Auge © dnberty / iStock / Getty Images
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Bücher, von denen man spricht

WOMAN ON FIRE

Es gibt gute Nachrichten für Damen in den Wechseljahren: Ab jetzt geht ihr Leben erst richtig los! Wie man das richtig anstellt, darüber parliert Sheila de Liz in ihrem neuen Buch „Woman on Fire“.

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Es gibt ihn noch, den alten Frauenarzt, der eine 50-jährige Patientin fragt, warum sie denn überhaupt noch Sex wolle und dass sie eben durch die Wechseljahre durchmüsse. Ein Horror für die gebürtige US-Amerikanerin de Liz, die ihre gynäkologische Praxis in Wiesbaden hat. „Das geht gar nicht“, sagt sie. Denn es gibt Wege aus dieser Weltanschauung (die Autorin nennt es „den Alt-Herren-Mediziner-Club“), und der führt über eine vernünftige Hormontherapie, über ein wenig Wissen zu Ernährung, Schlaf und Bewegung. Dann seien nämlich die Wechseljahre eine wahrlich tolle Zeit: „Denn sie zwingen dich regelrecht, dich um den wichtigsten Menschen in deinem Leben zu kümmern: dich selbst.“

Ab Mitte 30 geht’s los Die körperlichen Veränderungen sind wahrscheinlich jeder PTA bekannt, sollen aber hier noch einmal aufgeführt werden: Bereits ab Mitte 30 beginnt der Hormonumbau im Körper einer Frau, sie durchläuft die Prä-, Peri- und Postmenopause; besonders das Estrogen geht in dieser Zeit in den Keller. Und das bedeutet in vielen Fällen: Hitzewallungen, Depressionen, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen, Inkontinenz, vaginale Atrophie. Auch Migräne und Herzrhythmusstörungen können dazugehören. Die Menopause ist laut Definition der Zeitpunkt der letzten Menstruation, der mindestens zwölf Monate keine ovariell ausgelöste Blutung mehr folgt.

Zu Beginn des „Goldenen Fensters“, wie die Autorin den Zeitpunkt in der Perimenopause nennt, in der die Beschwerden in den Mittelpunkt rücken, kann man durch eine Therapie mit bioidentischen Hormonen eine Menge tun. Und man sollte es tun! Es liegt kein Sinn darin, Frauen in die „Hormonentzugshölle“ zu schicken, wie de Liz es nennt. In einem Interview beschreibt sie es drastisch: „Eine Frau, die nichts nimmt, bekommt Hitzewallungen, Depressionen, kann nicht mehr schlafen, jeden Tag. Im Hintergrund schreitet der Organverfall fort, fast alle Organe sind durch den Hormonmangel betroffen. Die Gefäße verkalken, die Knochen werden dünner. Die Frau hat keine Energie mehr für Sport und ist wahrscheinlich unglücklich. Eine Frau, die hingegen bioidentische Hormone nimmt, kann schlafen, Sport machen, sie schützt ihre Gefäße und ihr Herz. Sie kann Sex haben, bis sie 99 ist.“ De Liz empfiehlt diese Art der modernen Hormone, da der Körper sie nicht als Fremdkörper wahrnimmt und ganz selbstverständlich in die physiologischen Vorgänge einbaut. Wer was nehmen soll, entscheidet der Gynäkologe, die Gynäkologin, denn es geht hier um Estrogen, Progesteron und Testosteron in sinnvoller Ausgewogenheit.

Die verhängnisvolle Studie Doch warum ist das Misstrauen gegen eine Hormontherapie bei manchen Menschen immer noch so hoch? Das liegt alles an der unglückseligen Studie WHI-1, seufzt de Liz. Anfang der 80-er begann sie, und man verwendete Estrogene aus Pferdeurin plus Gestagene, bei Frauen, die um die 62 Jahre alt waren. Da man dabei ein leicht erhöhtes Risiko für Herzinfarkte, Thrombosen und Brustkrebs erkannte, zog man die Reißleine: „Ende einer Legende“, titelte das Deutsche Ärzteblatt damals. Zwei Jahre später ging die WHI-2-Studie deshalb fast unter, bei der die Gestagene weggelassen wurden und die Methodik eine bessere war.

