Mann schaut ertsaunt © Giulio Fornasar / iStock / Getty Images
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Bücher, von denen man spricht

„DIE ÄLTEREN KENNEN DIE ABKÜRZUNG“

Es gibt gute Nachrichten: Altwerden ist gar nicht so schlimm. Das behaupten jedenfalls die beiden Autoren des Buches „Die bessere Hälfte“, Tobias Esch und Eckart von Hirschhausen.

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Kaum ist es auf dem Markt, da steht es schon in den Bestsellerlisten ganz oben: Was Hirschhausen anpackt, das wird ein Erfolg. Der Fernsehmoderator, Arzt und Erfinder des medizinischen Kabaretts hat sich mit seinem Freund, dem Neurowissenschaftler Professor Dr. Tobias Esch zusammengetan. Man lernte sich vor Jahren am Rande einer Tagung mit Namen „Medizin und Meditation“ kennen und schätzen. Esch interessierte sich schon immer für das, was glücklich macht und Hirschhausen brachte den Humor in die Krankenzimmer; er hätte sich dazu nicht einmal die rote Clownsnase aufsetzen müssen. Mit seinen Büchern „Die Leber wächst mit ihren Aufgaben“ und „Glück kommt selten allein“ erreichte er Millionenauflagen.

Mehr Zufriedene als Unzufriedene Die zweite Hälfte des Lebens ist die Schönere, sagen die beiden Autoren. Und sie führen das über knapp 300 Seiten aus: Ach, es tut ja so gut, dass das endlich mal einer sagt. Aber kann es denn wahr sein? Die beiden Autoren wären nicht Ärzte, wenn sie nicht auch die knallharten Fakten parat hätten: Über zwei Drittel der Senioren im Alter zwischen 65 bis 85 Jahren sind mit dem eigenen Leben völlig zufrieden (die Studie dazu ist im Anhang nachzulesen).

„Wir erleben in unseren Medien natürlich oft ein schräges, häufig abschreckendes Bild vom Alter. Die zufriedenen Alten sind leise, fallen nicht so auf, sie gehen seltener zum Arzt. Sie sind auch für die Wirtschaft und die Werbeindustrie nicht so interessant, weil sie weniger verbrauchen“, sagt Esch. Sein eigenes „Erweckungserlebnis“ hatte der Neurobiologe beim Optiker: „Sie brauchen unbedingt eine Gleitsichtbrille“ hatte der zu ihm gesagt und dann noch den fatalen Satz rausgelassen „Die menschliche Linse ist nicht für ein Alter über 40 gemacht.“ Das hörte sich ein wenig so an, als warte nur noch der Tod auf ihn, resümiert Esch.

Leben für Fortgeschrittene Das ist zwar wahr, aber noch lange hin, kontert Hirschhausen. Und was ist am Alter nun so toll? Denn die Chancen, heute selbstbestimmt älter zu werden, sind so gut wie noch nie: Im Vergleich zu unseren Großeltern leben wir zehn Jahre länger, sind im Schnitt gebildeter, gesünder und körperlich fitter. Altern, so sagen die beiden Doktores, ist eben Leben für Fortgeschrittene. Denn je älter wir werden, desto unabhängiger wird die seelische Verfassung von der körperlichen – Lebensstil, Engagement und positive Erwartung verlängern das Leben. Wie kommt es nun, dass manche im Alter so zufrieden sind und andere zetern, dass früher alles besser war?

Gerade die glücklicheren Alten, sagt Esch, trauern am wenigsten früheren Zeiten hinterher. Sie sind neugierig geblieben und bewahren immer noch diesen einen kleinen Funken Jugendlichkeit für sich, der sie für die Enkel besonders interessant macht. Sie sind außerdem beim Scrabble besser, denn sie überblicken Wortzusammenhänge besser. Im Alter verlangsame sich zwar das Faktengedächtnis und verliert an Präzision, aber der Wissensschatz für Weisheit und Kompetenz, der kann sich erhalten und sogar vergrößern.

„Die bessere Hälfte“ von Prof. Dr. Tobias Esch und Dr. Eckart von Hirschhausen.
Rowohlt-Verlag, 288 Seiten, 18,00 Euro, ISBN 9783498030438.

