Eine junge Frau liegt mit angezogenen Beinen auf dem Sofa und hat sich die Decke über den Kopf gezogen.© gpointstudio / iStock / Getty Images Plus
Long-COVID-Betroffene mit Fatigue sind nach kleinsten Anstrengungen ausgelaugt, finden aber auch durch Ausruhen keine Erholung.

Corona

WAS GEGEN LONG-COVID HILFT

Die Corona-Zahlen steigen wieder. Wenn die akute Infektion überstanden ist, bleiben bei etwa zehn Prozent der Betroffenen längerfristige Folgen. Long-COVID kann sich ganz unterschiedlich äußern und monate- oder jahrelang bestehen bleiben. Wie sehen Therapien aus?

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Professorin Dr. Jördis Frommhold ist Ärztin und Leiterin des privaten Instituts LongCovid in Rostock. Sie fasst die aktuellen Behandlungsoptionen zusammen. Das Problem: Es gibt kein einheitliches Krankheitsbild. Bis zu 200 Symptome ordnet man den Langzeitfolgen einer Corona-Infektion zu.

Frommhold ist sicher: Medikamente allein reichen zur Behandlung nicht. Multimodale Therapiekonzepte richten sich nach den individuellen Beschwerden der einzelnen Betroffenen.

Fatigue als Dauerbelastung: Pacing

Chronische Schmerzen, Atemnot, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Depression: Die Liste der Beschwerden bei Long-COVID ist lang. Die Vielfalt der Symptome löst ebenso wissenschaftliche Diskussionen aus wie die tatsächliche Zahl der Betroffenen. Bestehen langanhaltend Beschwerden nach einer Corona-Infektion, muss zuerst eine andere mögliche Ursache ausgeschlossen werden. Dann beginnt die Therapie der Beschwerden symptomorientiert und multimodal.

Sehr belastend empfinden viele Betroffene die Fatigue. Fatigue ist der Definition nach „eine subjektiv oft stark einschränkende, zu den vorausgegangenen Anstrengungen unverhältnismäßige, sich durch Schlaf oder Erholung nicht ausreichend bessernde subjektive Erschöpfung auf somatischer, kognitiver und/oder psychischer Ebene“. Das Tückische: Gute und schlechte Phasen wechseln sich ab.

Die Menschen müssen lernen, sich in guten Phasen nicht zu überlasten. Dafür braucht es die Einbeziehung des sozialen Umfelds. Ein detailliertes Symptomtagebuch führt oft dazu, dass sich Betroffene zu sehr auf Symptome fokussieren. Sinnvoll ist laut Frommhold eher die tägliche Bestandsaufnahme des Befindens und der körperlichen und geistigen Aktivität, das sogenannte Pacing.

Arzneimittel gegen Long-COVID

Mit Pacing kann man einen drohenden Einbruch frühzeitig erkennen und intervenieren, zum Beispiel mit niedrig dosiertem Prednisolon über einige Tage. Bei Fatigue ist bekannt, dass Betroffene oft erniedrigte Cortisolspiegel aufweisen.

Auch andere Therapieansätze kommen in Frage, wie das Neuroleptikum Aripiprazol bei kognitiven Einschränkungen oder das indirekte Parasympathomimetikum Pyridostigmin bei muskulären Beschwerden.

Begleitet werden sollte die Behandlung mit manueller Therapie, Physiotherapie, Osteopathie oder Kryotherapie. Auch Apps wie Fimo Health können unterstützen.

Symptome im Vordergrund

Bei chronischen Schmerzen sind Schmerzmittel meist wenig wirksam, sagt Frommhold. Manchmal wirke Metamizol, von Opioiden rät sie ab. Pregabalin oder bei starken Kopfschmerzen Amitryptylin oder eine Prednisolon-Stoßtherapie sind weitere Möglichkeiten.

Schlafstörungen lassen sich oft mit Schlafhygiene, Entspannungsübungen und Phytopharmaka lindern. Wenn das nicht ausreicht, rät Frommhold zu Melatonin oder Antihistaminika.

Kardiale Symptome von Long-COVID behandelt sie je nach Art mit Candesartan, Statinen (die einer Neuroinflammation entgegenwirken), nichtsteroidalen Antirheumatika oder Colchicin.

Atemprobleme werden multifaktoriell angegangen mit Logopädie, Yoga oder Atemübungen aus der Asthmatherapie.

Ginkgo hilft bei Neigung zu Mikroembolien. Alternativen sind ASS, Heparinspritzen oder andere Gerinnungshemmer.

Von Nahrungsergänzungsmitteln rät die erfahrene Ärztin ab. Es gebe viel Schindluder auf dem Markt. Probiotika machen aus ihrer Sicht als einziges Sinn, alles andere, auch teure Selbstzahlertherapien, „eher nicht“.

Unklare Auslöser

Die Ursachen für Long-COVID kennt man noch nicht genau. Eine Hypothese ist, dass entzündliche Reaktionen im Körper zurückbleiben, nachdem die Infektion überstanden ist. Auch eine individuelle Disposition, die durch das Virus getriggert wird, könnte dahinterstecken.

Mittlerweile ist die Problematik in den Fokus der Wissenschaft gerückt, allerdings gibt es bisher wenig belastbare Ergebnisse. Viele Patienten, vor allem junge Frauen, so Frommhold, würden oft nicht ernst genommen und bekämen schnell den Stempel „psychosomatisch“. Professor Frommhold weiß, es gibt „so viele Menschen, die Hilfe brauchen. Da können wir nicht auf Studienergebnisse warten. Wenn wir sie damit allein lassen, versuchen sie eine Eigentherapie.“ Ihr Institut berät Betroffene und plant Zusammenarbeiten mit Universitäten, um Long-COVID besser zu verstehen.

Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/mit-welchen-medikamenten-behandelt-man-long-covid-143911/
https://institutlongcovid.de/
https://www.who.int/news-room/questions-and-answers/item/coronavirus-disease-(covid-19)-post-covid-19-condition
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Long-COVID/Inhalt-gesamt.html
https://register.awmf.org/assets/guidelines/020-027l_S1_Post_COVID_Long_COVID_2022-08.pdf

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