Und siehe da, sie ergab das völlige Gegenteil. Hier noch einmal zur Veranschaulichung: Nach der WHI-1-Studie mit Pferdehormonen hatten die Teilnehmerinnen ein um 26 Prozent höheres Risiko als die Placebo-Gruppe ohne künstliche Hormone, Brustkrebs zu entwickeln. In der WHI-2-Studie hatten die Teilnehmerinnen ein um 21 Prozent niedrigeres Risiko, Brustkrebs zu bekommen. Wenn jedoch die Patientin gut eingestellt ist, beginnt für sie ein neues Leben. „Warum ich die Wechseljahre so fabelhaft finde?“ fragt die Autorin. „Weil mit unserer Psyche etwas Spezielles geschieht, etwas, das nur uns Frauen widerfährt und uns aus hormoneller und emotionaler Sicht für immer verändert.“

Klingt gut: Jetzt lichtet sich „der Estrogen-Nebel der vergangenen 20 Jahre. Frauen haben es jetzt nicht mehr nötig, es allen recht zu machen, die eigenen Bedürfnisse hintan zu stellen. Sie sehen ganz klar, was sie wollen und was nicht, wer sie sind. Und was sie nicht länger bereit sind zu ertragen.“ Die Wechseljahre seien mitnichten der „Herbst des Lebens“ – eher der Hochsommer – und sie bedeuteten vor allem eins: endlich frei zu sein.

„Endlich frei von der elendigen Suche nach Mr. Right, frei von Regelschmerzen und PMS-Kacke. Frei von Wickeltisch und Stillkissen und der Zeit, als du – und das damals sehr gerne – die Bedürfnisse der Familie an erste Stelle gestellt hast. Frei, die zu sein, die du immer wolltest“, berichtet sie in der ihr eigenen temperamentvollen Sprache, die kein Blatt vor den Mund nimmt („Ich bin der Meinung, ein Vibrator gehört in jeden gut ausgestatteten Haushalt“). Klingt nach harten Zeiten für die Ehemänner. De Liz empfiehlt dann auch dringend Redebedarf; schließlich kann Mann nicht wissen, was im Kopf der Frau neben ihm vorgeht. Doch dann könne die Beziehung in eine neue positive Phase treten, die oft mit dem Auszug der Kinder zusammenfällt.

Wissen ist entscheidend De Liz beklagt, dass die Wechseljahre in der Ausbildung von Medizinern praktisch keine Rolle spielen, sie ist wütend über die Konsequenzen: „Ich will nicht mehr in einer Welt leben, in der die Intelligenz der Frau derart unterschätzt wird, dass man ihr nicht die volle Wahrheit über den Hormonmangel serviert, damit sie selbst mitentscheiden kann, welchen Weg sie einschlagen möchte, und in der Lage ist, ein erwachsenes Gespräch mit ihrem Arzt zu führen.“

Die Wechseljahre seien kein „schwarzes Loch, in das du reinfällst, sondern eine Transitstrecke, die dich in einen neuen Lebensabschnitt führt.“ Darauf hebt sie im Nachwort ausdrücklich ihr Proseccoglas. Der Autorin, die mit ihrem ersten Buch „Unverschämt: Alles über den fabelhaften weiblichen Körper“ bereits einen Bestseller eingefahren hat, kommt das Verdienst zu, den Frauen aus den geburtenstarken Jahrgängen (zu denen sie selbst gehört), Informationen an die Hand zu geben, um noch „eine geile zweite Lebenshälfte zu haben“, wie sie es nennt. Dann mal los!

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 01/2021 ab Seite 108.

Alexandra Regner, PTA und Medizinjournalistin

Dr. med. Sheila de Liz „Woman on Fire – Alles über die fabelhaften Wechseljahre“ Illustriert von Luisa Stömer Rowohlt PolarisVerlag 288 Seiten, 16 Euro ISBN: 978-3-499-00317-2

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