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Vor der Operation

WORAN MAN DENKEN MUSS

Ein bevorstehender Eingriff ist immer eine Ausnahmesituation. Zu den vielen Fragen, mit denen sich Betroffene auseinandersetzen müssen, gehören auch die nach dem Umgang mit den gewohnten Medikamenten.

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Praktisch alle Arzneimittel, die chronisch Herzkranke benötigen, sind vor Operationen kein Problem, sondern sogar erwünscht. Die meisten werden zumindest bis zum Vortag weitergegeben und in der Regel postoperativ so rasch wie möglich wieder eingesetzt. Statine und Betablocker sollen wegen ihres Herz-Kreislauf-protektiven Effekts sogar ohne jede Unterbrechung weiter eingenommen werden. Bei letzteren wäre ein abruptes Absetzen wegen des möglichen Rebound-Phänomens sogar potenziell gefährlich. Aber nicht alle Medikamente können weitergenommen werden.

Antirheumatika In einem Dilemma befinden sich die Ärzte bei Patienten mit chronisch- entzündlichen Gelenkerkrankungen, bei denen eine chirurgische Behandlung ansteht. Die bei Rheumatoider Arthritis meist eingesetzten immunsuppressiven Substanzen können die Wundheilung beeinträchtigen und erhöhen die Infektionsgefahr. Umgekehrt zieht eine Unterbrechung der Medikation nicht selten eine Verschlimmerung des autoimmunen entzündlichen Geschehens nach sich – mit einer möglichen weiteren Gelenkschädigung.

Operateur und Orthopäde besprechen das Vorgehen im Einzelfall. Ob die sogenannten Basistherapeutika abgesetzt werden, ist von Klinik zu Klinik verschieden. Methotrexat jedenfalls scheint das Auftreten postoperativer Infektionen nicht zu begünstigen; deshalb wird diese Behandlung meist einfach fortgeführt.

NICHT IMMER HARMLOS
Erklären Sie Ihren Kunden, dass auch pflanzliche Arzneimittel ihre Tücken haben können: Experten raten aufgrund von Beobachtungen zu größter Zurückhaltung mit einer Reihe von Phytopharmaka. So wird von Ginkgo, Ginseng und Knoblauch berichtet, dass sie die Blutungsneigung erhöhen können, insbesondere wenn sie zusätzlich zu niedrig dosiertem ASS genommen werden. Unter dem Einfluss von Johanniskrautpräparaten ist eine Verlängerung der Narkosezeit möglich, und Baldrian kann die Wirkung von Anästhetika verstärken. Die Empfehlung für alle genannten Extrakte lautet: sieben bis zehn Tage vor dem Eingriff weglassen.

Besonders kritisch in Bezug auf die Infektionsgefahr sind Biologika wie die TNF-alpha-Blocker. Sie sollen zwei Eliminationshalbwertszeiten vor dem Operationstermin abgesetzt werden. Das bedeutet zum Beispiel bei Adalimumab, welches eine Halbwertszeit um 14 Tage hat, dass die Therapie rund 28 Tage vorher abgebrochen wird. Klassische nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) hemmen bekanntlich auch die Plättchenaggregation und damit letztlich die Blutgerinnung. Bei einem chirurgischen Eingriff kann es deswegen – je nach Art und Umfang – auch zu erheblichem Blutverlust kommen.

Besonders ausgeprägt blockt Acetylsalicylsäure die Plättchenfunktion. Daher wird empfohlen, ASS, zumindest sofern es in analgetischer Dosierung eingenommen wird, bereits sieben bis zehn Tage vor dem Termin abzusetzen. Die Einnahme von Ibuprofen und Diclofenac gilt als weniger problematisch, da sich die Thrombozytenfunktion hier rascher normalisiert. Selektive COX-2-Hemmer beeinflussen die Gerinnung nicht und müssen nicht abgesetzt werden.