Dopamin und Co. Um das Ganze neurobiologisch zu erklären, bemüht sich der Hirnforscher Esch auch der Botenstoffe wie Dopamin, dazu unterteilt er das Leben in drei Zeitabschnitte: Das Typ-A-Glück zeichnet sich durch viele Hochmomente, Kreativität und Lernfreude aus, in der Typ-B-Phase (in der es um den Beruf, die Familiengründung, Windelwechseln und Geldverdienen geht) spielt eher das Auf- und Durchatmen, wenn Schmerz, Leid und Stress eine Pause machen eine Rolle. Das Typ-C-Glück signalisiert im besten Falle Zufriedenheit und Gelassenheit: „Wenn wir jugendliches Typ-A-Glück in Verbindung mit viel Typ-B-Stress hatten, ist die Chance umso größer, dass später im Leben mehr Typ-C entsteht.

Die meisten Menschen sind mit 57 besser drauf als mit 17 oder 37.“ Und auch wenn die Zufriedenen eine unterschätzte Gruppe sind, gibt es doch auch die, die am Alter leiden. „Die großen Stimmungskiller“, sagt Esch, „sind soziale Einsamkeit, Krebserkrankungen, Depressionen und Demenz, aber auch chronischer Schmerz, der nachweislich die Fähigkeit im Gehirn verändert, Glück zu empfinden. Dann ist das Belohnungssystem selbst erkrankt.“ Und natürlich ist die Zeit vor dem Tod auch nicht immer schön. Esch und Hirschhausen plädieren dafür, dass die Medizin dabei eine neue Rolle spielen möge: nicht als „Reparaturbetrieb“, sondern als Begleiter, Linderer und Ermöglicher.

Lachen hilft Was hilft nun dabei, weder dem Trübsinn noch dem Altersstarrsinn zu verfallen? Die Autoren haben zwei ganz klare Tipps: „Verbringe viel Zeit mit ansteckend fröhlichen Menschen“ lautet der eine und der andere: Bewegung, möglichst viel und möglichst oft. Zum Beispiel Tanzen („wirkt nachweislich vorbeugend gegen Alzheimer, weil es die rechte und die linke Hirnhälfte aktiviert“), Tischtennis („du musst schneller reagieren als du denken kannst“) und Musik, besonders die von Bach. „Sie kann unser Belohnungssystem in Schwingung bringen und ein tiefes Verbundenheitserleben auslösen“, sagt der Wissenschaftler. Das können zwar auch Drogen, aber das helfe nur kurzfristig.

Und dann gar nicht mehr. „Die bessere Hälfte“ ist ein einziger, großer Dialog in zehn Kapiteln, der sich einmal erfrischend anders mit dem Thema Alter beschäftigt. Das Buch beschönigt nicht das körperliche Siechtum am Ende – „die allerletzte Phase des Alterns ist für viele Menschen sehr hart, weil das Sterben häufig leidvoll ist“, sagt Esch. Aber es legt doch den Fokus auf ein gelingendes Altern. Hirschhausen wäre nicht er, wenn er nicht auch noch etwas zum Thema Humor zu sagen hätte: Der sei einer der großen Schutzfaktoren der Seele, für Patienten und Behandelnde zugleich. „Und wenn man Humor verlieren kann, dann kann man ihn ja auch wiederfinden.“

Spiritualität wird zum Thema Auf die große Frage nach dem Lebensglück kommen oft kleine Dinge zutage, die glücklich machen: Ein Baum, ein Buch, der Enkel. Mut und die Fähigkeit, die Dinge, die man nicht ändern kann, zu ertragen. Altern, so sagen die Autoren, sei auch Lebenskunst. Und es helfe, an etwas zu glauben. „Glaube ist gesund und bringt uns weiter“, sagt Esch. Ob Christentum, Judentum, Islam oder Buddhismus, es gehe immer um das Wiederkehren, Wiederholen und Loslassen. Vielleicht mit ein Grund dafür, dass ältere Menschen sich oftmals (wieder) der Religion oder der Spiritualität zuwenden. Hirschhausen, der kürzlich 51 Jahre alt wurde, weiß: „Die Jüngeren“, so sagt er, „können zwar schneller rennen. Aber die Älteren kennen die Abkürzung“.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/18 ab Seite 130.

Alexandra Regner, PTA und Journalistin

 

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