Stäbchenbakterien stark vergrößert
Die neu beschriebene Bakteriengattung bietet einen Fundus an spannenden biochemischen Reaktionen. © ClaudioVentrella / iStock / Getty Images Plus

Biotechnologie | Mikrobiologie

BAKTERIEN ALS ABBAUEXPERTEN

Eine neue Bakteriengattung wurde beschrieben – und sie scheinen äußerst interessant zu sein. Ihr „Talent“: Sie bauen aromatische Verbindungen wie Toluol oder Ethylbenzol ohne Sauerstoffbeteiligung ab.

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

Die neue Gattung trägt daher auch den wohlklingenden Namen Aromatoleum und umfasst aktuell dreizehn Bakterienarten. Sogar einige Vertreter, die bislang zu anderen Gattungen gerechnet worden sind, zum Beispiel zur Gattung Azoarcus. Letztere leben aber bevorzugt an Wurzeln von Pflanzen und bauen Schadstoffe aerob ab. Im Gegensatz zu den Mitgliedern der Aromatoleum, diese findet man in sauerstofffreien Bodenschichten und Gewässersedimenten. Eine Untersuchung des genetischen Materials bewies die Umgruppierung. Ansonsten zeigen sich die meisten Vertreter als bewegliche Stäbchen, die ohne Sauerstoff Benzolringe knacken können – häufige Inhaltsstoffe in Lösungsmitteln, Lacken oder Zigarettenrauch und leider (umwelt)giftig. „Der aromatische Ring ist chemisch sehr stabil. Daher dachte man noch vor wenigen Jahrzehnten, dass Mikroben ohne Sauerstoff überhaupt nicht in der Lage wären, solche Moleküle abzubauen“, berichtet Prof. Dr. Ralf Rabus von der Universität Oldenburg. Er und sein Team stellten die Mikroben vor kurzem vor.

In einer im Januar publizierten Studie präsentierten Prof. Rabus und seine Kollegen Prof. Dr. Jens Christoffers vom Institut für Chemie und Prof. Dr. Heinz Wilkes vom Institut für Chemie und Biologie des Meeres die einzigartigen Stoffwechselwege der Mikroben. In aufwendigen Untersuchungen klärten sie Zwischenschritte, beteiligte Gene, Enzyme und Produkte auf. Dabei fiel ihnen eine Fähigkeit der Stäbchen besonders ins Auge: Die Fähigkeit, von bestimmten Verbindungen spezifisch nur eine von mehreren möglichen Strukturvarianten zu produzieren, je nach deren Bedarf. Ein interessanter Ansatzpunkt für weitere biotechnologische Untersuchungen. In einer weiteren Studie konnten die Forscher die Spezifität der Mikroben zeigen, also ab wann die Bakterien eine organische Substanz in ihrer Umwelt wahrnehmen können. Dabei kann man sich einen aufgelösten Zuckerwürfel in einem Olympiabecken vorstellen – ein möglicher Ansatzpunkt für sensible Biosensoren? „Unsere Studie zeigt außerdem, unter welchen Bedingungen bestimmte Mikroben überhaupt lebensfähig sind – beziehungsweise, bis zu welcher Konzentration organische Verbindungen noch abbaubar sind“, so Rabus.

Bei den Mikroben kommt der Mikrobiologe richtig ins Schwärmen: „Diese Gruppe von Bakterien ist wie eine Schatztruhe für neue biochemische Reaktionen, die bei der Sanierung belasteter Böden helfen könnten. Aber sie sind auch für Grundlagenforschung und Biotechnologie interessant“. Bei der Entdeckung und Beschreibung griffen Biodiversität und Biochemie eng ineinander – ein gutes Beispiel für ein enges Zusammenarbeiten der Forschungsdisziplinen und was das manchmal hervorbringen kann.

Farina Haase,
Apothekerin, Volontärin

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft

×