Spritze und Fläschchen © Talaj / iStock / Getty Images Plus
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Darreichungsformen

WENN ES UNTER DIE HAUT GEHT...

Die meisten Menschen haben starke Berührungsängste, wenn sie zum ersten Mal mit parenteralen Applikationsformen konfrontiert werden. Auch Sie können dazu beitragen, dass die Therapie zum Erfolg führt.

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Der Begriff Parenteralia findet seinen Ursprung in der griechischen Sprache. „Par enteron“ bedeutet unter Umgehung des Magen-Darm-Trakts und schließt ursprünglich alle Applikationsformen ein, die nicht oral eingenommen werden. Erst das Arzneibuch begrenzt Parenteralia als sterile Arzneimittel zur Infusion, Injektion oder Implantation und definiert so das heutige Verständnis dieser Arzneiform. Zwei wichtige Vorteile der Parenteralia sind die schnelle Wirkung und eben die genannte Umgehung des Magen-Darm-Trakts. Gleichzeitig bilden diese beiden Eigenschaften auch die größten Gefahren. Einmal appliziert gibt es keine ausreichenden Schutzmechanismen mehr, die Überdosierungen oder toxische Stoffe noch abfangen könnten.

Applikationsarten Zu unterscheiden sind prinzipiell die Injektion und die Infusion. Die Trennung der beiden parenteralen Applikationsformen beruht allein auf der Menge der jeweils verabreichten Lösung. Bis 15 Milliliter große Volumina werden als Injektion bezeichnet. Diese können aus Lösungen, Emulsionen oder Suspensionen bestehen und ein Konservierungsmittel enthalten. Ab einem Volumen von 50 Milliliter wird von Infusionen gesprochen. Sie müssen auch ohne Konservierungsmittel steril bleiben. Aufgrund der Instabilität vieler Wirkstoffe in wässriger Lösung werden parenterale Konzentrate oder Pulver als Formulierung für die Lagerung genutzt.

Diese werden kurz vor ihrer Anwendung verdünnt oder aufgelöst, bevor sie dann direkt oder mit einem zeitlich möglichst geringen Abstand appliziert werden. Je nach Zielort werden erneut Unterscheidungen getroffen. Die intrakutane Applikation wird vorzugsweise für Lokalanästhetika genutzt. Die subkutane Verabreichung gilt als die wichtigste Möglichkeit für die selbstständige Durchführung durch den Patienten im häuslichen Bereich. Intravenöse oder intraarterielle Applikationen werden direkt in eine Vene oder Arterie verabreicht. Es gibt jedoch Gründe für die Unterscheidung der beiden Arten. Intravenöse Injektionen bewirken eine schnelle systemische Wirkung, da das venöse Blut zum Herzen strömt und von dort in den ganzen Körper verteilt wird.

Die seltener, da risikoreichere intraarterielle Injektion wirkt teilsystemisch. Der Wirkstoff verteilt sich nur in dem von der Arterie versorgten Bereich des Körpers. Als große Problematik ist hier das hohe Risiko einer Thrombose zu berücksichtigen. Auch die Stillung einer Blutung gestaltet sich schwierig. Als tiefste Applikationsmöglichkeit steht die intramuskuläre Verabreichung zur Verfügung. Der Wirkstoff wird nicht direkt in die Blutbahn gegeben, sondern muss erst zu den Blutgefäßen diffundieren. Je nach eingesetzten Wirkstoffen und Hilfsstoffen können verschiedene Freisetzungsmöglichkeiten erzielt werden, wodurch diese Applikationsart sowohl für Impfstoffe als auch für Depotpräparate wie Vitamin B12 gerne genutzt wird.

Parenterale Depotarzneiformen ie pharmazeutische Forschung ist sehr daran interessiert, die Galenik für Injektionen stetig zu verbessern und somit die Therapie insbesondere für multimorbide Patientengruppen zu erleichtern. Chemische Methoden verändern zu diesem Zweck die Wirkstoffform. Penicilline können beispielsweise bereits durch Veränderung des verabreichten Salzes auf eine Wirkdauer von bis zu einer Woche gestreckt werden. Der Einsatz einer einzigen Injektion verschiedener mehr oder weniger wasserlöslicher Penicillin-Salze kann so eine ganze Woche an oraler Therapie ersetzen. Bei Glucocorticoiden wird mit unterschiedlichen Estern gearbeitet.

