Phytotherapie
PTA-Fortbildung

Geballte Pflanzenkraft

Phytopharmaka sind nicht nur traditionell beliebt, sie sind auch sehr effektiv und stellen häufig eine wirkungsvolle Therapiealternative oder Ergänzung zu synthetischen Arzneimitteln dar.

17 Minuten

Wahl der Rohstoffe
Das Ausgangsmaterial für die Herstellung von Pflanzenzubereitungen kann die frische Pflanze sein, die direkt zum Presssaft oder Ölmazerat weiterverarbeitet wird. Häufiger als die Frischpflanze wird aber die getrocknete Pflanze, die Arzneidroge, als Ausgangsbasis verwendet. Da bei vielen Arzneipflanzen die wirksamen Inhaltsstoffe nicht gleichmäßig in der ganzen Pflanze verteilt sind, kommt in der Regel nur ein bestimmter Pflanzenteil zum Einsatz. Dieser variiert bei den Arzneipflanzen. So bilden beispielsweise bei der Birke die Blätter den Rohstoff, beim Baldrian ist es die Wurzel. Es ist auch möglich, dass von einer Pflanze mehrere Teile angewendet werden, da sie sich aufgrund ihres unterschiedlichen Spektrums an Inhaltstoffen für verschiedene Indikationen eignen. Beispielsweise werden von der Brennnessel neben den Blättern, die der Durchspülung bei entzündlichen Erkrankungen der ableitenden Harnwege dienen, auch die Wurzeln zur symptomatischen Behandlung von Miktionsbeschwerden im Zusammenhang mit Benigner Prostatahyperplasie (BPH) gebraucht.

Extrakt-Herstellung
Während Arzneipflanzen früher fast ausschließlich als Tee oder Tinktur zur Anwendung kamen, werden sie heute zu einer Vielzahl von Extrakten verarbeitet. Die Extraktion erfolgt nach diversen technischen Verfahren (z. B. Aufguss, Abkochung, Kaltauszug, Mazeration, Perkolation) mit unterschiedlichen Extraktionsmitteln (z. B. Wasser, verschiedene Alkohole, Ether, Aceton und Gemische daraus). Die Herstellungsvorschriften für die wichtigsten Extraktionsverfahren finden sich im Deutschen (DAB) beziehungsweise im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.). Je nach Art des Verfahrens und des Extraktionsmittels werden aus derselben Arzneipflanze unterschiedliche Extrakte (z. B. Dickextrakte, Trockenextrakte, Fluidextrakte/ Tinkturen) mit teils sehr unterschiedlichen Eigenschaften und Wirkungen gewonnen. Die Extrakte dienen anschließend der Produktion pflanzlicher Arzneimittel. Sie können dafür in verschiedene Applikationsformen weiterverarbeitet werden. Trockenextrakte sind beispielsweise wichtiger Ausgangsstoff für die Herstellung von Tabletten, Dragees und Kapseln.

Phytopharmaka sind stets Vielstoffgemische. Grundsätzlich stellt der pflanzliche Extrakt in seiner Gesamtheit den Wirkstoff pflanzlicher Arzneimittel dar.

Vielstoffgemische
Das Extraktionsmittel hat einen entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis. Wird beispielsweise Wasser eingesetzt, finden sich im Extrakt vor allem gut wasserlösliche Inhaltsstoffe. Mit Ethanol-Wasser-Mischungen werden auch lipophile Substanzen extrahiert, wobei umso mehr lipophile Inhaltsstoffe herausgelöst werden, je höher der Ethanolgehalt ist. Das Extraktionsmittel bestimmt also das Spektrum der Inhaltstoffe, wobei es sich bei einem Extrakt immer um ein komplex zusammengesetztes Vielstoffgemisch handelt. Die Vielzahl von Inhaltsstoffen bestimmt gemeinsam die Wirksamkeit des Extraktes. Daher stellt auch der Extrakt in seiner Gesamtheit den Wirkstoff dar. Selten ist nur ein Inhaltsstoff für die Wirksamkeit verantwortlich. Vielmehr sind an der Wirksamkeit mehrere Bestandteile beteiligt. Begleitstoffe können beispielsweise die Löslichkeit oder das Freisetzungs- und Resorptionsverhalten beeinflussen. Teilweise können auch mehrere Inhaltsstoffe zusammen eine stärkere Wirkung als die Summe der Wirkungen aller Einzelbestandteile erzielen.

