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EINFACH NICHT ZU HALTEN!

Ungezwungen am Leben teilhaben, in den Urlaub fahren, sich mit Freunden treffen, ins Kino oder Theater gehen. Ganz unabhängig von Corona gibt es viele Menschen, die sich kaum noch trauen, etwas zu unternehmen. Der Grund: Stuhlinkontinenz.

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Das gesellschaftliche Aus? So zumindest empfinden es viele von Stuhlinkontinenz Betroffene. Das Problem macht einsam. Man zieht sich immer mehr zurück. Es ist peinlich, man fühlt sich zum gesellschaftlichen Außenseiter degradiert. Ein kleines Kind muss irgendwann keine Windeln mehr tragen. Auch ein Hund ist über kurz oder lang stubenrein. Laut WHO ist Kontinenz „die erlernte Fähigkeit, Stuhlgang willentlich ort- und zeitgerecht abzusetzen“, wie Sie auf SL01/Suche „Stuhlinkontinenz“/ Stuhlinkontinenz (anale Inkontinenz) lesen können. Bei der auch als anorektale Inkontinenz bezeichneten Problematik ist durch den unkontrolliert austretenden Stuhl – und das müssen nicht einmal größere Mengen sein – Hygiene schwer möglich, und der olfaktorische, also geruchstechnische Aspekt spielt eine Hauptrolle. Die Leute riechen sehr schnell, dass man „undicht“ ist.

Laut SL02/Suche „Stuhlinkontinenz“ leiden circa fünf Prozent der Deutschen unter Stuhlinkontinenz. Im Alter steigt diese Zahl drastisch an, da sollen rund 30 Prozent betroffen sein. Es ist übrigens davon auszugehen, dass Frauen geschätzt vier- bis achtmal häufiger unter Stuhlinkontinenz leiden als Männer, da sie mit den Auswirkungen des Geburtstraumas auf Nerven, Muskeln und sonstiges Gewebe zurechtkommen müssen.

Was ist überhaupt passiert? Es gibt viele mögliche Ursachen. Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, wie Colitis ulcerosa, Divertikulitis und Morbus Crohn, können zu veränderter Stuhlkonsistenz führen, Magen- Darm-Infektionen, Tumore und Kollagenosen, also krankhafte Bindegewebsveränderungen, sind ebenso zu nennen wie Operationen, die zu einer Beeinträchtigung des Dickdarms führen. Und der Beckenboden – ja, auch bei Männern – spielt eine wesentliche Rolle. Operationskomplikationen, Krebs- oder andere Erkrankungen des Afters und des Enddarms, allgemeine Verletzungen und Schädigungen dieser Bereiche, wie zum Beispiel ein Analprolaps, gehören ebenfalls dazu.

Auch Nervenschäden, wie sie bei Multipler Sklerose, Parkinson, Demenz, Schlaganfall, Bandscheibenvorfall, Querschnittlähmung vorkommen, führen häufig zu anorektaler Inkontinenz. Unter SL03/Startseite/ Patienten/Krankheiten – Therapien/Stuhl-Inkontinenz finden Sie eine Broschüre der Deutschen Kontinenz Gesellschaft im PDF-Format. Drucken Sie diese doch für Ihre betroffenen Kunden aus.

Die Symptome Wer davon betroffen ist, achtet für gewöhnlich penibel auf Hygiene, aber nach kurzer Zeit spürt man es wieder: dieses Gefühl, unsauber zu sein. Helle Unterwäsche ist schon lange tabu und je dunkler die Kleidung ist, umso sicherer fühlt man sich. Die Stuhlinkontinenz wird zum einen in unterschiedliche Schweregrade eingeteilt, was Sie auf SL04/Formen/Stuhlinkontinenz nachlesen können:

  • Teilinkontinenz 1. Grades: Stuhlschmieren bei Belastung oder Diarrhö,
  • Teilinkontinenz 2. Grades: Winde und dünner Stuhl können nicht gehalten werden,
  • Totalinkontinenz: völliger Kontrollverlust über den Stuhlgang.

