Ein LDL-Zielwertunter 70 mg/dl ist nach einem Schlaganfall von Vorteil. © Elen11 / iStock / Getty Images Plus

Schlaganfall | Studie

WENIGER FOLGESCHLAGANFÄLLE DURCH LDL-WERT-SENKUNG

In Deutschland erleiden rund 270 000 Menschen im Jahr einen Schlaganfall. Etwa 200 von ihnen sind das erste Mal betroffen. Eine Senkung des LDL-Cholesterin-Wertes könnte laut einer Studie nun für weniger Folgeschlaganfälle sorgen.

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

„Fast jeder fünfte Schlaganfallpatient muss innerhalb der nächsten fünf Jahre mit einem Folgeschlaganfall rechnen“, so Professor Dr. Hans-Christoph Diener aus Essen, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). „Es ist also wichtig, alles zu tun, um das Rezidivrisiko dieser Patienten zu senken.“

Damit es nach einem ersten Schlaganfall nicht zu einem weiteren kommt, erhalten Betroffene normalerweise ein Mittel gegen Bluthochdruck, Antikoagulanzien und Medikamente, um die Blutfettwerte zu senken. Eine Empfehlung für alle Patienten liegt bei der Lipidsenkung gemäß der S3-Leitlinie „Sekundärprophylaxe ischämischer Schlaganfall und transitorische ischämische Attacke (TIA) vor. Nach einem Schlaganfall wird derzeit ein LDL-Cholesterinwert unter 100mg/dl (> 2,6 mmol/l) als Ziel ausgegeben.

Eine neue Studie, die vor kurzem veröffentlicht wurde, zeigt nun, dass Betroffene mit einem ischämischen Schlaganfall davon profitieren, wenn sie einen LDL-Wert unter 70 mg/dl erreichen: „Im Vergleich zu der Studiengruppe, deren LDL-Werte auf 90 bis 110 mg/dl gesenkt wurde, wiesen die Patienten der ›Niedrig-Cholesterin-Gruppe‹ ein signifikant geringeres Risiko für nachfolgende kardiovaskuläre Ereignisse auf“, erklärt die Deutsche Gesellschaft für Neurologie die Ergebnisse in einer Pressemitteilung.

Folglich kommt es somit zu weniger Herzinfarkten und somit insgesamt zu weniger Todesfällen aufgrund von kardiovaskulären Ereignissen. Bei den Probanden der Niedrig-Cholesterin-Gruppe lag die Ereignisrate bei 8,5 Prozent, bei den Patienten mit einem LDL-Wert zwischen 90 und 100 mg/dl war der Wert höher und lag bei 10,9 Prozent. Demnach würde man jeden fünften Folgeschlaganfall verhindern können.

Bei mehr als 2800 Probanden der Studie lag der durchschnittliche Anfangswert des LDL-Cholesterins bei 135 mg/dl. Die gesamten Teilnehmer erhielten zur LDL-Senkung ein Statin. Jeder dritte Proband der Niedrig-Cholesterin-Gruppe bekam darüber hinaus noch den Cholesterol-Resorptionshemmer Ezetimib.

„Welche LDL-Spiegel ideal sind, muss aber noch weiter untersucht werden“, erklärt die DGN. Es konnte zwar festgestellt werden, dass sich das Schlaganfallrisiko senkt. Allerdings erhöht sich wiederum das Risiko für Hirnblutungen. Wirft man einen Blick in die beiden Probandengruppen, so war dies bei denjenigen der Niedrig-Cholesterin-Gruppe numerisch erhöht (18 versus 13 Fälle in der Vergleichsgruppe). Eine solche Erhöhung ist aber laut den Wissenschaftlern nicht signifikant. Dennoch herrscht Skepsis unter den Fachleuten.

„Dass das Hirnblutungsrisiko unter der LDL-C-Senkung ansteigt, haben wir auch schon in anderen Studien gesehen“, erklärt DGN-Generalsekretär Prof. Dr. Peter Berlit. „Wir können uns daher nicht unreflektiert der ›the lower, the better‹-Devise anschließen. Während beispielsweise die ESC/EAS-Fettstoffwechsel-Leitlinien bei Hochrisikopatienten mit Lipidstörungen sowohl zur Primär- als auch zur Sekundärprävention Werte <55 mg/dl empfehlen, muss bedacht werden, dass eine solche radikale Senkung das Risiko für Hirnblutungen erhöhen kann und daher nicht einfach auf Schlaganfallpatienten übertragbar ist.“

In der aktuellen S3-Leitlinie steht bislang eine Empfehlung von 100 mg/dl zur Sekundärprophylaxe von Schlaganfällen, die die DGN gemeinsam mit der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft verantwortet. „Eine Absenkung dieses Wertes auf 70 mg/dl ist vermutlich sinnvoll“, so Berlit.

Es haben sich allerdings auch einige Schwächen bei der Studie gezeigt, die von der Fachgesellschaft noch einmal genannt wurden. Beispielsweise sollte die Studie so lange andauern, bis 385 primäre Endpunkte im Sinne kardiovaskulärer Ereignisse erreicht worden sind. Nun war es allerdings so, dass der Sponsor der Studie diese aus Kostengründen bereits nach 277 erreichten Endpunkten abgebrochen hat. „Eine weitere Schwäche war, dass sie mit nur etwa 200 TIA-Patienten in jedem Studienarm entsprechend wenig Aussagekraft für diese Patientengruppe hat“, erklärt Diener. Weitere Studien sind demnach erforderlich.

Nadine Hofmann,
Leitung Online-Redaktion

Quelle: Pharmazeutische Zeitung


Originaloublikation: DOI: 10.1056/NEJMoa1910355

×