Einzelstücke
Gleichzeitig sind Extrakte einzigartige Unikate. Auch wenn das gleiche Pflanzenmaterial als Rohstoff dient, resultieren abhängig vom Herstellungsverfahren unterschiedliche Extrakte. Daher sind beispielsweise die verschiedenen Cimicifuga-Präparate unterschiedlicher Hersteller nicht identisch. Zwar wird als Arzneidroge jedes Mal das getrocknete, nach der Fruchtreife gesammelte und zerschnittene Rhizom der Traubensilberkerze (Actaea racemosa, Synonym: Cimicifuga racemosa L.) verwendet, das Extraktionsmittel ist jedoch ein anderes. Es existieren Präparate mit ethanolischen Auszugsmitteln sowie isopropanolisch ausgezogene Extrakte. Da aber die Art und Konzentration des Auszugsmittels in ganz besonderem Maße bestimmt, welche Inhaltsstoffe in welcher Konzentration in den Extrakt übergehen, weichen die Ergebnisse der Extraktherstellung voneinander ab. Somit zeichnen sich die verschiedenen Cimicifuga-Präparate beziehungsweise -Extrakte durch ein unterschiedliches Spektrum an Wirkstoffen aus. Da jeder der Extrakte einmalig in seiner Zusammensetzung ist, spricht man auch von Spezialextrakten. Damit sind auch Aussagen zur Wirksamkeit nicht von einem Präparat auf das andere zu übertragen. Vorgelegte Daten sind immer extraktspezifisch, das heißt sie beziehen sich nur auf den untersuchten Spezialextrakt. Aus dem gleichen Grund sind auch pflanzliche Arzneimittel, selbst wenn sie die gleiche Ausgangspflanze in derselben Konzentration beinhalten, nicht automatisch miteinander austauschbar.

Extraktqualität
Die Art und Konzentration des Extraktionsmittels muss auf jeder Packung eines Phytopharmakons deklariert sein. Zudem ist das Droge- Extrakt-Verhältnis (DEV) angegeben. Als DEV wird das Verhältnis von Menge der eingesetzten Droge zur Menge des erhaltenen Extraktes bezeichnet. Die Angabe erfolgt in seiner natürlichen Schwankungsbreite als Spanne mit Minimal- und Maximalwert. Ein DEV von 3-6:1 bedeutet beispielsweise, dass aus drei bis sechs Teilen Droge ein Teil Extrakt hergestellt wird. Somit entsprechen 100 Milligramm Extrakt 300 bis 600 Milligramm Droge. Der DEV ist ein Kriterium für die Beschreibung der Extraktqualität. Je enger die Spannbreite ist, desto stärker legt sich der Hersteller auf eine einheitliche Drogenqualität fest und je niedriger der Wert ist, desto ergiebiger ist die Droge. Da der DEV vom Extraktionsmittel abhängt, lässt sich der DEV verschiedener Präparate nur vergleichen, wenn das gleiche Extraktionsmittel eingesetzt wurde. Mit dem DEV lässt sich auch überprüfen, ob die deklarierte Tagesdosis auch der in der Monographie E für die Droge angegebenen Tagesdosis entspricht. Enthält beispielsweise ein Dragee 440 Milligramm Baldrianwurzel-Trockenextrakt mit einem DEV von 6 bis 7,4:1 entspricht dies der empfohlenen Tagesdosis von 2 bis 3 Gramm, welche die Monographie der Kommission E fordert. Zur Erläuterung: Zu dem Ergebnis kommt man rechnerisch durch Multiplikation von 440 Milligramm x 6,7 (Mittel aus 6 bis 7,4), woraus sich 2948 Milligramm Droge ergibt.

WEITERFÜHRENDE LITERATUR
Die Phytotherapie gehört zu den altbewährten Naturheilverfahren. Aber zu den Naturheilverfahren zählen noch viele weitere medizinische Heilmethoden. Neben den inzwischen in die konventionelle Medizin integrierten und damit etablierten klassischen Verfahren existieren viele weitere weniger bekannte. Eine gute Übersicht über die Vielzahl unterschiedlicher Naturheilverfahren gibt der Leitfaden Naturheilkunde von Volker Schmiedel und Matthias Augustin (Hrsg.), 7. Auflage 2017, ISBN 978-3-437-55144-4. Neben der Vorstellung von 60 diagnostischen und therapeutischen Verfahren inklusive naturheilkundlicher Therapieempfehlungen zu wichtigen Krankheitsbildern, finden sich darin Präparatelisten zu den wichtigsten Phytotherapeutika, naturheilkundliche Notfall- und Erste-Hilfe-Maßnahmen und online abrufbar: Umweltmedizin und ein Homöopathisches Tabellarium mit 150 praxisrelevanten Mitteln.

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