Die „Pille“ einfach weiternehmen? Estrogen/Gestagenpräparate erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Blutgerinnsel in einem Gefäß bildet. Dieses Risiko kommt zusätzlich zu dem sowieso bereits erhöhten hinzu, das bei einer Operation aufgrund der Immobilisierung besteht. Daher hieß es früher oft, dass die Einnahme der Hormone vor größeren Eingriffen gestoppt werden sollte – und zwar vier bis sechs Wochen vorher; so lange dauert es, bis sich die Gerinnungsparameter normalisiert haben.

Das Zusatzrisiko ist allerdings vergleichsweise gering, insbesondere wenn die Frau die Hormone schon länger als ein Jahr nimmt. Wegen möglicher Probleme bis hin zu ungewollter Schwangerschaft unter dieser langen Einnahmepause vertreten Anästhesisten und Intensivmediziner heute mehrheitlich den Standpunkt, die Hormone weiterzugeben, bei adäquater Thromboseprophylaxe. Diese erfolgt bei chirurgischen Eingriffen risikoadaptiert: Kommen verschiedene Risikofaktoren, wie zum Beispiel frühere Thrombosen, eine familiäre Belastung oder eine voraussichtlich längere Bettlägerigkeit (über drei Tage) zusammen, wird sie entsprechend intensiviert.

 ASS, Clopidogrel & Co. Viele Herzpatienten nehmen regelmäßig einen Thrombozytenaggregationshemmer, wie Acetylsalicylsäure in niedriger Dosierung, ein, um der Entstehung von Blutgerinnseln in den Gefäßen entgegenzuwirken. Wird diese Therapie mit ASS, Clopidogrel oder Prasugrel unterbrochen, kann dies den Eintritt eines kardialen oder zerebrovaskulären Ereignisses begünstigen. Daher wird normalerweise dazu geraten, die antithrombotische Behandlung lückenlos weiterzuführen, weil ein Gefäßverschluss schwerer wiegen würde als das mögliche Problem eines Blutverlusts; dem könnte man zudem durch eine Transfusion begegnen.

Spezialfall Diabetes Eine besondere Herausforderung für den Organismus ist eine Operation bei gestörtem Zuckerstoffwechsel. Dabei kommt es nämlich zu einer vermehrten Ausschüttung von Stresshormonen, wodurch der Blutzucker ansteigen kann – Infekte und schlechte Wundheilung drohen. Umgekehrt kann es, bedingt durch die erforderliche Nüchternphase, zu Hypoglykämien kommen, die nicht minder gefährlich sind. Schon mehrere Wochen vor dem Operationstermin muss für eine möglichst optimale Einstellung der Werte gesorgt werden.

Diabetiker sollten sich von ihrem Diabetologen oder vom Hausarzt ganz genau darlegen lassen, wie sie sich in der Klinik am besten auf die ungewohnte Situation einstellen. Die behandelnden Klinikärzte inklusive des Anästhesisten und die Pflegekräfte müssen unbedingt über die Stoffwechselkrankheit informiert sein. Typ-1-Diabetiker bleiben bis zum Vortag der Operation beim gewohnten Therapieschema. In der Klinik wird der Blutzuckerspiegel dann bei ihnen – und auch bei Typ-2-Diabetikern – engmaschig kontrolliert und mit Insulin und Glukose im Zielbereich gehalten.

Da orale Antidiabetika meist am Vorabend der Operation zuletzt eingenommen werden, muss bei einer längeren Nüchternphase das gesamte Klinikpersonal über die Gefahr einer möglichen Hypoglykämie unterrichtet sein. Zu dem Biguanid Metformin existieren widersprüchliche Einschätzungen in der Ärzteschaft. Wegen des zwar sehr selten auftretenden, aber bedrohlichen Problems einer Laktatazidose, einer Übersäuerung des Körpers mit Milchsäure, wird meist empfohlen, die Substanz 48 oder 24 Stunden vorher abzusetzen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/14 ab Seite 102.

Waltraud Paukstadt, Dipl. Biologin

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