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Bücher, von denen man spricht

ZU RISIKEN UND NEBENWIRKUNGEN …

Wir können sie nicht sehen und doch sind sie überall: Mikroben bevölkern unser Haus, fressen sich durch unsere Küche und nisten sich in der Matratze ein. Sie sind einfach zum Liebhaben, meint Buchautorin Susanne Thiel.

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Das mag sicherlich auch zum Teil daran liegen, dass die Verfasserin des Werkes „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Türklinke – Wie Mikroben unseren Alltag bestimmen“ von Beruf Mikrobiologin ist und sich wirklich gut auskennt. Es sind unsichtbare Welten, die sie beschreibt; von Wesen, die lange vor uns da waren, praktisch unzerstörbar sind und meist in friedlicher Koexistenz mit uns leben: Sie besiedeln unseren Darm, unsere Haut und das Sofa, sie verwandeln Schokopralinen in Kalorien und fressen nachts unsere Hautschüppchen. Oleispirea antarctica verspeiste die Ölreste der Bohrinsel „Deepwater Horizon“, Ideonella sakiensis mag Plastikflaschen und Micrococcus radiophilus ernährt sich von Plutonium und findet sich deshalb vorzugsweise in Abwassertanks von Kernreaktoren, wo er seine nützliche Arbeit verrichtet. Wir hätten also allen Grund, ihnen dankbar zu sein, den Mikroben!

Humorvoll, aber fundiert Es war wohl Zeit für dieses Buch, das über eine lange vernachlässigte Randgruppe von Fauna und Flora berichtet. Susanne Thiel, die auch Wissenschaftsjournalistin ist, hat sich dieses Themas mit einer Menge Humor angenommen. Während sich manche Zeitgenossen vor Ekel schütteln, wenn von Bakterien, Archaeen, Pilzen, Protisten und Viren die Rede ist, bricht sie eine Lanze für deren Nützlichkeit. Ihren schlechten Ruf verdanken sie der Tatsache, dass der erste nachgewiesene Erreger kein besonders menschenfreundlicher war: Der Tuberkulose-Erreger, den Robert Koch unter seinem Mikroskop fand, beförderte die Erkrankten nach langem Siechtum ins Jenseits und war mit den damaligen Medikamenten nicht zu behandeln. Legionellen und Sal- monellen trugen auch nicht dazu bei, dass der Stamm der Mikroben populärer wurde. Auch deshalb lebt eine ganze Industrie davon: Sie produziert eine Batterie von Desinfektionsmitteln, die für ein keimfreies Heim sorgen soll, alles für die Gesundheit. Doch genau das ist ganz falsch, mahnt Susanne Thiel. Im Gegenteil, unser Immunsystem muss von Anfang an trainieren, damit es später einmal Wichtig von Unwichtig unterscheiden kann: „Denn fehlen Infekte, beginnt es sich zu langweilen und attackiert aus Jux und Tollerei harmlose Passanten.“ Sprich: Es wird der Birkenpollen zum Feind und das Hundefell ebenfalls. „Es ist kein Mythos, dass Kinder, die früh mit Keimen in Kontakt kommen, weniger anfällig für Allergien sind – sie werden dadurch sozusagen abgehärtet.“

Susanne Thiele: „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Türklinke
– Wie Mikroben unseren Alltag bestimmen“
 Heyne, 272 Seiten,
 ISBN 978-3-453-60487-2,
 Euro 12,99

Die Mikrobe im Eigenheim Thiel nimmt den Leser mit zu einem Rundgang durchs Haus, durchschreitet Flur, Küche, Wohn-, Bade- und Schlafzimmer, durchforstet die Kuscheltierecke im Kinderzimmer und schaut unter die Gummiknöpfe der Fernseh-Fernbedienung, die man nach der Lektüre des Buches wahrscheinlich sehr schnell mit einem Brillenputztuch abwischt. Der größte Mikrobenzoo lauert somit gar nicht auf der Klobrille und darunter, sondern im Spültuch und der Computertastatur – und natürlich auf dem Handy, wo sich eine stattliche Anzahl von Escherichia coli-Bakterien aufhält. (An die Damen: Auch im unteren Teil des Mascara laben sich mikroskopisch kleine Staphylokokken an der schwarzen Tunke, deshalb alle drei Monate lieber auswechseln!)

Und am Ende der 272 Seiten gibt uns die Autorin praktische Tipps: Wussten Sie zum Beispiel, dass Zimmerpflanzen, vor allem die Grünlilie, das Mikroben-Biom eklatant verbessern können – es zieht die guten an und vertreibt die schädlichen. Auch Haustiere sind ein entscheidender Faktor im Mikroklima unserer Häuser – paradoxerweise, indem sie Dreck hereintragen. Sie bringen damit die Natur zu uns, zum Beispiel Lactobacillus johnsonii und Bifidobakterium thermophilus. Die beiden Bakterienarten verringern das Risiko an Asthma, Neurodermitis und Heuschnupfen zu erkranken drastisch, vor allem wenn Kinder innerhalb ihres ersten Lebensjahres mit ihnen in Kontakt kommen. Natürlich sollen wir Oberflächen und Boden sauber halten, doch brauchen wir dazu keine Chemikalien, die der Desinfektion eines Operationssaales genügen würden.

Bio-Waffen der Zukunft Susanne Thiel wünscht sich nach der Lektüre ihres Buches „Mikroben-Gärtner“, die ihre winzigen nützlichen Mitbewohner hegen und pflegen – und sich vor den wenigen schwarzen Schafen besser schützen können. Wer weiß, vielleicht sind unsere Kinder einmal rechte Liebhaber dieser Lebensform – erforschen diesen Mikrokosmos weiter und finden biologische Lösungen für die Probleme ihrer Zeit. 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/19 ab Seite 100.

Alexandra Regner, PTA und Journalistin

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