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Homocystein

ZU VIEL IST GEFÄHRLICH

Arteriosklerose ist zur Volkskrankheit geworden. Umso wichtiger ist es, den Risikofaktoren vorzubeugen. Als einer davon gilt das Stoffwechselprodukt Homocystein, das normalerweise nur kurz im Körper verbleibt.

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Die ist die häufigste Todesursache in unserer westlichen Welt: die Arteriosklerose, umgangssprachlich auch „Arterienverkalkung“ genannt. Bei ihr setzen sich die Gefäße langsam zu. Durch diese „Plaques“ kann es zu Durchblutungsstörungen und zur Bildung von Thromben kommen, die zu Herzinfarkt oder Schlaganfall führen.

Unsere Wohlstandsgesellschaft hat dazu beigetragen, dass diese Krankheit immer mehr Menschen betrifft, denn Rauchen, Übergewicht, mangelnde Bewegung und extrem fettreiche Ernährung begünstigen das Entstehen der Arteriosklerose. Dass aber auch ein bestimmtes Stoffwechselprodukt zu den Risikofaktoren gehört, ist weniger bekannt.

Homocystein Bereits 1969 wurde beobachtet, dass Patienten mit dauerhaft erhöhten Plasmaspiegeln der Aminosäure Homocystein in sehr jungen Jahren überdurchschnittlich häufig schwere Herzerkrankungen erlitten. Seitdem ist Homocystein im Fokus der Wissenschaft und wurde als eigenständiger Risikofaktor für Arteriosklerose erkannt. Es ist ein giftiges Stoffwechselzwischenprodukt, aus dem der Körper je nach Bedarf die Aminosäuren Cystein oder Methionin bilden kann.

Die schwefelhaltige Aminosäure kann aber auch mit Spurenelementen wie Eisen und Kupfer reagieren, wodurch reaktive Sauerstoffspezies entstehen, die oxidativen Stress auslösen. Normalerweise verbleibt Homocystein aber zu kurz im Körper, um viele reaktive Sauerstoffspezies zu produzieren, denn mithilfe der Vitamine B6, B12 und Folsäure wird es sehr schnell weiter verstoffwechselt.

Ein gewisser Überschuss an Homocystein kann über die Leber abgebaut und über die Nieren ausgeschieden werden, allerdings entstehen dabei wieder toxische Zwischenprodukte. Menschen mit chronischer Niereninsuffizienz hingegen können das Homocystein nicht ausscheiden und entwickeln schnell eine Homocysteinurie. Diese kann auch angeboren sein, dann arbeiten durch einen erblichen Gendefekt bestimmte Enzyme, die Homocystein abbauen, nicht richtig.

Erhöhte Spiegel können zudem durch eine Schilddrüsenunterfunktion sowie durch Medikamente, wie manche Antiepileptika, Theophyllin, Entwässerungsmittel oder die Pille, verursacht werden. Ungesunde Lebensführung mit Nikotingenuss, Bewegungsmangel, Übergewicht und zu fettem Essen sowie ein Mangel der wichtigen Vitamine B6, B12 und Folsäure führen ebenfalls zu einem Überschuss.

Ab wann Risiko? Kann man den Homocysteinspiegel im normalen Bereich von 5 Mikromol pro Liter (μmol/l) halten, hat man einen Risikofaktor für Arteriosklerose ausgeschlossen. Im Alter liegen die Spiegel physiologisch etwas höher, sodass hier auch noch ein Wert von 8 μmol/ l vertretbar ist. Alles, was darüber hinausgeht, gilt als gefährlich. In Studien als Risikofaktor nachgewiesen ist Homocystein ab einer Plasmakonzentration von 15 μmol/l.

