Frau trinkt aus Tasse © Lordn / iStock / Getty Images
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Phytotherapie

DURCHSPÜLEN UND DESINFIZIEREN

Blasenentzündungen haben immer Saison. Pflanzliche Therapieoptionen sind bei den Anwendern äußert beliebt und gut wirksam. Dafür stehen Phytotherapeutika mit verschiedenen Angriffspunkten zur Verfügung.

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Häufiger Harndrang, Schmerzen und Brennen beim Wasserlassen sowie Krämpfe im Unterleib sind untrügliche Zeichen für einen Harnwegsinfekt. Mehr als die Hälfte aller Frauen hat mindestens einmal im Leben damit Bekanntschaft gemacht. Bei etwa fünf bis zehn Prozent der weiblichen Bevölkerung kommt es zu wiederholten Episoden. Haupterreger sind meist körpereigene Keime aus dem Darm, die aus dem Analbereich über die Harnröhre in die Blase hinaufsteigen und sich an die Schleimhaut heften. Zu 80 Prozent sind bestimmte Stämme des stäbchenförmigen Bakteriums Escherichia coli (E. coli) für die Entzündung verantwortlich.

Sind lediglich die unteren Harnwege (Blase und Harnröhre) betroffen, liegt eine Blasenentzündung (Cystitis) vor. Sie gilt bei Frauen unter 65 Jahren, die ansonsten gesund sind, als unkompliziert, da in der Regel nicht mit gravierenden Komplikationen zu rechnen ist. Unkomplizierte Harnwegsinfektionen erfordern nicht zwingend Antibiotika. Oftmals können sie rein pflanzlich erfolgreich behandelt werden. Auf jeden Fall lohnt sich bei leichten akuten Beschwerden zunächst immer ein Therapieversuch mit antimikrobiell wirksamen Phytotherapeutika. Arzneidrogen mit einer entwässernden (aquaretischen) Wirkung eigenen sich für eine begleitende Durchspülungstherapie – auch während einer eventuell notwendigen Antibiotikaeinnahme. Zudem existieren pflanzliche Therapieoptionen für eine Rezidivprophylaxe.

Brennnessel & Co. Gleich bei den ersten Anzeichen einer Blasenentzündung sollten die Betroffenen viel trinken, um die pathogenen Keime aus den Harnwegen zu spülen. Dafür haben sich vor allem Arzneidrogen mit einer entwässernden (aquaretischen) Wirkung aus verschiedenen Pflanzenfamilien bewährt. Dazu zählen Blätter und Kraut der Brennnessel (Urtica dioica/urens L.), Blätter der Birke (Betula pendula) und des Orthosiphons (Orthosiphon aristatus), Kraut von Schachtelhalm (Equisetum arvense L.) und Goldrute (Solidago virgaurea L.), Wurzel der Hauhechel (Ononis spinosa L.) sowie der Wurzelstock der Quecke (Agropyron repens).

Orthosiphonblätter und Goldrutenkraut wirken zudem leicht krampflösend, letzteres hat noch entzündungshemmende Eigenschaften und eignet sich auch bei wiederkehrenden Harnwegsinfekten nach dem Abklingen des akuten Geschehens. Bewährt hat sich die Dreier-​Kombination aus Goldrute, Hauhechel und Orthosiphon. Zur Prophylaxe rezidivierender Blasenentzündungen wird Goldrutenextrakt als Monopräparat eingesetzt. Die durchspülende Wirkung der Pflanzen ist auf Flavonoide zurückzuführen. Sie verstärken die Harnausscheidung über eine Erhöhung der Nierendurchblutung und der glomerulären Filtrationsrate sowie über die Hemmung der Wasserrückresorption im Sammelrohr im Sinne einer Verdünnungsdiurese.

Damit kommt es nicht nur zu einer Reduzierung der Gesamtkeimzahl, darüber hinaus wird ein Auskristallisieren von Steinen im Bereich der ableitenden Harnwege verhindert. Dabei greifen pflanzliche Aquaretika im Gegensatz zu chemischen Diuretika nicht in den Elektrolythaushalt ein. Dennoch sollte eine Durchspülungstherapie nur kurzfristig erfolgen. Kontraindiziert sind sie bei Patienten mit Ödemen infolge einer Herz- und Niereninsuffizienz. Wird zusätzlich das Antibiotikum Fosfomycin eingenommen, sollte die Flüssigkeitszufuhr 1,5 Liter nicht übersteigen, um den Wirkstoff in der Blase nicht zu verdünnen.

Viel trinken

Harntreibende Arzneidrogen werden traditionell als Nieren- und Blasentees angeboten. Vorteil aller Teezubereitungen ist, dass sie das Erreichen der notwendigen Flüssigkeitsmenge erleichtern. Werden Frischpflanzensäfte oder extrakthaltige feste Zubereitungen (z. B. Tabletten, Dragees) oder Lösungen (z. B. Tropfen) bevorzugt, sollte bei deren Abgabe der Hinweis erfolgen, zusätzlich immer reichlich zu trinken.

