© Die PTA in der Apotheke
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Kino – schon gesehen?

ZEIT DES ERWACHENS

Das US-amerikanische Drama der Regisseurin Penny Marshall thematisiert die Europäische Schlafkrankheit und basiert auf wahren Begebenheiten. Der Film kam in Deutschland 1991 in die Kinos.

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Der schüchterne und zurückhaltende Wissenschaftler und Arzt Dr. Malcolm Sayer traf in der psychiatrischen Heilanstalt Mount Carmel Hospital auf eine Gruppe von Patienten, die abgeschieden von der Außenwelt vor sich hin vegetierten. Die Personen befanden sich schon seit Jahren in einem komatösen, regungslosen Zustand. Zwar zeigten sie bestimmte Reflexe, doch lebten sie vorwiegend in einer Art Starre. Sayers Interesse war geweckt: Besonders Leonard Lowe (Robert de Niro), der seit seiner Jugend von der Erkrankung betroffen war und von seiner Mutter (Ruth Nelson) liebevoll gepflegt wurde, hatte es dem Mediziner angetan.

Lowe war der Jüngste der Schlafkrankheitsopfer – und wohl der Intelligenteste. Gegen Ende seines Literaturstudiums holte ihn die Krankheit ein. Dr. Sayer versuchte mit allen Kräften gegen die bisher als unheilbar geltende Krankheit eine Arznei zu finden und forschte mit unermüdlichem Einsatz. Schließlich lag die Lösung auf der Hand: Der Wirkstoff Levodopa schien ein wirksames Mittel gegen die anhaltende komatöse Verfassung zu sein. Entgegen der Ratschläge seiner Kollegen wendete Sayer sie bei Lowe an, der daraufhin aus seinem Dämmerzustand erwachte.

Gefangen in der Krankheit Zunächst versprach die Anwendung Erfolg. Die stillgelegten Hirnfunktionen aktivierten sich nach und nach und für die Patienten wurde ein gewöhnliches Leben immer wahrscheinlicher. Auch Lowe war während seiner Rehabilitation auf einem guten Weg, wieder einen normalen Alltag führen zu können. Doch nach der ersten Euphorie traten plötzlich gravierende Nebenwirkungen auf.

ÜBERBLICK
In unserer neuen Serie „Kino – Schon gesehen?“ stellen wir Ihnen in den nächsten Monaten folgende verfilmte Krankheitsthemen vor:
+ Philadelphia (HIV/Aids)
+ Rain Man (Autismus)
+ Schmetterling und Taucherglocke (Locked-in Syndrom)
+ Ob ihr wollt oder nicht (Krebs)
+ Das Meer in mir (Tetraplegie)
+ Wie ein einziger Tag (Alzheimer)
+ Die Kameliendame (Lungen-TB)
+ Helen (Depression)
+ A Beautiful Mind (Schizophrenie)

Die Patienten trafen nach dem Erwachen auf eine für sie neue Realität und verkrafteten diese Konfrontation nicht. Nach einiger Zeit kam es zu Rückfällen. Letztendlich kehrte das komatöse Stadium zurück, so auch bei Lowe. Insgesamt bietet der Film traurig- schöne Szenen wie das Aufleben der Komapatienten oder Lowes Tanz mit seiner Freundin – alles in allem ein sehenswertes Drama mit spannenden und berührenden Szenen. Die Verfilmung konnte mehrere Preise gewinnen und erhielt im Jahre 1991 drei Oscar-Nominierungen (Kategorien „Bester Hauptdarsteller”, „Bestes adaptiertes Drehbuch” und „Bester Film”).

Tückisches Leiden Bei der Europäischen Schlafkrankheit (Encephalitis lethargica oder Encephalitis Vienna) handelt es sich um eine Gehirnentzündung, die mit Symptomen wie Lethargie, mit Parkinson-ähnlichen Beschwerden und Schlafanfällen einhergeht. Sie wurde erstmals 1916 in Wien entdeckt. Zwischen 1917 und 1927 häuften sich die Fälle dieser Krankheit. Dann verschwand sie genauso schnell, wie sie aufgetaucht war. Viele Menschen starben frühzeitig daran, andere schienen die Infektion ohne Folgen überstanden zu haben.