Da der Abbau von Homocystein ohne die Vitamine B12, B6 und Folsäure nicht möglich ist, muss bei zu hohen Werten unbedingt auf eine ausreichende Versorgung mit diesen Vitaminen geachtet werden. Hierfür empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung folgende Tagesdosen:

  • Vitamin B6: 1,8 mg für Männer sowie 1,6 mg für Frauen
  • Vitamin B12: 3 μg (manche Ärzte hingegen fordern 5 bis 15 μg)
  • Folsäure: 400 μg

Eine solche Supplementierung wird besonders für Menschen mit Schlaganfallrisiko empfohlen, da Studien gezeigt haben, dass sich dieses Risiko hierdurch um bis zu 25 Prozent verringert. Eine Senkung des Herzinfarktrisikos durch diese Vitamine konnte jedoch wissenschaftlich bisher nicht nachgewiesen werden.

Zwei Hypothesen Zur Entstehung der Arteriosklerose gibt es zwei Theorien, zum einen die „verletzungsbasierte“, zum anderen die „LDL-basierte“. Die erste Hypothese besagt, dass der Arteriosklerose eine direkte Schädigung der Gefäßinnenwand (Endothel) durch Verletzungen, Infektionen oder Gifte vorausgeht. Daraufhin bilden sich dort Wucherungen, an denen sich lipidbeladene Makrophagen (Schaumzellen) anreichern.

Die zweite Theorie hingegen geht davon aus, dass modifiziertes, oxidiertes LDL (Low density lipoprotein, „schlechtes Cholesterin“) das Endothel indirekt schädigt, da es die schützende Wirkung von Stickstoffmonoxid (NO) einschränkt, die ein gesundes Endothel bildet, um Ablagerungen zu verhindern. Ein erhöhter LDL-Wert schwächt somit die Abwehrfunktion des Endothels, wodurch sich Schaumzellen schnell und in großer Zahl dort ablagern können.

Dem Homocystein schreiben Forscher dabei zwei Funktionen zu: Zum einen zerstört es das Endothel der Arterien, sodass dort wie bei einer Verletzung Gerinnungsprozesse ausgelöst werden. Zum anderen sorgen die vom Homocystein-Metabolismus produzierten reaktiven Sauerstoffspezies für eine erhöhte LDL-Produktion. Somit wäre Homocystein nach beiden Theorien an der Entstehung der Arteriosklerose maßgeblich beteiligt.

Egal, welchen Ursprung die Arteriosklerose hat, letztlich ist ihr lebensgefährlicher Verlauf immer gleich. Durch die Schaumzellen entstehen an der Gefäßwand Entzündungen, die wiederum die tiefer liegenden Gefäßschichten verletzen. Diese Zellen versuchen sich zu schützen, indem sie um die Schaumzellen herum bindegewebsähnliche Strukturen ausbilden. Brechen diese „Plaques“ auf, entstehen Blutgerinnsel, die die Arterie weiter verengen. Diese Verengung oder aber eine Thrombose kann zu Herzinfarkten oder Schlaganfällen führen.

ZUSATZINFORMATIONEN

Rechtzeitig vorbeugen
Menschen, die durch chronische Krankheiten oder Medikamenteneinnahme ein höheres Risiko für eine Homocysteinurie haben, sollten ihre Werte regelmäßig abklären lassen. Patienten, bei denen eine Homocysteinurie aufgrund eines angeborenen Enzymdefekts vorliegt, sollten eine spezielle Diät einhalten, das heißt wenig tierisches Eiweiß, dafür mehr Fisch und pflanzliches Eiweiß. Wer keine solchen physiologischen Einschränkungen hat, kann diesen wichtigen Risikofaktor für Arteriosklerose durch eine gesunde Lebensweise ausschließen, also ohne Rauchen und übermäßigen Alkoholgenuss, dafür aber mit regelmäßiger Bewegung und ausgewogener Ernährung. Dabei gilt, je früher desto besser, denn umkehrbar ist die schleichende Gefäßverhärtung nur bis zu dem Zeitpunkt, an dem sich die Schaumzellen bilden. Danach kann man den Verlauf nur noch verlangsamen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/12 ab Seite 84.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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