Mariendistel © Werner Meidinger / iStock / Getty Images
© Werner Meidinger / iStock / Getty Images

Botanicals

ZUM SCHUTZ DER LEBER

Die Mariendistel hat eine lange Tradition bei der Behandlung von Lebererkrankungen. Noch heute sind ihre Früchte in Form standardisierter Präparate ein anerkanntes Lebertherapeutikum.

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Bereits in der Antike empfahlen der griechische Arzt Dioskurides und der römische Gelehrte Plinius die Mariendistel (Sylibum marianum, Syn. Carduus marianus) gegen Schlangenbisse beziehungsweise als Gallemittel. Später holten kräuterkundige Mönche Silybum marianum als Heilpflanze in die Klostergärten. Im frühen Mittelalters wurde sie gegen vielerlei Beschwerden eingesetzt (z. B. Blutsturz, Krämpfe, fliegende Hitze, Zahnschmerzen), galt aber auch schon als ein Heilmittel bei entzündeter und verstopfter Leber. Doch erkannte erst der Arzt Johann Gottfried Rademacher im 19. Jahrhundert ihre Bedeutung als Lebertherapeutikum.

Purpurrote Quasten Die Mariendistel ist eine ein- oder zweijährige Pflanze aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae), die bis zu 1,5 Meter (m) hoch werden kann. Ursprünglich ist sie im Mittelmeerraum beheimatet, wurde dann in viele Länder eingeschleppt. Auch bei uns ist sie gelegentlich verwildert anzutreffen, wobei sie sich vorzugsweise an sonnigen, warmen und gleichzeitig kargen Standorten ansiedelt. Ihre großen, buchtig gelappten, mit Stachelspitzen versehenen Blätter stehen wechselständig am unteren Teil der Stängel. Sie sind entlang der Nervatur charakteristisch weißlich gefleckt und marmoriert. Der Legende nach verdanken die Blätter ihre weißen Streifen der Milch der Jungfrau Maria, die heruntertropfte, als die Gottesmutter das Jesuskind stillte.

Auch der deutsche Name Mariendistel sowie der Artname marianum gehen auf Maria zurück (von lat. marianus = Marien-). Der Gattungsname leitet sich von griech. silibon = Quaste ab und nimmt damit auf die Blütenform Bezug, die einer Quaste ähnelt. Von Juni bis August stehen an den Spitzen der geraden Stängel kugelförmige, etwa sechs Zentimeter große Blütenköpfe, die nur aus purpurroten Röhrenblüten bestehen. Die Hüllblätter sind zu kräftigen, stechenden Dornen ausgebildet. Aus den Körbchenblüten entwickeln sich kleine (sechs bis acht Millimeter lange, drei Millimeter breite), harte, braun-fleckige Früchte (Achänen), die als Flugorgan an ihrer Spitze einen glänzend weißen Pappus tragen.

Wirksame Früchte Arzneilich werden die vom Pappus befreiten reifen Früchte verwendet (Silibi marianae fructus). Sie stammen ausschließlich aus Kulturen, die sich teilweise in Norddeutschland befinden, vorwiegend werden sie aber aus Argentinien, China, Rumänien und Ungarn importiert. Die Früchte enthalten Silymarin (bis zu drei Prozent), Flavone, pentazyklische Triterpene, fettes Öl (bestehend aus Fettsäuren wie Linol- und Ölsäure) und viel Eiweiß (circa 25 Prozent). Ihre Wirksamkeit bei der Behandlung von Lebererkrankungen verdanken die Früchte dem Silymarin, einem Wirkstoffkomplex aus Silibinin, Silidianin und Silicristin, drei miteinander isomerer Verbindungen, die zur Klasse der Flavonolignane zählen.

Silymarin beziehungsweise dessen Hauptwirkstoff Silibinin wirkt leberschützend, indem er die Zellmembran der Leberzellen stabilisiert, sodass giftige Stoffe nicht mehr so gut in die Zellen hineingelangen können. Zudem beschleunigt er die Proteinsynthese in der Leberzelle über eine Stimulation der Aktivität der RNA-Polymerase I im Zellkern. Damit regt er sowohl die Regeneration der Leberzellen nach einer Schädigung als auch die Neubildung von Hepatozyten an. Darüber hinaus reagiert Silymarin mit oxidierenden und reduzierenden Radikalen (Radikalfängerfunktion) und trägt damit zum antihepatotoxischen und hepatoprotektiven Effekt bei.

