das Produkt eigentlich ist – schon aus Gründen der Arzneimittelsicherheit. Es könnte ja auch für ein Kind sein. Ohne diese Frage ist eine kompetente Beratung überhaupt nicht möglich. Mit den sieben Fragen erfahren Sie außerdem, welche Erkrankung beziehungsweise welche Symptome der Kunde hat, wie sehr er darunter leidet, ob er schon beim Arzt war und ob Wechselwirkungen zu beachten sind.

Signalisieren Sie in diesem Gespräch Interesse durch Ihre Körpersprache. Lassen Sie den Kunden ausreden und schenken Sie ihm Ihre ganze Aufmerksamkeit. Es spricht auch nichts dagegen, das gewünschte Mittel bereits zu holen, um zu zeigen, dass Sie seinen Wunsch beliefern können. Wenn Sie feststellen, dass der Kunde einen größeren Beratungsbedarf hat, beispielsweise, weil er auf die Frage, ob er das Mittel schon kennt, mit „Nein, das hat mir mein Nachbar empfohlen.“ oder „Nein, das hab ich in der Werbung gesehen.“ antwortet, dann sind Sie schon mittendrin im Beratungsgespräch.

Heben Sie den Nutzen hervor!
Erklären Sie dem Kunden, warum Sie ihm dieses Mittel zusätzlich empfehlen, beispielsweise so:
+ „Wenn Sie noch etwas mehr für sich tun wollen, …“
+ „Sie können die Wirkung noch verstärken, wenn Sie zusätzlich …“
+ „Damit es Ihnen schnell besser geht, könnten Sie außerdem …“

Die Bedarfsermittlung Mit der Gesprächseröffnung haben Sie nicht nur Informationen zur Erkrankung Ihres Kunden erhalten, Sie erkennen auch seine Bereitschaft zu einem Gespräch. Und Sie haben ihrerseits Gesprächsbereitschaft gezeigt. Um zu erfahren, welchen Bedarf der Kunde genau hat, müssen Sie nun herausfinden, was er mit dem Mittel erreichen will, was die Gründe für eine Behandlung sind und was ihm bei der Behandlung wichtig ist. Hören Sie ihm genau zu und versuchen Sie seine Gedanken zu verstehen. Und nicht nur das, geben Sie ihm eine Rückmeldung. Wiederholen Sie seine Aussage mit eigenen Worten. So können Sie auch Missverständnisse vermeiden und die Eigendiagnose hinterfragen. Sie können auch Dinge aufgreifen, die der Kunde vielleicht nur durch seine Gestik oder Mimik geäußert hat.

Die Zusatzempfehlung Wenn Sie den Bedarf und die Bedürfnisse Ihres Kunden kennengelernt und ihm gezeigt haben, dass Sie ihn verstehen und wissen, was er braucht, dann ist es in der Regel nicht schwer, das gewünschte oder ein anderes von Ihnen empfohlenes Mittel zu verkaufen. Ein guter Abschluss des Beratungsgespräches ist nun eine passende Zusatzempfehlung. Sie sollten für die gängigen Indikationen immer einige Empfehlungen im Kopf haben. Sowie Sie den Bedarf ermittelt haben, können Sie individuell für jeden Kunden auswählen, was Sie ihm aus ihrem Repertoire noch anbieten. Zeigt der Kunde Interesse, spricht nichts dagegen, weitere Empfehlungen auszusprechen. In der Regel werden nicht alle möglichen Zusatzempfehlungen zu jedem Kunden passen. Aber das haben Sie ja im Gespräch herausgefunden. Im Idealfall fühlt sich Ihr Kunde durch die Zusatzempfehlung bereichert. Er hat erkannt, dass Sie ihm wertvolle Informationen mit auf den Weg gegeben haben. Warten Sie mit der Zusatzempfehlung nicht, bis der Kunde den Geldbeutel zückt. Dann hat er im Geiste schon mit dem Kauf abgeschlossen. Schließen Sie die Zusatzempfehlung direkt an das Beratungsgespräch an.

Der Abschluss Bleiben Sie mit den Gedanken beim Kunden, bis Sie ihn verabschiedet haben. Lassen Sie ihn nicht fallen. Endet Ihre Freundlichkeit mit dem Bezahlen, sieht es so aus, als sei Ihnen nur der Kauf wichtig gewesen, aber nicht der Mensch. Mit einigen freundlichen Worten zum Abschluss können Sie Ihren Kunden stattdessen darin bestätigen, dass Ihnen etwas an seinem Befinden liegt und er schon bald Besserung erfahren wird. Gerade die abschließenden freundlichen Worte nach dem eigentlichen Kauf können die zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen Ihnen und dem Kunden vertiefen. Der Kunde vertraut Ihnen und kommt gerne wieder.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER Apotheke Sonderheft „Kommunikation und Zusatzverkäufe" ab Seite 58.

Sabine Breuer, Apothekerin/Chefredaktion

×