Ferner spielen die Formen eine Rolle. Es gibt die primäre (durch Krankheiten bedingte), die sensorische, die muskuläre, die reservoirbedingte und die psychische Stuhlinkontinenz. Natürlich sind die schweren Fälle die mit der auch psychisch stärksten Auswirkung. Aber schon die leichteren Grade schränken das Leben erheblich ein. War es früher möglich, nach dem Genuss entsprechender Speisen und Getränke sich vorzugsweise im Freien der Blähungen zu entledigen, so müssen Stuhlinkontinenzbetroffene bei jedem auch noch so geringen Druck am Schließmuskel damit rechnen, dass sich – mal mehr, mal weniger – Stuhl in die Unterhose entleert. Auch bei normalen Ereignissen wie Niesen, Lachen oder Husten passiert es: Der Schließmuskel kann dem Druck nicht standhalten und lässt Stuhl entweichen.

Was kann getan werden? Der erste Weg ist der zum Hausarzt, der die Überweisung zum Spezialisten, dem Proktologen, ausstellt. Dieser wird anhand einer genauen Anamnese bereits eine Grobeinstufung vornehmen. Danach liefern rektal-digitale Untersuchungen ein weites Spektrum an Ergebnissen, zum Beispiel ob der innere oder der äußere Schließmuskel intakt ist, sie liefern Erkenntnisse über die Analkanallänge, über eventuelle Tumore, Fissuren und ob ein Anal- oder Rektumprolaps vorliegt. Dazu bedienen sich die Fachärzte apparativer Diagnostik wie der Endoskopie, hier besonders der Prokto-Rektoskopie, der Manometrie zur Bestimmung der Druckverhältnisse im Kontinenzorgan, der Defäkografie, einer radiologischen Methode, um die Stuhlentleerung unter Kontrastmittel zu beobachten. Zu diesen und weiteren Techniken erfahren Sie Näheres auf SL05/Suche/ Jahr 2010 und Seite 596/Stuhlinkontinenz.

Es gibt Hilfe Mit der konservativen Therapie soll das Problem an der Basis bekämpft werden. Es gilt, den Beckenboden und den Schließmuskel mechanisch zu trainieren. Hämorrhoidenverödung und die Stimulierung des Nervengeflechts des Beckens und Beckenbodens können ebenfalls Besserung bringen, Ernährungsberatung kann zu einer neuen Speisenzusammenstellung führen, die medikamentöse Beeinflussung der Stuhlfrequenz schafft Zeiträume, wie SL06/Therapie/ Konservative Therapie/Stuhlinkontinenz darstellt. Man kann mit einigen Hilfsmitteln wie Analtampon, speziellen Einlagen, Stuhlauffangbeuteln und Inkontinenzhosen ein hohes Maß an Sicherheit zurückgewinnen.

Erfahren Sie dies auf SL07/Formen/ Stuhlinkontinenz und geben Sie den dort aufgeführten Link zu zahlreichen Beckenbodenübungen an Kunden weiter. Viele Betroffene haben Angst, kein normales Sexleben mehr führen zu können und verzichten irgendwann ganz darauf. Das muss nicht sein, denn mit der richtigen Vorbereitung kann auch das gut funktionieren. SL08/Suche „Inkontinenz“ hält einige Artikel zum Thema Sex, Sport, Urlaub mit Inkontinenz bereit. Auch SL09/Suche „Stuhlinkontinenz“/ Sex bei … gibt Tipps zum Thema. So unangenehm Stuhlinkontinenz auch sein mag, in vielen Fällen kann sie gelindert, oft sogar komplett bekämpft werden. Mit der richtigen Diagnose und Therapie sind eine lebendige und schamfreie Teilhabe am sozialen Leben möglich.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 07/2021 ab Seite 82.

Wolfram Glatzel, freier Journalist
Ursula Tschorn, Apothekerin

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