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Venenleiden

DEN VENEN BEINE MACHEN

Es beginnt mit einem Schweregefühl in den Beinen und endet im schlimmsten Fall mit einem Unterschenkelgeschwür. Jede dritte Frau und jeder fünfte Mann zwischen 18 und 79 Jahren leiden an sichtbaren Krampfadern.

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Die Venen transportieren das Blut aus den Kapillarnetzen der Gewebe zum Herzen. Sie unterscheiden sich in ihrer Funktion und auch im Aufbau von den Arterien, die frisches, mit Sauerstoff beladenes Blut vom Herzen in die Gewebe bringen. Die kleinen Venen, die den feinen Kapillaren entspringen, werden Venolen genannt. Sie vereinigen sich auf ihrem Weg zum Herzen zu Venen mit immer größerem Durchmesser. Das venöse System der unteren Extremitäten kann man in drei Bereiche unterteilen. Das epifasziale oder superfizielle Venensystem befindet sich an der Oberfläche. Es wird nach oben hin durch die Haut und nach unten durch eine Muskelfaszie begrenzt. In und zwischen den Muskeln befindet sich das tiefe Venensystem. Oberflächliches und tiefes Venensystem werden durch das perforierende venöse System miteinander verbunden.

Von den Venolen kommend fließt das Blut durch das epifasziale System, das in mehreren Ebenen netzartig die Oberfläche der Beine durchzieht. Über die perforierenden Venen fließt es dann ins tiefe Venensystem. Von dort geht es in Richtung Herz. Die Mehrzahl der Venenleiden spielt sich im epifaszialen Venensystem ab. Die Flussrichtung des Blutes wird ganz wesentlich von den Venenklappen mitbestimmt. Sie können sich nur in die Richtung öffnen, in die das Blut fließen soll. Wird das Blut vom Herzen nach oben, also herzwärts gesaugt, so öffnet sich die Klappe und das Blut kann passieren. In der anschließenden Phase des Herzens, wenn das Blut entsprechend der Schwerkraft zurückfließen würde, wird die Klappe vom absackenden Blut erfasst und schließt sich. So kann das Blut nicht zurückfließen, sondern wird mit jedem Herzschlag Schritt für Schritt nach oben transportiert.

Muskelpumpe Im Liegen reichen Herzschlag und Venenklappen aus, um eine effiziente Strömung im venösen System aufrecht zu erhalten. In stehender Körperhaltung sind jedoch zusätzliche Mechanismen nötig. Durch das wechselnde An- und Entspannen der Beinmuskeln beim Gehen entsteht eine Pump- und Sogwirkung, die den Blutfluss kräftig unterstützt. Kontrahiert der Muskel, so dehnt er sich aus und drückt auf die tiefen Venen, die darin eingebettet liegen.

Sie werden komprimiert und das Blut wird nach oben gepresst. Durch die Venenklappen kann es nur in diese Richtung ausweichen. In der Entspannungsphase des Muskels lässt der Druck auf die tiefen Venen nach und es entsteht ein Sog, der Blut aus den oberflächlichen Venen in die Tiefe saugt. Auch hier verhindern die Venenklappen ein Zurückfließen von oben. Am effektivsten arbeiten neben der Wadenmuskelpumpe die Oberschenkel- und die Fußsohlenmuskelpumpe.

Varizen Mit zunehmendem Alter verändert sich die Venenstruktur. Ab dem dritten Lebensjahrzehnt nimmt die Durchblutung ab, was zu einer Verlangsamung des Blutflusses und dadurch zu einer Druckerhöhung in den epifaszialen Venen und den Kapillaren führt. Dadurch tritt vermehrt Wasser aus den relativ durchlässigen Venolen ins Gewebe aus. Es können sich besonders im Knöchelbereich Ödeme bilden. Mit der Zeit halten die Venen dem Druck nicht mehr stand. Sie geben nach und erweitern sich.

Dies geschieht meist sackförmig, ist auf eine umschriebene Stelle beschränkt und geht mit einer Schlängelung oder Knäuelung der Vene einher. Solche krankhaft erweiterten Venen werden als Krampfadern oder Varizen (Varix lat. für Knoten) bezeichnet. Die Bezeichnung der gesamten Krankheit, des Krampfaderleidens, ist Varikose. Beim weiteren Fortschreiten der Varikose werden durch Entzündungsprozesse auch Venenklappen zerstört. Dies ist der Übergang zur chronisch venösen Insuffizienz.

