© vvvita / iStock / Getty Images

Riechstörungen

WENN DIE NASE BLIND WIRD

Wie wichtig der Geruchssinn ist, merken viele Menschen erst, wenn die Nase streikt. Riechstörungen sind weit verbreitet. Was dagegen hilft, hängt von den individuellen Ursachen ab.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Der Kaffeeduft am Morgen weckt die Lebensgeister. Der zarte Hauch von Parfum, der durchs Büro weht, sorgt für gute Laune. Und der vertraute Geruch des geliebten Partners löst ein Feuerwerk an Emotionen aus, gibt uns Sicherheit und Halt. Gerüche spielen im Leben eine wichtige Rolle. Wohlgerüche genauso wie abscheulicher Gestank. Letztgenannter hat das Talent, uns einen Ekelschauer über den Rücken zu jagen und spontan Übelkeit auszulösen, erfüllt oft aber auch eine wichtige Warnfunktion: Feuer, Chemikalien oder Verdorbenes riechen zu können, kann lebensrettend sein. Ein intaktes Riechvermögen brauchen wir zudem, damit Essen und Trinken zum Genuss werden. Während die Zunge gerade einmal fünf Geschmacksrichtungen unterscheiden kann, hat die Nase viel feinere Antennen: Tausende von Duftnoten, die das Geschmackempfinden mitprägen, kann das Superorgan erkennen.

Jeder Fünfte riecht schlecht Alles das macht klar: Riechstörungen sind keine Bagatelle, sondern gleichen einem Generalangriff auf die Lebensqualität. Untersuchungen deuten darauf hin, dass rund 20 Prozent der Bevölkerung von einer Beeinträchtigung der Riechzellen betroffen sind. Die meisten leiden unter einem eingeschränkten Riechvermögen, Experten sprechen dann von Hyposmie. Schätzungsweise fünf Prozent weisen einen kompletten Verlust des Riechvermögens, eine sogenannte Anosmie, auf. Jährlich werden knapp 80 000 Menschen in Deutschland wegen Riechstörungen in HNO-Kliniken behandelt, so der Deutsche Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte.

Bekannt ist, dass die Nase im Alter häufiger streikt als in jungen Jahren. Bei der Hälfte der über 80-Jährigen funktioniert das Riechvermögen gar nicht mehr. Dennoch sollten Probleme mit den Geruchssinn auf keinen Fall als „normale Alterserscheinung“ abgetan werden. Eine Untersuchung beim Facharzt ist unverzichtbar. Ein Grund: Riechstörungen können im Rahmen neurodegenerativer Erkrankungen wie Morbus Parkinson oder Alzheimer-Demenz auftreten, möglicherweise sogar sehr frühe Hinweise auf diese Erkrankungen liefern. Sehr oft verschlechtert sich das Riechvermögen schon viele Jahre bevor die krankheitsspezifischen Symptome auftreten.

Angriff auf die Riechschleimhaut Grundsätzlich können Riechstörungen viele, sehr unterschiedliche Ursachen haben – völlig harmlose, aber auch ernsthafte. Das macht klar, warum eine exakte Diagnostik in jedem Alter erforderlich ist. Zu den häufigen Auslösern gehören Virusinfektionen, etwa die echte Grippe. Haben die Krankheitserreger die Riechschleimhaut geschädigt, bleibt die Riechstörung auch dann noch bestehen, wenn die Infektion längst überstanden ist. Mediziner sprechen von postinfektiöser Riechstörung. Typischerweise wird sie von einer veränderten Geruchswahrnehmung, einer sogenannten Parosmie, begleitet.

Oft hat der Riechverlust seinen Ursprung auch in einer chronischen Nasennebenhöhlen-Entzündung. Nasenpolypen, Verkrümmungen der Nasenscheidewand, Hirntumore sowie toxische Schäden der Riechschleimhaut, beispielsweise durch Pestizide, Nikotin oder Kokain, gehören zu den weiteren Ursachen. Vergleichsweise häufig kommt es zudem nach Kopfverletzungen zu einer Schädigung des Riechapparates. Bei einem Schädelhirntrauma, etwa ausgelöst durch einen Schlag oder Sturz auf den Kopf, können die Riechfasern abreißen.

Achtsam im Alltag!