Je nach Ester ist dieser mehr oder weniger stabil gegenüber den körpereigenen Esterasen. So kann ein kontinuierlicher Wirkstoffspiegel über einen längeren Zeitraum erhalten werden. Pharmazeutisch-technologische Methoden betrachten die Trägerlösung, die appliziert wird. Um eine verzögerte Resorption zu erzielen, können ölige oder nichtwässrige Lösungen als Vehikel gewählt werden. Mit Aluminiummonostearat oder viskositätserhöhenden Makromolekülen kann die Freisetzung und Diffusion in die Blutgefäße verlangsamt werden. In der Praxis setzen die Spritzbarkeit und Schmerzhaftigkeit dieser Vehikel jedoch Grenzen. Eine andere Methode sind wässrige Kristallsuspensionen.

In der Hormontherapie werden Hormonkristalle verschiedener Größen verabreicht, die über einen längeren Zeitraum im Körper abgebaut werden. Somit entsteht ein gleichmäßiger Wirkstoffspiegel. Wie immer sind alle pharmazeutischen Errungenschaften nutzlos, wenn der Patient nicht in der Lage ist die Anwendung richtig auszuführen oder sie anzunehmen.

Beratungshinweise
+ Ölige Substanzen in Injektionen sorgen für eine Depotwirkung.
+ Auf den jeweiligen Homepages der Hersteller stehen häufig Anwendungsvideos zur Verfügung.
+ Injektionen sollten nicht geschüttelt werden, da viele Wirkstoffe sehr komplex aufgebaut und erschütterungsanfällig sind.

AnwendungWie bereits erwähnt sind die Therapien für zu Hause im Regelfall auf eine subkutane Injektion ausgerichtet. Insuline und entsprechende Insulinanaloga, GLP-1-Analoga, niedermolekulare Heparine zur Thromboseprophylaxe, Methotrexat und verschiedene Biologika werden auf diese Weise verabreicht. Auf dem Rezept teilweise nur schwer zu erkennen, aber immens wichtig in der Ausführung ist der Applikator. Fertigspritzen und Fertigpens stehen zur Auswahl. Die Dauerpatienten kennen und bestehen meist auf eine der beiden Applikationsformen. Da diese Therapien eine hohe Compliance erforderlich machen, hat die Erfüllung des Patientenwunsches höchste Priorität.

Abhängig von der benötigten Resorptionsrate stehen drei Körperareale für die Applikation zur Auswahl. Der Bauchbereich wird bei akut benötigten Arzneimitteln bevorzugt. Dazu gehört in erster Linie Normalinsulin. Für alle Applikationen in den Bauch gelten drei Regeln: Die ausgewählte Stelle sollte mindestens fünf Zentimeter vom Bauchnabel entfernt sein. Weiterhin sollte die Stelle einen Abstand von mindestens einem Zentimeter von der zuvor genutzten Einstichstelle haben. Dieser empfohlene Abstand variiert je nach Firma und Wirkstoff. Die Applikation sollte auch nicht zu nah an der untersten Rippe stattfinden. Als weitere Körperareale werden der Oberschenkel und das Gesäß genutzt.

NPH-Insuline sollten hier injiziert werden, da die Resorption im Vergleich zum Bauch langsamer stattfindet. Zu beachten sind die jeweiligen individuellen Empfehlungen der Hersteller. Insulin- und GLP-1-Analoga sowie fast alle weiteren subkutan zu verabreichenden Wirkstoffe können je nach Präferenz des Kunden in den drei genannten Körperarealen appliziert werden, gerne auch im Wechsel. Die Resorption der Wirkstoffe wird hier nicht beeinflusst. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Das wird bei kaum einer Therapiemöglichkeit so deutlich wie bei der Spritze. Nach der ersten Überwindung schwindet im Regelfall die Angst vor der nächsten Anwendung und so wird auch die parenterale Applikation ein Teil des normalen Alltags.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/2021 ab Seite 54.

Manuel Lüke, Apotheker und PTA-Lehrer für Gefahrstoffkunde

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