Druck von außen Die Behandlung von Venenleiden richtet sich nach dem Ausmaß der Beschwerden und dem Zustand der Venen. Keine Behandlung kann Varizen dauerhaft beseitigen. Selbst mit dem Ver- öden oder Entfernen erkrankter Gefäße allein ist es niemals getan. Bei allen Formen der Venenleiden kommen konservative Maßnahmen zum Einsatz. Hierzu zählen als wichtigste die Kompressionstherapie, die auch nach venenchirurgischen Eingriffen unverzichtbar ist, physikalische Entstauungsmaßnahmen, wie die Lymphdrainage, Gefäßsport und venenaktive Medikamente. Die Kompressionstherapie gilt als Basistherapie, es gibt nur wenige Kontraindikationen. Hierzu zählen die schwere Herzinsuffizienz oder die arterielle Verschlusskrankheit. Durch medizinische Kompressionsstrümpfe wird von außen ein Gegendruck auf die Venen ausgeübt.

Dadurch verengt sich der Durchmesser der Venen und die Fließgeschwindigkeit des Blutes steigt. Auch Venenklappen, die noch intakt sind, aber durch die Dehnung des Gefäßes nicht mehr richtig schließen konnten, nehmen ihre Arbeit wieder auf. So vermindert sich das Blutvolumen in den oberflächlichen Venen. Ödeme bessern sich, weil der Druckgradient in Richtung Rückresorption verschoben wird. Bei gleichzeitiger Bewegung wird die Wirkung der Muskelpumpe durch die Kompression verstärkt, denn der Kompressionsstrumpf stellt ei- nen Widerstand zum sich bei der Bewegung ausdehnenden Muskel dar, der den Druck nach innen und damit auf die tiefen Venen verstärkt. Bei jedem Schritt wird mehr Blut aus den tiefen Venen nach oben transportiert, sodass mehr Blut aus der Peripherie angesaugt werden kann.

Kompressionsstrümpfe Sie üben einen konzentrischen Druck auf das Bein aus und wirken der Verschlechterung des Venenleidens entgegen. Der höchste Druck liegt in der Fesselgegend, nach oben nimmt er kontinuierlich ab. Unterhalb des Knies darf er nur noch 70 Prozent, am Oberschenkel nur noch 40 Prozent betragen. Nur so funktioniert das Prinzip, dass das Blut von unten nach oben geleitet wird. Voraussetzung ist natürlich, dass der Strumpf optimal sitzt. Das bedeutet, er muss exakt angemessen und bei Bedarf nach Maß individuell für den Kunden angefertigt werden. Kompressionsstrümpfe gibt es in unterschiedlichen Längen, als Kniestrumpf, Halbschenkelstrumpf, Oberschenkelstrumpf und als Strumpfhose. Ganz allgemein gilt: So lang wie nötig, so kurz wie möglich.

Je nach Schweregrad des Venenleidens ist für die Kompressionstherapie ein unterschiedlich starker Druck erforderlich, um die Venenfunktion wiederherzustellen. Die Strümpfe werden daher in vier verschiedenen Kompressionsklassen hergestellt. In den letzten Jahren ist es der Industrie gelungen, immer feinere und transparentere Strümpfe herzustellen. Kompressionsstrümpfe haben sich von einem rein funktionellen Medizinprodukt zu einem modischen Kleidungsstück weiterentwickelt. Heute ist die Kompressionsklasse I kaum noch von einem normalen Feinstrumpf zu unterscheiden.

Stützstrümpfe und medizinische Thromboseprophylaxestrümpfe Stützstrümpfe üben weniger Druck auf die Venen aus als Kompressionsstrümpfe. Es gibt sie ebenfalls in verschiedenen Stärken, die wie bei Feinstrumpfhosen in „den“ gemessen werden. Stützstrümpfe dienen zur Vorbeugung schwerer und müder Beine durch langes Stehen und verbessern damit das allgemeine Wohlbefinden vor allem venengesunder Menschen.

Als Prophylaxemaßnahme werden diese Produkte nicht von den Krankenkassen bezahlt und können bei einer bestehenden Venenerkrankung einen Kompressionsstrumpf auch nicht ersetzen. Thromboseprophylaxestrümpfe, wie man sie aus der Klinik kennt, werden zur Risikominimierung der Phlebothrombose bei bettlägerigen und frisch operierten Patienten eingesetzt. Für aufrecht gehende und sitzende Patienten sind sie, wegen des niedrigen Drucks, der unter der von Kompressionsklasse I liegt, und auch wegen ihrer Strickweise, nicht geeignet.

Den Artikel finden Sie auch in der Sonderausgabe Frauengesundheit der PTA IN DER APOTHEKE ab Seite 66.

Sabine Breuer, Apothekerin/Chefredaktion

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