Verdorbene Lebensmittel, Brandgeruch, verschwitzte Kleidung: Wer sich nicht mehr auf seine Nase verlassen kann, muss im Alltag besonders wachsam sein. Nützlich sind für Menschen mit Riechstörung z. B. diese Hinweise:

+ Lebensmittel optimal lagern (kühl, trocken) und das Kauf- bzw. Öffnungsdatum notieren!
+ Nach Rezeptvorschrift würzen!
+ Beim Kochen den Herd im Auge behalten (Anbrenngefahr)!
+ Feste Zeitpläne für Körperhygiene, Wäschewechsel, Müllentsorgung und Toilettenreinigung einhalten!
+ Mit offenen Flammen (z. B. Kerzen, Kamin) besonders vorsichtig sein!
+ Giftige und gefährliche Substanzen beschriften, nicht umfüllen und getrennt lagern!
+ Rauchmelder (in Deutschland Pflicht) und ggf. Gasmelder anbringen und regelmäßig prüfen!

Weitere Hinweise und Informationen liefert die Patientenbroschüre „Riech- und Schmeckstörungen“ der Arbeitsgemeinschaft Olfaktologie und Gustologie der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Sie ist abrufbar unter: olfaktologie.hno.org/patienten.html 

Lästige Nebenwirkung Wichtig zu wissen: Auch eine Reihe von Medikamenten kann eine Riechstörung als Nebenwirkung haben, darunter bestimmte Antibiotika (z. B. Streptomycin), Antirheumatika (z. B. D-Penicillamin), Antihypertonika (z. B. Diltiazem, Nifedipin), Antidepressiva (z. B. Amitriptylin) sowie Chemotherapeutika (z. B. Methotrexat). Werden die Arzneimittel wieder abgesetzt oder können sie durch andere Präparate ersetzt werden, bessert sich meist auch das Riechvermögen wieder. In seltenen Fällen können Riechstörungen auch angeboren sein. Und: Bei einem Teil der Betroffenen lässt sich das Problem keiner offensichtlichen Ursache zuordnen. Dann sprechen Ärzte von idiopathischer Riechstörung.

Tests geben Aufschluss Die Diagnose ist eine umfangreiche Prozedur. Neben Anamnese und gründlicher Untersuchung von Nase, Nasennebenhöhlen und Co. kann das Riechvermögen durch unterschiedliche Tests überprüft werden. In subjektiven Testverfahren, die die aktive Mithilfe des Patienten erfordern, geht es beispielsweise darum, bestimmte Duftstoffe zu erkennen. Eine bewährte Testmethode ist zum Beispiel der Sniffin’Sticks-Test (Riechstifte-Test). Dabei werden dem Patienten mit unterschiedlichen Duftstoffen befüllte Filzstifte unter die Nasenlöcher gehalten. Seine Aufgabe besteht darin, die Duftstoffe zu erkennen und namentlich zu benennen. Um das Ausmaß einer Riechstörung objektiv zu erfassen, werden Veränderungen in der Hirnstromkurve (im Elektroenzephalogramm, EEG), die durch Riechreize ausgelöst werden, gemessen.

Möglicherweise kommen auch bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomografie (MRT) zum Einsatz. Die Therapie richtet sich nach der individuellen Ursache der Riechstörung. Werden zugrundeliegende internistische oder neurologische Erkrankungen ursächlich behandelt, bessert sich oft auch der Geruchssinn wieder. Sind toxische Substanzen die Auslöser, gilt es, diese zu meiden. Eine chronische Nasennebenhöhlen-Entzündung kann medikamentös beseitigt und bei ausbleibendem Erfolg chirurgisch behandelt werden. Auch bei Nasenscheidewand-​Verkrümmung und Polypen in der Nase kommt eine Operation infrage. Medikamentös werden Riechstörungen insbesondere mit Corticosteroiden behandelt. Sie wirken entzündungshemmend und haben zudem direkten Einfluss auf die Riechfunktion. Die Behandlung erfolgt systemisch mit Tabletten oder lokal mit Nasensprays.

Die Nase trainieren Ein vielversprechender Ansatz ist ein sogenanntes professionelles Riechtraining. Das Prinzip: Über einen Zeitraum von mehreren Wochen schnuppert der Patient morgens und abends an duftbefüllten Riechstiften. Studien haben gezeigt, dass sich der Geruchssinn durch den täglichen Schnupperparcours oft signifikant verbessern lässt. Die gute Nachricht: Bei vielen Betroffen kehrt das Riechvermögen spontan wieder zurück. Bei Riechstörungen, die im Anschluss an eine Virusinfektion auftreten, ist die Spontanheilungsrate besonders hoch, nach Kopfverletzungen ist sie geringer. In jedem Fall aber brauchen Betroffene Geduld. Denn die Regeneration der Nase ist ein langsamer Prozess der viele Monate, mitunter sogar Jahre dauern kann.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 01/20 ab Seite 94.

Andrea Neuen, Freie Journalistin

×