Bestachelte Pflanzen aus der Familie der Korbblütler (Asteracea) werden als Disteln bezeichnet.

Standardisierte Fertigpräparate Mariendistelfrüchte werden heute zur Prophylaxe von toxischen Leberschäden (z. B. durch Alkohol) sowie zur unterstützenden Behandlung bei chronisch-entzündlichen Lebererkrankungen und Leberzirrhose (z. B. aufgrund verschiedener Hepatitis-​Virus-Infektionen) eingesetzt. Diese Indikationen werden auch in den Monographien der Kommission E und der ESCOP für Mariendistel-Zubereitungen (nicht für die Droge!) genannt und sind damit medizinisch anerkannt. Dabei sollten standardisierte Fertigpräparate mit einem definierten Trockenextrakt aus Mariendistelfrüchten gewählt werden.

Nur diese können eine antihepatotoxische Wirksamkeit entfalten. Qualitativ hochwertige Präparate deklarieren das Drogen-Extrakt-Verhältnis (DEV), also die Menge der verwendeten Droge im Verhältnis zum Extrakt (DEV von 25-40:1 bis 60-70:1), und das lipophile Extraktionsmittel (Aceton, Ethylacetat oder Ethanol 96% V/V). Beide Angaben müssen im Beipackzettel stehen. Ebenso muss der Silymarin-Gehalt pro Einzeldosis genannt sein. Dieser wird als Silibinin berechnet. Als wirksam gelten Präparate, deren Tagesdosis 200 bis 420 Milligramm Silymarin beinhalten.

Spezial-Auszug als Notfallmedikament Eine Besonderheit ist der Einsatz spezieller Mariendistel-Zubereitungen (Ampullen) auf Intensivstationen. In Form von Infusionen kommt das wasserlösliche Derivat von Silibinin, Silibinin-C-2’, 3-bis (hydrogensuccinat), Dinatriumsalz, als Antidot bei lebensbedrohlichen Vergiftungen durch den Knollenblätterpilz zur Anwendung. Die Infusionen sollten so früh wie möglich beginnen. Da die Knollenblätterpilztoxine aufgrund des enterohepatischen Kreislaufs erst nach längerer Latenzzeit in die Leberzellen gelangen, kann der Zellmembranschutz des Silibinins schon vorher aufgebaut werden und die Aufnahme der Toxine in die Zelle verhindern.

Keine TeesDaneben eignet sich die Droge, also die Mariendistelfrüchte, laut Anwendungsgebiete der Monographie der Kommission E zur Behandlung dyspeptischer Beschwerden, das heißt bei Völle- und Druckgefühl im Oberbauch. Um ausreichende cholagoge und spasmolytische Effekte zu erzielen, sollten vornehmlich alkoholische Auszüge (Tinkturen) verwendet werden. Tee-Darreichungen sind nicht empfehlenswert, da der Silymarin-Komplex wenig wasserlöslich ist und damit nur in Spuren in einen Teeaufguss übergeht. Ist ein Tee ausdrücklich gewünscht, müssen die Früchte vor der Herstellung eines Aufgusses zerkleinert werden. Zudem ist die Herba-Droge im Handel. Mariendistelkraut wurde allerdings von der Kommission E aufgrund fehlender Wirksamkeitsnach- weise negativ monographiert. Eine therapeutische Verwendung ist daher nicht anzuraten.

Fazit Die Verwendung der Droge hat nicht die gleiche Wirksamkeit wie das aufkonzentrierte Silymaringemisch in Mariendistel-Zubereitungen. Ist ein Leberschutz gewünscht, sind also standardisierte Präparate mit einer wirksamen Silymarin-Tagesdosis von 200 bis 400 Milligramm zu empfehlen. Dies kann mit zugelassenen Fertigarzneimitteln gewährleistet werden, die in unterschiedlichen Dosierungen zur Verfügung stehen. Entsprechende Dosierempfehlungen sind zu beachten. Bei der Wahl eines Nahrungsergänzungsmittels gilt es zu überprüfen, ob sie den Qualitätsansprüchen genügen und somit überhaupt wirksame Wirkstoffdosen realisierbar sind.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 11/2020 ab Seite 104.

Gode Chlond, Apothekerin

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