Mikrobiom
PTA-Fortbildung

Mensch und Mikrobiom – eine innige Beziehung

Auf jede menschliche Zelle in unserem Körper kommt aktuellen Schätzungen zufolge mindestens eine Bakterienzelle. Diese besondere Beziehung geht weit über Wirt und Bewohner hinaus – Mikroben beeinflussen unsere Stimmung, Verdauung und unseren Gesundheitszustand.

16 Minuten

Fokus Darm und Ernährung

Hat sich das Kernmikrobiom entwickelt, bedeutet dies nicht, dass sich die Zusammensetzung nicht verändern kann. Je nach Umweltbedingungen unterliegt sie Schwankungen, zum Beispiel, wenn man von der Stadt aufs Land zieht, neue Medikamente einnimmt, sich plötzlich strikt vegan ernährt oder von Tag- auf Schichtdienst wechselt.

Denn auch das Mikrobiom unterliegt dem zirkadianen Rhythmus, beispielsweise hinsichtlich der metabolischen Aktivität. Wobei bei allen Einflüssen gesagt sei: Ein und die gleiche Mikrobenart kann bei zwei Menschen auch unterschiedliche Aufgaben innehaben. Die Vertreter sind sogar in der Lage via Gentransfer ihre Fähigkeiten bei Bedarf untereinander auszutauschen. 

Über das Darmmikrobiom wurden bislang die meisten Daten gesammelt. Unabhängig von Alter, Geschlecht, Nationalität und Body-Mass-Index lassen sich im Darm drei sogenannte Enterotypen (ET) unterscheiden:

  • ET 1: vor allem Bacteroides
  • ET 2: vor allem Prevotella-Bakterien
  • ET 3: vor allem Ruminococcus-Bakterien

Bacteroides haben eine Art Statthalterfunktion im Colon inne. Das bedeutet, ihre Aufgabe liegt hauptsächlich darin zu verhindern, dass sich pathogene Erreger ausbreiten. Sie bauen komplexe Kohlenhydrate und (tierisches) Eiweiß ab, synthetisieren verschiedene B-Vitamine, Ascorbinsäure, Butyrat und Glucuronidasen – letztere unterstützen die Leber bei der Elimination körpereigener Substanzen. Man findet sie vor allem bei Menschen mit (hohem) Fleischkonsum. Dringen Bacteroides nach Schleimhautläsionen in tiefere Gewebeschichten ein, können sie zu Infektionen führen. Doch hauptsächlich führt ihre Abwesenheit zu Problemen.

Prevotellen finden sich vor allem bei Menschen, die sich vegetarisch und kohlenhydratbasiert ernähren. Man findet sie aber auch als Bestandteil des physiologischen Mikrobioms von Vagina und Mundhöhle, wo einige Vertreter auch Leitkeime von Infektionen darstellen können. Sie bilden Folsäure und Vitamin B1. Ruminococcen bauen Zucker, Alkohole und Muzine ab und produzieren kurzkettige Fettsäuren, welche die Epithelzellen der Darmschleimhaut ernähren. Vertreter dieser Gattung sind sogar in der Lage, Cellulose zu spalten, weshalb man sie auch in den Pansen von Kühen findet.

Was sich ein vielfältiges, eubiotisches Mikrobiom wünscht

+ eine ausgewogene, mediterran ausgerichtete Kost
+ ballaststoffreiche Lebensmittel wie Gemüse, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte und Obst
+ milchsaure Lebensmittel wie Joghurt, Buttermilch, Kimchi oder Sauerkraut
+ einen bunten Teller, also viel buntes Gemüse, Obst und Kräuter, denn diese sind reich an Polyphenolen
+ lieber öfter Fisch als zu viel Fleisch auf dem Tisch, lieber pflanzliches Öl als Butter dass Süßigkeiten (Einfachzucker) nur einen kleinen Teil des täglichen Speiseplans einnehmen

Die gemeinsame Betrachtung von Ernährungsform und Enterotyp zeigt, dass sich die Zusammensetzung des Darmmikrobioms maßgeblich durch die Ernährung beeinflussen lässt. Und das mit hoher Wahrscheinlichkeit schneller, als man bislang glaubte.

Ein Pilotprojekt konnte beispielsweise zeigen, dass sich bei vorwiegend tierisch basierter Diät innerhalb eines Tages die qualitative wie quantitative mikrobielle Zusammensetzung der Probanden änderte – mit all seinen möglichen gesundheitlichen Konsequenzen. So änderte sich auch das fäkale Gallensäureprofil und wies Marker auf, die mit der Entstehung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen oder Leberkrebs in Verbindung gebracht werden.

Dennoch: Wer sich langfristige (positive) Auswirkungen auf sein Mikrobiom wünscht, also auch die Gen- und Stoffwechselaktivität nachhaltig beeinflussen möchte, braucht eine dauerhafte Ernährungsveränderung. Was kann man also empfehlen? Ernährungsempfehlungen speziell für das Mikrobiom gibt es zwar keine, doch fördert man mit einer mediterranen, ballaststoffreichen Kost die Vielfalt der mikrobiellen Darmbewohner und damit ein eubiotisches, widerstandsfähiges Mikrobiom.

Vor allem die für unseren Stoffwechsel unzugänglichen löslichen und unlöslichen Ballaststoffe stellen eine wichtige Nahrungsquelle für eine Vielzahl nützlicher Darmmikroben dar. Da sie in unserer westlichen Ernährungsform immer weiter in den Hintergrund rücken, nimmt auch die Diversität unseres Mikrobioms zusehends ab.

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