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Ermüdungsbruch

WENN KNOCHEN ZERBRECHEN

Eine Maschine, die nicht rund läuft, droht an der belasteten Stelle zu verschleißen und schließlich zu „zerreißen“. Nichts anderes passiert mit Knochen in unserem Körper, die monoton gefordert werden.

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Ermüdungsfrakturen können überall dort entstehen, wo Knochen dauerhaft einseitig belastet werden. Am häufigsten kommen sie aber am Fuß, dem Schienbein und dem Beckengürtel vor. Die ständige Krafteinwirkung, die letztlich zu einem Ermüdungsbruch führt, ist nicht stark genug für eine spontane Fraktur. Vielmehr entstehen zunächst feine Risse und winzige Brüche im Knochengewebe, die sich ausdehnen, bis der Knochen an der geschwächten Stelle bricht.

Sport und Krankheiten sind Risikofaktoren Man unterscheidet beim zwischen Stress- und Insuffizienzfraktur. Während bei Ersterer ein gesunder Knochen durch übermäßige Belastung ermüdet, ist der Knochen bei der Insuffizienzfraktur generell nicht genügend mineralisiert, sodass er in seiner Struktur bereits vorgeschädigt ist. So treten Insuffizienzbrüche hauptsächlich bei bestimmten Grunderkrankungen wie Osteoporose oder Rachitis, seltener auch bei rheumatoider Arthritis auf.

Hingegen sind Stressfrakturen sehr oft auf extremen Sport zurückzuführen. So kommt es bei Marathonläufern häufig zur Jones-Fraktur, einem Bruch des fünften Mittelfußknochens, oder zur Marsch-Fraktur, bei der der zweite, dritte oder vierte Mittelfußknochen betroffen ist. Andere häufige Ermüdungsbrüche treten im Bereich der Hals- oder Brustwirbel auf, wenn schaufelnde Bewegungen, wie sie zum Beispiel Bauarbeiter durchführen, ständig wiederholt werden (Schipperkrankheit). Bei der ebenfalls verbreiteten Hustenfraktur sind vor allem Rippen und Wirbelsäule durch starken, lang anhaltenden Husten wie etwa Keuchhusten gefährdet.

Kaum Funktionseinschränkung Ein Ermüdungsbruch entwickelt sich über einen längeren Zeitraum. Die gefährdete Stelle schmerzt bei Belastung, schwillt an oder ist warm und gerötet. Man glaubt zuerst an eine akute Entzündung, nach längerer Zeit an rheumatische Beschwerden. Irgendwann bestehen die Schmerzen dann auch in belastungsfreien Zeiten.

Sollten Ihre Kunden mit solchen Beschwerden, die bereits seit Wochen andauern, in die Apotheke kommen, sollten Sie immer auf die Möglichkeit eines Ermüdungsbruchs hinweisen. Denn er wird meist auch von Ärzten erst sehr spät erkannt, da er, anders als ein spontaner Knochenbruch, nicht von starken Schmerzen und einer Funktionseinschränkung der betreffenden Extremität begleitet wird. Diese Einschränkung schreitet beim Ermüdungsbruch extrem schleichend voran. Auch geht der Bruchschmerz häufig in der bereits dauerhaft bestehenden Reizsymptomatik unter.

Ruhigstellen oberstes Gebot Ein Ermüdungsbruch kann sicher mit bildgebenden Verfahren diagnostiziert werden. Hierbei liefern die Magnetresonanztomografie und die Skelettszintigrafie die besten Ergebnisse, während sich auf einem Röntgenbild zu Beginn der Schmerzphase noch keine Mikrorisse erkennen lassen.

LEISTUNGSSPORTLER
Jede fünfte Sportverletzung ist ein Ermüdungsbruch. Das Erstaunliche dabei ist, dass Bewegung eigentlich notwendig ist, um Knochensubstanz zu erneuern, denn Druckreize auf den Knochen regen das „Remodeling“, also den Aufbau neuer Knochensubstanz an. Allerdings sollten diese Reize kurz und abwechslungsreich sein. Eine ständige punktuelle Reizung kann der Knochen jedoch auf Dauer nicht mehr ausgleichen.

Wurde ein Ermüdungsbruch diagnostiziert, wird der Arzt zuerst einmal ursächliche Grunderkrankungen wie Osteoporose, Tumoren oder Infektionen ausschließen. Handelt es sich tatsächlich um einen Insuffizienzbruch, muss die Grunderkrankung behandelt werden. Bei einem Stressbruch hängt die Therapie davon ab, wie früh er erkannt wurde. Im Anfangsstadium kann es bereits genügen, die einseitige Belastung einzustellen, denn dann kann ein gesunder Körper die Knochensubstanz aus eigener Kraft meist wieder aufbauen.

Bei weiter fortgeschrittenen Schädigungen oder gar einem bereits erfolgten Stressbruch wird das betroffene Körperteil gegipst oder geschient und zwei bis vier Wochen ruhiggestellt. Dann wird die Belastung langsam gesteigert. Nach sechs bis acht Wochen werden Gips und Schienen entfernt und die Extremität kann wieder vorsichtig voll belastet werden. Die Therapie des Stressbruchs unterscheidet sich also nicht von der des spontanen Knochenbruchs. Genauso gibt es beim Ermüdungsbruch auch sehr schwere Fälle, die operiert werden müssen. In diesem Fall greift auch die ganze Palette der für einen spontanen Knochenbruch verfügbaren Therapien – von Titanschrauben und Marknägeln bis hin zu Knochengewebstransplantationen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/14 ab Seite 96.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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