Auf einem dunklen Holzschreibtisch liegt ein aufgeschlagenes, dickes Buch. Darum herum stehen ein Kupferkessel, einige Glasphiolen, ein Totenschädel und historische Instrumente.
Früher war vieles anders als heute – auch in Medizin und Pharmazie. © Studio-Annika / iStock / Getty Images Plus

Medizingeschichten

31. DEZEMBER: HAPPY BIRTHDAY, CORONA

Silvester 2019 war ein ganz besonderes: Während die deutsche Tagesschau in ihrer 20-Uhr-Ausgabe die Vorbereitung zur großen Fete mit Feuerwerk und Böllern am Brandenburger Tor zeigt, meldet die chinesische Regierung offiziell den Ausbruch einer neuartigen Lungenentzündung, ausgehend von der Stadt Wuhan. Am 1. Dezember war es dort zu einem ersten Krankheitsfall gekommen.

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Der Tagesschau ist das nicht mal eine Erwähnung wert. Es habe einen Angriff auf die US-Botschaft in Bagdad gegeben, berichtet sie. Und der Schauspieler Jan Fedder sei gestorben. Bundeskanzlerin Angela Merkel rufe in der nachfolgenden Silvesteransprache zu mehr Optimismus auf. Nach zehn Minuten ist sie zu Ende, die Nachrichtensendung mit den höchsten Einschaltquoten hierzulande. Erst am 6. Januar verfasst ein Reporter aus dem ARD Studio Shanghai einen Artikel mit der Überschrift: „Rätselhafte Lungenkrankheit in China“. Die Behörden seien aufgeschreckt, die Weltgesundheitsorganisation alarmiert: „Wie gefährlich die Krankheit ist, ist noch unklar“. Immerhin 16 Verdachtsfälle seien bisher gemeldet.

Das diesem Zeitpunkt vorherrschende Thema ist jedoch – na, wissen Sie’s noch? Der Rückzug von Prinz Harry und Meghan aus den nervigen Familienbanden der Royals. Das wird rauf und runter dekliniert, man kann da keine Rücksicht nehmen auf ein kleines Virus, von dem man zunächst auch noch annimmt, dass es sich nicht oder nur sehr schwer unter Menschen verbreitet. China ist ja auch so weit weg. Am 20. Januar bringen dann die Tagesthemen nach den täglichen Shocking News aus der englischen Adelswelt die Meldung „Mensch-zu-Mensch-Infektion bestätigt“. Und in der Tagesschau spricht Jens Riewa den Satz: „Neuartiges Coronavirus breitet sich in China überraschend schnell aus.“

Schneller als gedacht
Wie schnell, das wird allen Zuschauern ganz fix klar. Denn was an diesem Tag noch in China vermutet wurde, war bereits in Deutschland angekommen. Ein Mitarbeiter des bayrischen Autozulieferers Webasto ist am gleichen Tag auf einer firmeninternen Schulung von einer Kollegin aus Shanghai angesteckt worden. Bis er eine Woche später ins Krankenhaus kommt, hat er das Virus bereits an 13 Kollegen weitergegeben. Noch am 27. Januar bekräftigt der hessische Sozial- und Integrationsminister Kai Klose: Aktuell gebe es keine Hinweise auf eine Ansteckungsgefahr in Deutschland. Zu früh gefreut: Am nächsten Tag, dem 28., vermeldet Susanne Daubner um Punkt 20 Uhr den ersten Coronavirus-Fall in Deutschland, bei Webasto.

Am 11. Februar tauft die WHO die Krankheit, die das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 verbreitet, auf den Namen COVID-19. Am 11. März erklärt die Organisation die Epidemie zur Pandemie. Das „Coronavirus“, wie es umgangssprachlich nach wie vor genannt wird, ist eng mit dem ersten SARS-Erreger verwandt, der bereits 2003 in China ausbrach. Damals entwickelte ein junger Virologe als Nachweismethode einen einfachen Schnelltest. Der Name des Wissenschaftlers: Christian Drosten. Und der macht jetzt Furore. In verständlicher Sprache erklärt er der Welt Zahlen, Daten und Fakten rund um das Virus. Der Podcast, den der NDR mit ihm sendet, erhält sogar den Grimme-Preis.

Auf der ganzen Welt bricht eine fieberhafte Suche nach einem Impfstoff gegen Covid-19 aus. Jetzt, ein Jahr später sind wir weiter: Die ersten Wirkstoffe sind zugelassen, weltweite Massenimpfungen können beginnen.

Die vorherige Medizingeschichte finden Sie hier.

Alexandra Regner,
PTA und Medizinjournalistin

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