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Weizensensitivität

WENN WEIZEN KRANK MACHT

Der Grund für Bauchschmerzen nach dem Verzehr von Getreide muss nicht unbedingt eine Zöliakie, also eine Glutenunverträglichkeit, oder eine echte Weizenallergie sein. Möglicherweise liegt eine Weizensensitivität vor.

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Zöliakie, Weizenallergie, Weizensensitivität – alles Begriffe für Erkrankungen, bei denen der Genuss von Getreide für Beschwerden im Magen-Darm-Bereich sorgt. Doch worum handelt es sich eigentlich genau? Welche Mechanismen spielen eine Rolle? Wer unter Bauchschmerzen oder Durchfall leidet, verzichtet häufig vorsichthalber komplett auf Brot, Nudeln und Pizza. Doch welche Getreidesorten müssen wirklich gemieden werden? Bevor Betroffene ihre Ernährung selber komplett umstellen, sollten sie ärztlichen Rat suchen. Erst wenn das Krankheitsbild genau diagnostiziert wurde, können zweckmäßige Ernährungsratschläge erfolgen.

Zöliakie Früher wurde sie auch Sprue genannt. Heute wird sie meist als nicht-allergische Glutenunverträglichkeit, Gluten-Intoleranz oder Glutenenteropathie bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine angeborene Autoimmunerkrankung und damit um eine immunologisch verursachte, jedoch nicht allergische Reaktion gegenüber dem Getreideeiweiß Gluten. Bei den Betroffenen kann bereits die Zufuhr kleinster Mengen an Gluten eine Immunreaktion in Gang setzen, bei der sich Antikörper bilden, die sich fälschlicherweise gegen eigenes Mukosagewebe im Darm richten.

Folge sind Entzündungen der Darmzotten, die mit histologischen Veränderungen am Dünndarm einhergehen und ein Malabsorptionssyndrom auslösen. Vor allem werden vermehrt Fette und fettlösliche Vitamine ausgeschieden, sodass sich im Laufe der Zeit auch ein Nährstoffmangel mit assoziierten Mangelzuständen entwickeln kann (z. B. Hypocalcämie infolge eines Vitamin-D3-Mangels). Klinisch zeigen sich Diarrhöen mit bis zu zehn voluminösen oder dünnflüssigen Stühlen pro Tag, Gewichtsverlust, Magen-Darm-Probleme wie Blähungen und Bauchschmerzen sowie Erschöpfung.

Es gibt aber auch eine asymptomatische Form der Zöliakie, bei der die Betroffenen völlig beschwerdefrei sind. Die meisten leiden unter wenigen oder untypischen Beschwerden. Einzige Behandlungsmöglichkeit stellt eine strikte glutenfreie Ernährungsweise dar, die ein Leben lang durchgeführt werden muss. Das gilt für etwa 0,3 Prozent der Bevölkerung. Die Diagnose wird durch den Nachweis von Antikörpern gestellt und durch eine endoskopische Biopsie gesichert.

Weizenallergie Davon abzugrenzen ist die Weizenallergie, unter der circa eine von tausend Personen in Deutschland leidet. Sie ist eine klassische IgE-vermittelte Lebensmittelallergie, bei der sich die Reaktion gegen verschiedene Weizenproteine (z. B. Albumin, Globulin, Gluten) richtet. Die Diagnose wird durch einen Pricktest und den Nachweis von IgE-Antikörpern gestellt. Die Weizenallergie weist ein großes Symptomspektrum auf. Die Anzeichen reichen von klassischen Anzeichen einer Allergie wie juckende Quaddeln und Schwellungen der Schleimhäute, Beschwerden im Gastrointestinaltrakt, die einer Zöliakie ähnlich sein können, bis hin zum lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock mit Atemnot und Kreislaufstillstand.

Daher müssen Betroffene versuchen, möglichst Produkte aus Weizen und weizenähnlichen Getreidesorten zu meiden, da auch diese unverträglich sein können. Dazu zählen Körner, Mehl, Stärke, Flocken, Keime, Keimöl, Grieß und Graupen aus Weizen, Dinkel, Grünkern, Einkorn, Emmer und Kamut. Glutenfreie Lebensmittel sind hingegen nicht automatisch unbedenklich, da sie theoretisch andere allergene Weizenproteine enthalten können.