Erst einige Jahre später zeigten sich bei ihnen Folgeschäden des Gehirns. Betroffene litten zunehmend unter Verhaltensauffälligkeiten und erstarrten förmlich. Zudem traten Symptome auf, die der Parkinson-Erkrankung ähnelten. Weil die Europäische Schlafkrankheit in etwa zeitgleich zur Spanischen Grippe ausbrach, vermutet man einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Krankheiten.

Neue Theorie Der britische Neurologe und Schriftsteller Oliver Sacks beschäftigte sich Ende der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts in einem New Yorker Krankenhaus mit Überlebenden der Encephalitis lethargica. Er experimentierte mit dem Wirkstoff Levodopa und verabreichte ihn seinen Patienten. Sie erwachten kurzfristig aus ihrem Koma, spürten eine übermütige Lebensfreude, fielen schließlich jedoch in ihren Dämmerzustand zurück. Sacks hielt diese Ereignisse in einem Buch fest, auf dem das Drama „Zeit des Erwachens“ basiert. Auch ein weiteres seiner Bücher, „Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“, handelte von komplexen neurologischen Fällen und trug wesentlich zu seinem großen Erfolg als populärwissenschaftlicher Autor bei.

Wundermittel Levodopa Bei der Aminosäure handelt es sich um eine Vorstufe des Neurotransmitters Dopamin. Diese eigentlich wirksame Substanz kann die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden. L-Dopa hingegen gelangt ins Gehirn und wird in den dortigen Neuronen decarboxyliert, sodass Dopamin entsteht. Um eine vorzeitige Decarboxylierung des Prodrug in der Peripherie zu verhindern, gibt man L-Dopa mit peripher wirksamen Decarboxylase-Hemmern wie Benserazid. Die Substanz ist bei der Parkinson-Krankheit indiziert. Durch die Erhöhung der Dopaminkonzentration im Zentralnervensystem stellt sich im Gehirnstoffwechsel ein Gleichgewicht ein.

Besonders Parkinson-Symptome wie Akinese und Rigor verbessern sich durch die Medikation erheblich. Die Arznei muss einschleichend dosiert werden. Bei der Anwendung von L-Dopa kommt es häufig zu unerwünschten Begleiterscheinungen. Diese können zentraler oder peripherer Art sein. Zu Ersteren gehören Erscheinungen wie Angst, Schlaflosigkeit oder Depressionen. Periphere Nebenwirkungen sind zum Beispiel Magen-Darm-Beschwerden oder Herz-Kreislauf-Probleme.

Weitere Schlafkrankheiten Neben der Encephalitis lethargica gibt es die Narkolepsie, die sich als Hypersomnie äußert. Es handelt sich um eine Störung der Schlaf-Wach-Regulation. Zu den Anzeichen zählen exzessive Tagesschläfrigkeit, Kataplexien (kurzzeitiger Verlust des Muskeltonus ohne Bewusstseinstrübung), Schlaflähmungen und hypnagoge Halluzinationen. Die Symptome sind dabei individuell unterschiedlich ausgeprägt. Die Schlafkrankheit „Afrikanische Trypanosomiasis“ ist eine Tropenerkrankung, deren Erreger Trypanosoma brucei durch die Tsetsefliege übertragen wird.

Zunächst ist die Haut im Bereich der Einstichstelle aufgrund einer lokalen Entzündungsreaktion gerötet. In den folgenden Wochen oder sogar Jahren breitet sich der Parasit über das Blut- und Lymphsystem aus. Betroffene leiden unter Symptomen wie Lymphknotenschwellungen im Halsbereich, Erschöpfung, Kopf- und Gliederschmerzen. Der Verlauf der Infektion ist nicht immer gleich, oft ruht die Krankheit über Monate bis Jahre. Im Endstadium befällt der Einzeller das Zentralnervensystem. Folglich treten Persönlichkeitsveränderungen, Schläfrigkeit, Apathie, Verwirrtheit, muskuläre Störungen und starke Abgeschlagenheit auf. Tagsüber spüren die Geplagten ein permanentes Schlafbedürfnis. Schließlich endet die Krankheit tödlich.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/13 ab Seite 124.

Martina Görz, PTA und Fachjournalistin (FJS)

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