Bärentraube Im Akutfall altbewährt sind die Blätter der Bärentraube (Arctostaphylos uva-ursi) aus der Familie der Ericaceae (Heidekrautgewächse). Für ihre antimikrobielle Wirkung wird Arbutin verantwortlich gemacht, ein Prodrug, das im Körper in das aktiv wirksame Hydrochinon umgewandelt wird. Hydrochinon tötet insbesondere gramnegative Bakterien wie E. coli ab. Zudem verhindern Tannine ein Anheften von Erregern an der Schleimhaut und wirken darüber hinaus antiphlogistisch.

Um eine optimale Wirkung zu erzielen, sollten Bärentraubenblätter vorzugsweise als standardisiertes Fertigarzneimittel in Drageeform eingenommen werden. Die früher empfohlene Alkalisierung des Harns ist nicht erforderlich. Als Tee ist ein Kaltwasserauszug (Kaltmazerat) sinnvoll, der weniger magenschleimhautreizende Gerbstoffe extrahiert als ein herkömmlicher Auszug. Zubereitungen mit Bärentraubenblättern sollten nicht länger als eine Woche und nicht öfter als fünfmal im Jahr zur Anwendung kommen, da potenzielle mutagene und lebertoxische Effekte diskutiert werden.

Kapuzinerkresse und Meerrettich Antimikrobiell wirken auch das Kraut der Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus L.) aus der Familie der Kapuzinerkressengewächse (Tropaeolaceae) und die Wurzel des Meerrettichs (Armoracia rusticana) aus der Familie der Kreuzblütengewächse (Brassicaceae), die als fixe Kombination erhältlich sind. Beide Pflanzen enthalten schwefelhaltige Senfölglykoside, deren Isothiocyanate ein breites antibakterielles Wirkspektrum im grampositiven und gramnegativen Bereich aufweisen. Sie sollen sogar gegen resistente Formen von E. coli und Problemkeime wie MRSA (Methicilin-resistenter Staphylococcus aureus) effektiv wirken. Die Kombination eignet sich sowohl therapeutisch als auch prophylaktisch zur Langzeitanwendung bei häufig wiederkehrenden Infekten.

Rosmarin, Liebstöckel und Tausendgüldenkraut Ebenso hat sich ein Extrakt aus einer pflanzlichen Dreierkombination bewährt. In ihr sind die Blätter des Rosmarins (Rosmarinus officinalis L.) aus der Familie der Lippenblütler (Lamiaceae), die Wurzel des Liebstöckels (Levisticum officinale) aus der Familie der Doldenblütler (Apiaceae) und das Tausendgüldenkraut (Centaurium erythraea) aus der Familie der Enziangewächse (Gentianaceae) enthalten. Während Tausendgüldenkraut mit seinen Bitterstoffen vor allem die antibakterielle Wirksamkeit vermittelt, ist Liebstöckelwurzel mit seinem ätherischen Öl und den Cumarinen diuretisch und spasmolytisch wirksam. Ebenso ist das ätherische Öl der Rosmarinblätter krampflösend. Die Kombination eignet sich sowohl zur unterstützenden Behandlung während einer Antibiotika-Therapie als auch anschließend zur Rezidivprophylaxe.

Cranberry Ein Klassiker zur Rezidivprophylaxe sind die Früchte der in Nordamerika beheimateten Cranberry (Vaccinum macrocarpon) aus der Familie der Heidekrautgewächse (Ericaceae). Das Heidekrautgewächs ist bei uns auch als Kranichbeere, Großfruchtige Moosbeere oder nordamerikanische Preiselbeere bekannt. Auf einen bestehenden Infekt scheinen sie keinen Einfluss zu haben. In verschiedenen Studien wurde in vitro demonstriert, dass bestimmte Tannine (Pro- und Anthocyanidine) das Andocken von E. coli an den Schleimhäuten der Harnwege verhindern können.

Demnach sollen bis zu 80 Prozent der uropathogenen Keime keinen Halt mehr in der Blase finden und daher beim Wasserlassen wieder ausgespült werden, bevor eine Infektion entstehen kann. Da die Cranberry-Tannine lediglich die Bakterien von der Blasenschleimhaut fernhalten und nicht abtöten, bleibt die natürliche Flora von Darm und Vagina erhalten und eine Resistenzbildung der Bakterien ist nicht zu erwarten.

Den Artikel finden Sie auch in unserem Sonderheft „Phytotherapie und alternative Heilmethoden“ ab Seite 42.

Gode Chlond, Apothekerin

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