Weizensensitivität Treten nach dem Genuss getreidehaltiger Lebensmittel gastrointestinale Beschwerden auf, müssen nicht eine Zöliakie oder eine Allergie gegen Weizenbestandteile der Grund dafür sein. In letzter Zeit macht eine dritte, weniger bekannte Störung vermehrt von sich reden, bei der die Betroffenen keine Getreideprodukte vertragen. Gemeint ist die Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität. Damit bezeichnet die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) eine weder autoimmun noch allergisch vermittelte Unverträglichkeit gegen Weizen. Früher wurde von der Glutensensitivität gesprochen.

Vermutlich kann man aber nicht immer das Klebereiweiß Gluten für die Symptome verantwortlich machen, auch wenn eine glutenfreie Diät die Beschwerden bessert. Inzwischen werden noch andere Eiweißstoffe (ATIs), die wie Gluten in Weizen und weiteren Getreidesorten enthalten sind (z. B. Gerste, Roggen, Dinkel, Einkorn), sowie bestimmte Kohlenhydrate (FODMAPs) als Ursache diskutiert. Zutreffender wird daher heute bei der Unverträglichkeitsreaktion von einer Weizensensitivität gesprochen. Betroffene berichten nicht nur über Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall oder Verstopfung. Die Aufnahme von Getreide kann sich auch mit Kopfschmerzen, Benommenheit, Müdigkeit, Gelenk- und Muskelschmerzen, Hautveränderungen, depressiver Stimmung und einer Anämie äußern.

Die Diagnosestellung fällt daher oft schwer, zumal die Unverträglichkeitsreaktionen nicht immer gleich stark auftreten. So werden einige Getreidesorten scheinbar besser vertragen. Auch scheint die Aufnahmemenge eine Rolle zu spielen. Spezifische Biomarker, die eine Diagnosesicherung erlauben, sind bislang nicht bekannt. Bei der Diagnose Weizensensitivität handelt es sich immer um eine Ausschlussdiagnose nachdem weder die für eine Zöliakie typischen Antikörper noch die bei einer Weizenallergie weizenspezifischen Serum-IgE im Blut festgestellt werden konnten. Wer an einer Weizensensitivität leidet, profitiert wie ein Zöliakiepatient von einer glutenfreien Diät. Allerdings ist anders als bei der Zöliakie keine strikte Diät nötig. Meist wird ein geringer Verzehr an glutenhaltigem Getreide toleriert und es lässt sich eine individuelle Toleranzgrenze ermitteln.

Rolle der ATIs und FODMAPs Untersuchungen deuten darauf hin, dass die mit glutenhaltigen Produkten assoziierten Amylase-Trypsin-Inhibitoren, kurz ATIs, eine Schlüsselrolle in der Pathogenese der Weizensensitivität spielen könnten. Dabei handelt es sich um natürliche Eiweiße im Getreide, die als Insektenabwehrstoffe fungieren und gezielt in Getreide hineingezüchtet wurden. Sie machen aber nicht nur das Getreide resistenter gegen Schädlinge, sondern führen zu einer Aktivierung des angeborenen Immunsystems und initiieren damit Entzündungsprozesse. Auch können bestehende Entzündungs- und Autoimmunreaktionen durch ATIs verstärkt werden.

So gibt es Hinweise, dass sich Symptome von Krankheiten wie der Multiple Sklerose oder einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung durch diese Weizenproteine verstärken. Zu Schleimhautveränderungen wie dem Abbau der Darmzotten wie bei der Zöliakie kommt es aber nicht. Neben den ATIs werden auch für den Körper schlecht resorbierbare Kohlenhydrate, die FODMAPs (fermentierte Oligo-, Di- und Monosaccharide und Polyole), für die Symptome verantwortlich gemacht. Sie finden sich in glutenhaltigem Getreide sowie in Gemüse, Obst, Süßstoffen und Milchprodukten und können abführend und blähungstreibend wirken.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/18 ab Seite 124.

Gode Chlond, Apothekerin

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