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Seltene Erkrankungen A bis Z

ZAPFEN- STÄBCHEN-DYSTROPHIE

Bei dieser erblichen Netzhauterkrankung degenerieren die Fotorezeptoren im Auge. Es beginnt meist in der Kindheit mit verminderter Sehstärke und endet im Erwachsenenalter mit völliger Erblindung.

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Die Zapfen-Stäbchen-Dystrophie gehört wie die deutlich häufigere Retinitis pigmentosa (RP) zu den erblichen Netzhautdystrophien. Aber während bei der RP zunächst die Stäbchen und dann die Zapfen absterben, ist es bei der Zapfen- Stäbchen-Dystrophie genau anders herum; in seltenen Fällen können Zapfen und Stäbchen hier auch gleichzeitig verloren gehen. In der Regel beginnt die Zapfen- Stäbchen-Dystrophie in der Kindheit mit einem Verlust der Sehschärfe, der sich auch durch eine Brille nicht ausgleichen lässt. Dazu kommen Lichtempfindlichkeit sowie zunehmende Schwierigkeiten Farben zu erkennen. Die periphere Sicht ist zu Beginn noch wenig betroffen, sodass eine Orientierung im Raum noch problemlos möglich ist.

Mit Fortschreiten der Erkrankung wird das Lesen immer schwieriger bis unmöglich. Im Verlauf treten ein Sehverlust auch im peripheren Gesichtsfeld sowie schließlich Nachtblindheit auf. Häufig entwickeln sich unkontrollierbare Augenbewegungen. Wenn das Sehvermögen weniger als zwei Prozent beträgt, gelten Betroffene vor dem Gesetz als blind. Diese Symptome erklären sich aus den Funktionen der Fotorezeptoren: Die Fotorezeptoren in unseren Augen – die Zapfen und die Stäbchen – nehmen das Licht auf und wandeln es in Nervenimpulse um, die sie über den Sehnerv an das Gehirn weiterleiten.

Dabei kommen Zapfen vor allem in der Makula (der Stelle des schärfsten Sehens), aber auch in der Peripherie der Retina vor. Sie funktionieren am besten bei Helligkeit und sind für das Farbsehen verantwortlich. Stäbchen dagegen gibt es ausschließlich in der Peripherie. Sie ermöglichen die Wahrnehmung von hell und dunkel sowie das Sehen in der Dämmerung und bei Nacht. Bei Patienten mit Zapfen-Stäbchen-Dystrophie gehen beide Arten nacheinander unter. Betroffen von dieser genetischen Netzhauterkrankung ist etwa einer von 40 000 Menschen.

Genetisch heterogen Genau genommen handelt es sich nicht um eine einzelne Krankheit, sondern um eine ganze Gruppe von Erkrankungen, denen Mutationen in unterschiedlichen Genen zugrunde liegen und die unterschiedlichen Erbgängen folgen. Dazu gehört etwa das ABCA4-Gen aus der Familie der ABC-Transporter, das ausschließlich in retinalen Fotorezeptoren exprimiert wird. Mutationen im ABCA4- Gen sind für 30 bis 60 Prozent aller Fälle der autosomal rezessiv vererbten Zapfen-Stäbchen-Dystrophien ursächlich.

Mutationen in diesem Gen wurden darüberhinaus auch in verschiedenen anderen Netzhauterkrankungen wie dem Morbus Stargardt gefunden, wobei größere Deletionen mit einer Zapfen-Stäbchen- Dystrophie assoziiert zu sein scheinen. Neben den autosomal rezessiv vererbten Formen der Zapfen-Stäbchen- Dystrophie (bei denen beide Eltern ein mutiertes Gen tragen und an ihr Kind weitergeben müssen) existieren auch autosomal dominant vererbte Formen – hier reicht es, wenn nur ein Elternteil ein verändertes Gen weitergibt. Mutationen in den GUCY2D-CRX-Genen sind für einen guten Teil dieser Erkrankungen verantwortlich.

Dabei kodiert das GUCY2D-Gen ein Protein, das an der Rückkehr der Fotorezeptoren in ihren Ausgangsstatus nach einer Stimulation durch Licht beteiligt ist. Dies ist notwendig, um dann erneut stimuliert werden zu können. Bei dem CRX-Gen handelt es sich um einen Transkriptionsfaktor, der für die normale Funktion von Fotorezeptoren notwendig ist. Schließlich kommen sehr selten auch X-chromosomale Formen der Zapfen-Stäbchen- Dystrophie vor.

Diagnose und Behandlung Die Diagnose beruht neben den klinischen Befunden auf der Untersuchung des Augenhintergrundes sowie Messungen im Rahmen eines Elektroretinogramms. Vor allem zu Beginn kann die Makula noch weitgehend normal aussehen. Knochenkörperartige Pigmentablagerungen sind möglich, die Netzhautgefäße können verdünnt sein, die Papille blass; im Verlauf atrophiert die Netzhaut. Im ERG sind zunächst vor allem die zapfen-, später auch die stäbchenabhängigen Potenziale reduziert. Im Endstadium ist eine Unterscheidung von einer Stäbchen- Zapfen-Dystrophie schwierig. Überwiegend kommen Zapfen-Stäbchen- Dystrophien als isolierte Erkrankung vor, sie können aber auch im Rahmen eines Bardet-Biedl-Syndroms oder einer spinocerebellären Ataxie Typ 7 auftreten.

Eine Therapie für die Zapfen-Stäbchen- Dystrophie existiert bislang nicht. Es wird versucht, den degenerativen Prozess etwa durch Vitamine oder durch Lichtschutz zu verlangsamen. Zudem können Komplikationen wie Entzündungen oder ein grauer Star behandelt werden. Bei der Wahl des Berufs sollte die Erkrankung berücksichtigt werden. Essenziell sind die Schulung der Patienten hinsichtlich der Verwendung von Hilfsmitteln sowie ihre Unterstützung bei der Bewältigung der sozialen und psychischen Probleme durch die fortschreitende Erblindung.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/17 ab Seite 66.

Dr. rer. nat. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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