© Die PTA in der Apotheke
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Wirkstoffe – historisch beleuchtet

Z – WIE ZIDOVUDIN

Zidovudin ist – wie alle anderen Mittel gegen HIV – kein perfektes Medikament. Aber es ist der Meilenstein, der seit 1986/87 vielen Infizierten das Leben verlängert und erträglicher macht.

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Anfang der 1980er- Jahre trat in den USA eine Erkrankung auf, die noch unbekannterweise durch Ribunukleinsäure -Viren, genaugenommen HI-Viren (Human Immundeficiency Viren) ausgelöst wurde. Bei den Betroffenen, die zunächst meist männlich und homosexuell waren, kam es zu lebensbedrohlichen Infektionen und Tumoren. Da alle Patienten nur wenige T-Lymphozyten und eine sehr schwache Abwehr gegen Infektionskrankheiten aufwiesen, wurde die Krankheit Acquired Immune Deficiency Syndrome (AIDS, zu deutsch: erworbenes Immundefektsyndrom) genannt. Der zunächst noch unbekannte HI-Virus führte in der Folgezeit zuerst zu einer AIDS-Epidemie unter Blutern, die mit Gerinnungsfaktoren aus infiziertem Humanblut behandelt worden waren.

Ursache: ein Retrovirus Insofern ist die Entdeckung des HIVirus im Jahr 1983 als historisches Ereignis der Medizingeschichte zu werten: Der französische Virologe Luc Montagnier (geb. 1932) und dessen Mitarbeiterin Françoise Barré-Sinoussi vom Institut Pasteur in Paris, die beide dafür 2008 den Medizin-Nobelpreis erhielten, sowie der US-amerikanerische Mediziner Robert Charles Gallo (geb. 1937) vom National Cancer Institute, Bethesda, erforschten das Virus, das nach heutiger Kenntnis seinen Ursprung in afrikanischen Affenviren hat, fast zeitgleich. Seit 1986 wird es HIV-1 (Humanes Immundefizienzvirus- 1) genannt. 1984 wurde ein Zellkulturensystem entwickelt und damit die Voraussetzung für die ersten HIV-Antikörpertests geschaffen, die 1985 auf den Markt kamen.

Aktiv gegen HIV Aufgrund der schnellen Ausbreitung des Virus setzten die Wissenschaftler bei der AIDS-Behandlung zuerst auf bekannte antivirale Substanzen. Das erstmals 1964 von Dr. Jerome Horwitz, Wissenschaftler der Michigan Cancer Foundation, synthetisierte Azidothymidin (AZT, auch Zidovudin genannt) rückte in den Blickpunkt des Interesses. Dessen ursprüngliches Ziel, ein Medikament zur Krebsbehandlung zu entwickeln, war fehlgeschlagen. Tierversuche bestätigten 1984 aber die Wirksamkeit der Substanz gegen Retroviren.

1985 konnte der National Institute of Health (NIH)-Wissenschaftler Hiroaki Mitsuya beobachten, dass AZT die HIV-Replikation unterdrückt. Die Wirkungsweise der Substanzen besteht somit in der Hemmung eines viruseigenen Enzyms, der Reversen Transkriptase (RT). Die Blockade führt zum Abbruch der Übersetzung der genetischen Information des Virus von Ribonukleinsäure (RNS) in Desoxyribonukleinsäure (DNS). Die entscheidende Funktion für die Vermehrung des Virus im Körper ist damit unterbrochen. Allerdings kann Zidovudin die Viren nicht beseitigen.

AZT wurde unter dem Namen Zidovudin (Retrovir®) 1987 als erstes Medikament weltweit zur Behandlung der symptomatischen HIV-Krankheit zugelassen. 1990 erfolgte die erweiterte Zulassung auch als Präventionsmedikament. Es gehört zur Klasse der antiretroviralen Substanzen, die Nukleosid- Analoga RT-Hemmer (NRTI) genannt werden. Zu Beginn wurden wesentlich höhere Dosen verabreicht, was häufig zu schweren Nebenwirkungen führte.

Das Ziel die Lebensqualität der HIV-Infizierten zu verbessern, wird mittlerweile mit einer niedrigeren Zidovudingabe, bei gleichzeitiger Kombinationstherapie eher erreicht. Heute sind noch andere NRTI und weitere Wirkstoffgruppen, wie Nichtnukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTIs) und HIV-Proteasehemmer in den meist als Dreifachkombination gegebenen HIV-Kombinationstherapien im Einsatz.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/12 auf Seite 28.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

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