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Heilpflanzen

WERMUT

Der aus Wermut hergestellte Absinth war im 19. Jahrhundert ein Kultgetränk in Künstlerkreisen. Als Heilpflanze ist Wermut bei Appetitlosigkeit und dyspeptischen Beschwerden bewährt.

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Artemisia absinthium L. ist ein aus- dauernder bis zu 1,20 Meter hoch werdender Halbstrauch aus der Familie der Korbblütler , der bevorzugt auf mäßig trockenem kalkhaltigem Boden an Wegrändern, auf Abhängen und Ödland in Europa, Nordasien und Nordafrika wächst.

Silbergraue Pflanze Wermut treibt am Grunde lang gestielte, dreifach gefiederte Blätter. Am oberen Teil der Pflanze werden die Blattstiele kürzer, die obersten Blätter sitzen ungestielt am Stängel. Die mittleren Blätter sind doppelt, die oberen nur noch einfach fiederspaltig. Die ganzrandigen Fieder- und Einzelblätter haben eine lanzettförmige Gestalt. Sowohl die Stängel als auch die Blätter sind beidseitig behaart, wodurch die ganze Pflanze einen silbrigen Grauschimmer erhält.

Die Stängel und deren Verzweigungen enden in Blütenrispen. Sie bestehen aus gelben gestielten, länglichen kugelförmigen Blütenkörbchen mit gelben Röhrenblüten, die zwischen Juli und September erscheinen. Aus ihnen entwickeln sich eiförmige bis zylindrische, etwa einen halben Millimeter lange Achänen.

Bitterstoffdroge Für arzneiliche Zwecke werden die oberirdischen Teile des Korbblütlers, also das Wermutkraut, verwendet. Man schätzt vor allem die im Kraut vorkommenden Sesquiterpenlacton- Bitterstoffe, insbesondere das Absinthin als Hauptkomponente, sowie das ätherische Öl, das sich unter anderem aus Thujon, trans-Sabinylacetat und Chrysanthenylacetat zusammensetzt und der Pflanze den charakteristischen stark aromatischen Duft verleiht.

Das Monoterpen Thujon führt in höheren Dosen oder über längere Zeit eingenommen zu Vergiftungen wie Erbrechen, Benommenheit, Krämpfen, Lähmungen und Bewusstseinsstörungen. Daher wurden Anfang des 20. Jahrhunderts thujonhaltige Spirituosen wie Absinth verboten. Inzwischen sind sie wieder erhältlich, wobei ein Grenzwert von 35 Milligramm Thujon pro Liter Bitterspirituose eingehalten werden muss. Absinthin besitzt einen Bitterwert von 12,7 Millionen, das heißt, dass die Substanz noch in einer Verdünnung von 1:12,7 Millionen deutlich bitter schmeckt. Dieser Bitterwert wird nur noch vom Amarogentin des Enzians mit 1:20 Millionen übertroffen.

Anwendungsgebiete Die Bitterstoffe wirken vorwiegend reflektorisch über eine Erregung der Bitterrezeptoren der Geschmacksknospen am Zungengrund, die eine Freisetzung von Speichel und Magensäure bewirkt. Im Magen-Darmtrakt steigern sie die Ausschüttung von Verdauungshormonen und Gallensäuren, was die Verdauung anregt und den Appetit steigert. Einsatzgebiete des Wermutkrauts gemäß der Monografie der Kommission E sind daher Appetitlosigkeit und dyspeptische Beschwerden (Verdauungsbeschwerden mit leichten Krämpfen im Magen-Darm-Bereich).

WERMUT IN DER KÜCHE
Der Korbblütler passt sehr gut zu fettreichen Speisen wie Eisbein, Gänse- oder Kaninchenbraten. Er darf aber wegen der intensiven Würzkraft nur sparsam eingesetzt werden.

Am häufigsten wird dafür ein Tee zubereitet, der vor dem Essen zum Einsatz kommt, wenn er als bitteres Magenmittel fungieren soll. Bei einer Anwendung als Gallenmittel wird der Tee nach dem Essen getrunken. Auch volkstümliche Bezeichnungen wie Heilbitter oder Magenkraut verweisen auf diese Indikationen des Wermuts. Das Synonym Wurmkraut und der englische Name wormwood greifen die anti-parasitären Eigenschaften der Pflanze auf. Für die in der Volksmedizin traditionell praktizierten Anwendungen bei Menstruationsbeschwerden, bei Blutarmut oder bei schlecht heilenden Wunden und ekzemartigen Erkrankungen existieren keine wissenschaftlichen Belege.

Alte Heilpflanze Wermut war schon im Altertum als Heilmittel bekannt. Die erste Erwähnung stammt aus dem Jahre 1600 vor Christus, wo er auf einem ägyptischen Papyrus beschrieben wurde. Auch der Grieche Dioskurides (1. Jahrhundert n. Chr.) führt Wermut als Heilpflanze in seinem Werk De Materia Medica auf und weist bereits auf seine Verwendung bei Magen- und Bauchschmerzen und bei Blähungen hin. In der Antike wurde er geradezu als Allheilmittel gepriesen.

Hildegard von Bingen (1098 – 1179) empfahl ihn gegen alle Erschöpfungen, erwähnte die Pflanze aber auch als spezifisches Mittel gegen Magen- Darm-Beschwerden. Eine der ältesten Abbildungen findet sich im Kräuterbuch des Leonhart Fuchs (1501 – 1566), der auch eine Vielzahl von Krankheiten aufführte, bei denen Wermut wirksam sein sollte. Den deutschen Namen Wermut erklärt Fuchs damit, dass die Pflanze wegen ihrer Bitterkeit „freud und mut weret und vertreibt“.

Andere Deutungen leiten die deutsche Bezeichnung von warm ab, da Wermut volksmedizinisch in Form von Umschlägen auch als erwärmendes Mittel gebraucht wird. Auch die griechische Bezeichnung absinthion soll mit dem bitteren Geschmack zusammenhängen, von griech. a = ohne und psinthos = Lust, Vergnügen. Für den Gattungsnamen Artemisia war die antike Göttin Artemis, die Beschützerin der Gebärenden, der Namensgeber.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/15 ab Seite 32.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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